Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Man muss den Unternehmen ihren Gewinn lassen

Die Forschung und Entwicklung von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen wird durch Anreize gefördert. Im Interview mit Pharma Fakten schildert der Gesundheitsökonom Prof. Rudolf Blankart, Professor für Technologie- und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen, Hamburg Center for Health Economics, Universität Hamburg, warum es gut ist, wenn Pharmaunternehmen mit Orphan Drugs Gewinne erzielen.

Was sind die Besonderheiten bei der Entwicklung von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen?

Prof. Rudolf Blankart: Im Gegensatz zu Volkskrankheiten gibt es bei seltenen Erkrankungen nur eine geringe Patientenanzahl. Die Entwicklung von Medikamenten jedoch erzeugt ähnlich hohe Kosten. Besonders schwierig gestaltet sich die Rekrutierung für klinische Studien, in denen die Wirkstoffe für künftige Orphan Drugs erprobt werden. Mitunter können nur weniger als 100 Probanden daran teilnehmen. Aufgrund der niedrigen Teilnehmerzahl fehlt die statistische Power und das macht es schwierig, sogenannte patientenrelevante Endpunkte nachzuweisen, die zum Beispiel im AMNOG-Verfahren gefordert sind. Außerdem gibt es aufgrund der Patientenzahl weniger Rückmeldungen aus der Anwendung dieser Arzneimittel.

Lohnt sich bei geringen Patientenzahlen die Entwicklung überhaupt? Und welche Rolle spielen dabei Anreize wie die Orphan-Drug-Verordnung?

Prof. Blankart: Der Hersteller erhält mit Zulassung der Orphan Drug eine Marktexklusivität von zehn Jahren. Dies ist ein noch stärkeres Instrument als der Patentschutz. Dadurch, dass es keine Konkurrenzsituation gibt, kann sich die Investition in die Entwicklung von Orphan Drugs durchaus lohnen. Weitere Mechanismen wie Gebührenerleichterungen oder die Protokoll-Assistenz bringen vor allem kleineren Unternehmen Unterstützung. Und: Für zugelassene Orphan Drugs gilt im AMNOG-Prozess der Zusatznutzen als erwiesen. Wenn das neue Medikament eine hohe Wirksamkeit besitzt, lässt sich mit dem Arzneimittel ein hoher Preis erzielen.

Kritiker behaupten, Pharmaunternehmen nutzen Orphan Drugs zur Gewinnmaximierung aus. Die Rede ist außerdem vom „Slicing“.

Prof. Blankart: Meiner Meinung nach muss man den Pharmaunternehmen einen Gewinn lassen. Nur eine prosperierende Pharmaindustrie bringt neue Innovationen auf den Markt. Dass einige Orphan Drugs nach und nach in unterschiedlichen Indikationen zugelassen werden, ist ein Fakt. Doch ob man da immer einen Vorsatz hineininterpretieren muss? Dann hätte das Unternehmen die Wirksamkeit für die unterschiedlichen Anwendungsgebiete vorher kennen müssen. Doch das erweist sich ja erst durch die breite Anwendung nach der ersten Zulassung. Ich glaube nicht, dass weitere Anwendungsgebiete immer vorher absehbar sind.

Sind Orphan Drugs denn, wie manche meinen, ein Kassenschlager?

Prof. Blankart: Was ist denn überhaupt ein Kassenschlager? Meiner Meinung nach ist eine Gesellschaft bereit für ein Medikament zu bezahlen, solange der Nutzen höher ist als der Preis. Bis jetzt konnte man sich bei Orphan Drugs immer auf einen Wert einigen, der durchaus hoch ausfallen kann. Jedoch bräuchten wir an dieser Stelle eine grundsätzliche Diskussion darüber, wie viel Geld es uns wert ist, für gewonnene Lebensjahre und -qualität zu bezahlen. In England wird hierfür zum Beispiel das Instrument der qualitätsadjustierten Lebensjahre, Stichwort QALY, erfolgreich eingesetzt.

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