Der diesjährige Innovationsreport untersuchte die neuen Präparate, die 2013 erstmals in Deutschland auf den Markt gekommen sind. Neue Medikamente gegen Krebs und andere schwere Krankheiten bieten dem Patienten zu wenig Nutzen, so die Kernaussage der Studie. Glaeske: “Der Anteil der nicht innovativen Arzneimittel überwiegt.”
Von 23 Medikamenten wurde nur eins mit grün bewertet, neun Arzneimittel wurden gelb eingestuft und 13 erhielten die Farbe rot. Neun der 23 Präparate waren Onkologika. 65 Prozent der Ausgaben für die untersuchten Präparate entfielen laut Innovationsreport 2015 auf diese Medikamente. Eine Einschätzung, die auch auch in diesem Jahr wieder erheblich von den Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschuss abweicht.
Der G-BA, der die endgültige Entscheidung trifft, hatte laut Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) zwischen 2011 und 2015 bei 85 Prozent der Onkologika einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie festgestellt. Das IQWIG hat im Jahr 2015 insgesamt 41 frühe Nutzenbewertungen abgeschlossen. Der G-BA schloss sich in 28 Fällen den Einschätzungen des IQWIG an, in 13 Fällen gab es abweichende Entscheidungen. Sechsmal stufte der G-BA das Ausmaß des Zusatznutzens herab, zweimal herauf. In fünf Fällen entschied das Gremium, dass der Zusatznutzen “beträchtlich” statt “nicht quantifizierbar” sei.
Das bedeutet, dass es zu einigen Arzneimitteln mindestens vier Meinungen gibt: Glaeskes Ampel, die IQWIG-Bewertung, die G-BA-Bewertung und die Einschätzung der an den Zulassungsstudien beteiligten Kliniken. Zusätzlich erscheinen jedes Jahr weitere Reports zu neuen Arzneimitteln und Ärztlichen Leitlinien. Auch hier weichen Urteile und Empfehlungen teilweise voneinander ab. Statt Orientierung für Ärzte und Gesundheitspolitiker entsteht Verwirrung, die nicht im Sinne der Patienten sein kann.
Aus anderen Gründen kritisiert der vfa die Methodik, die dem TK-Innovationsreport zugrunde liegt. Sie ziehe nicht in Betracht, dass jedes neue Krebsmedikament ein Baustein eines abgestimmten Therapieplans darstelle. “Es bleibt zu hoffen, dass Ärzte künftig nicht unter dem Vorwand der Arzneimittelinformation dazu gedrängt werden, untaugliche Orientierungssysteme wie die Ampel zum Maßstab ihrer Therapieentscheidungen zu machen”, sagte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Der Anteil der Krebsmedikamente an den Arzneimittelausgaben der Kassen liege seit vielen Jahren stabil bei rund elf Prozent.
Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zeigt sich unzufrieden mit den Schlussfolgerungen Glaeskes. “Die Krankenkassen müssen für eine Balance zwischen hochwertiger, innovativer Versorgung und Kostensteuerung sorgen. Ihre Vorschläge gehen zu Lasten der Patienten”, so BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp in einer Pressemitteilung.
Dass die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Ruder laufen, kann Fahrenkamp nicht erkennen und beruft sich dabei auf Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums. Auch der Ausgabenzuwachs für Arzneimittel sei geringer als noch im Vorjahr. Die Kasse wolle dennoch durch das geplante Arztinformationssystem weiter einsparen. Fahrenkamp: “Hier will die Kasse ihre Versicherten über einen Kamm scheren, statt sie individuell zu versorgen. Eine Ampel ist für eine sichere Therapie völlig ungeeignet.” Und auch Fischer pflichtet ihm bei: “Welchen Wert ein Medikament in einer Therapie hat, lässt sich nicht durch ein Ampelschema vermitteln. Rot, Grün und Gelb gilt nämlich in der Therapie – anders als im Straßenverkehr – nicht für jeden Patienten in gleicher Weise.”