Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Rasante Fortschritte in der Leukämie-Behandlung

„Love Story“, einer der erfolgreichsten Filme der 1970er Jahre, hätte heute vermutlich ein anderes Ende. Damals starb die weibliche Hauptfigur innerhalb kurzer Zeit an Leukämie. Heute wären ihre Überlebenschancen deutlich besser – auch dank der Arbeit des Stammzellforschers Professor Dietger Niederwieser, Alt-Präsident der Worldwide Network for Blood and Marrow Transplantation (WBMIT) und Alt-Präsident der European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMIT). Wir haben mit ihm über die dramatischen Fortschritte in der Leukämie-Behandlung gesprochen.

Herr Professor Niederwieser, Sie leiten seit 1998 die Abteilung Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Leipzig. Was hat sich in dieser Zeit bei der Behandlung von Leukämien verändert?

Professor Dr. Dietger Niederwieser: Die akute Leukämie hat vor 20 Jahren noch den Ruf einer bösartigen, innerhalb weniger Wochen zum Tode führenden Erkrankung gehabt. Seither haben sich die Überlebenskurven dramatisch verbessert, und zwar sowohl bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien.

Können Sie dazu konkrete Zahlen nennen?

Niederwieser: Bei uns in Leipzig hatten wir bei Patienten mit akuten Leukämieformen in den Jahren von1990 bis 2002 Überlebensraten von 40 Prozent. In den Jahren von 2009 bis 2014 lag die Überlebensrate bei 67 Prozent. Das ist nahezu eine Verdopplung in einem Beobachtungszeitraum von 15 Jahren.

Wie kam es zu dieser Verbesserung?

Niederwieser: Bei den akuten myeloischen Leukämien, die mehr als ein Viertel der Leukämien ausmachen, hat es bereits seit den 1970er Jahren eine kontinuierliche Verbesserung gegeben, insbesondere durch die Stammzell-Transplantation. Das Risikoprofil der Leukämien konnte von den 1980er bis in die 2000er Jahre immer besser und genauer erforscht werden – auch dadurch konnten wir die Behandlungsmethoden verbessern. Grundsätzlich kann man sagen: Je mehr Chromosomen- und Genveränderungen vorliegen, umso wichtiger ist es, den Patienten möglichst intensiv zu behandeln. Man kann dadurch Hochrisiko von Gutrisiko unterscheiden und auch dementsprechend die Behandlung planen. Zudem ist die Therapie wesentlich sicherer geworden und die Behandlungskomplikationen haben sich deutlich reduziert. Besonders eindrücklich ist die Reduktion der behandlungsassoziierten Mortalität bei der Stammzell-Transplantation zu erkennen: Um die Jahrtausendwende sind 32 Prozent der Patienten an den Folgen der Transplantation gestorben, heute sind es nur noch 7 Prozent. Zudem führen wir Stammzell-Transplantationen auch bei Patienten über 60 Jahren durch, die früher kaum kurativ behandelt werden konnten – und sie werden zu 50 bis 60 Prozent geheilt. Bei jüngeren Patienten liegt die Überlebenswahrscheinlichkeit je nach Risikoprofil zwischen 40 und 90 Prozent.

Wie verlief die Entwicklung bei der chronischen myeloischen Leukämie?

Niederwieser: Hier gab es im Jahre 1998 eine medizinische Sensation, die für einen Durchbruch in der Behandlung sorgte.

Welche war das?

Niederwieser: Das war die Entwicklung eines Medikamentes mit dem Wirkstoff Imatinib – ein so genannter Proteinkinase-Inhibitor. Damit hatten wir ein Medikament in der Hand, mit dem wir die Wachstumssignale der genveränderten Leukämiezellen blockieren bzw. die Zellen in die Apoptose treiben können.

Also in den programmierten Zelltod.

Niederwieser: So nennt es der Laie. Ich kann sagen, die Pharma-Industrie hat hier sehr, sehr gut gearbeitet. Auch mit Hilfe von Ärzten, die die Pharma-Industrie von der Notwendigkeit eines solchen Medikamentes überzeugt haben. Es war wegen der geringen Nebenwirkungen und der optimalen Wirkung eine Sensation und eine Vorreiter-Therapie für viele andere bösartigen Erkrankungen. Dadurch hat sich nicht nur die Überlebenswahrscheinlichkeit entscheidend verbessert, sondern auch die Lebensqualität.

Mittlerweile gibt es eine neue Generation dieser Medikamente.

Niederwieser: Inzwischen gibt es eine neue Generation an Tyrosinkinasen, die noch effizienter die Genveränderung bei der chronischen Myeloischen Leukämie hemmen. Sie ermöglichen eine molekulare Therapie, die eine ganz neue Dimension in die Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie eingebracht hat und bei einigen sehr gut ansprechenden Patienten möglicherweise auch das Absetzen im Rahmen klinischer Studien erlaubt.

Welche Fortschritte in der Leukämie-Therapie erwarten sie in den kommenden Jahren?

Niederwieser: Wir verstehen immer besser, wie eine Leukämie entsteht und welche Genmutationen beteiligt sind. Wir können heute sehr viele und zunehmend Genveränderungen erkennen und mit Medikamenten blockieren. Das Problem liegt noch darin, die wichtigen von den weniger wichtigen Genveränderungen zu unterscheiden, da wir nicht alle blockieren können. In den nächsten Jahren werden wir diese „Driver Mutations“, wie wir sie nennen, erkennen und hoffentlich auch blockieren können. Wesentliche Fortschritte verspreche ich mir von diesen neuen molekularen Medikamenten. In der akuten myeloischen Leukämie laufen dazu gerade extrem interessante Studien. Außerdem werden Möglichkeiten erforscht, wichtige Gene direkt ein- und auszuschalten. All das wird viele neue Chancen für Patienten mit Leukämie bringen.

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