Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Fortschritt kommt auch in armen Ländern an

Der „Access to Medicine Index 2016“ zeigt: Verbesserte Access-Strategien der Pharmakonzerne haben dazu geführt, dass heute mehr Menschen Zugang zu modernen Arzneimitteln haben als je zuvor. Aber es bleibt noch viel zu tun.

Die Kinderlähmung ist weltweit beinahe ausgerottet. Fast die Hälfte der 36,7 Millionen Menschen, die weltweit mit HIV infiziert sind, haben inzwischen Zugang zu einer antiretroviralen Therapie (AVR) – doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. Für Malaria, Dengue-Fieber und andere Krankheiten, die in den einkommensschwachen Regionen der Südhalbkugel immer wieder zu Epidemien geführt haben, stehen heute moderne Impfstoffe zur Verfügung. Die neuen Medikamente gegen Hepatitis C, die in den Industrieländern die Hoffnung auf eine Elimination schüren, dringen langsam auch in die Länder Asiens und Afrikas vor.

Diese und weitere Fortschritte zählen zwei Veröffentlichungen auf, die sich in jüngster Zeit dem Thema „weltweiter Zugang zu medizinischer Versorgung“ gewidmet haben. Wie sehr Dr. Margaret Chan dabei den „Access to Medicine Index“, den die internationale ATM Foundation seit 2008 alle zwei Jahre erstellt, für die eigene Arbeit schätzt, hat die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO klar ausgedrückt: „Der ATM-Index ist ein wichtiges Projekt. Was exakt gemessen wird, das wird auch getan!“

Mit diesem Urteil adelt die WHO-Chefin die Arbeit einer gemeinnützigen Stiftung, die bei der Frage, wie sich der Zugang zu Arzneimitteln, eines der 19 „Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung“ der UN, weltweit entwickelt, einen ganz anderen Ansatz verfolgt als ihre eigene Organisation. Die ATM Foundation hat in ihrem fünften „ATM-Index“ einmal mehr ein „internationales Unternehmens-Ranking“ erstellt: Anhand genau definierter Kriterien und Messmethoden untersucht sie, wie ernst die 20 führenden Unternehmen der forschenden Pharmaindustrie die Aufgabe nehmen, ihre Produkte auch den Menschen in Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zur Verfügung zu stellen – bzw. sie sogar explizit an deren Bedarf zu orientieren.

Die Veränderungen, die der ATM-Index ausweist, werden in der weltweiten Öffentlichkeit oft nur am Rand zur Kenntnis genommen – obwohl sie Milliarden von Menschen direkt betreffen. Umso bedeutender ist der Index für große Teile der Fachwelt: In den Gesundheitssystemen vieler Länder, bei internationalen Ärzte-Organisationen und natürlich in den Pharmakonzernen selbst werden die Ergebnisse des ATM-Index genau beobachtet und heiß diskutiert.

So legt die britische GlaxoSmithKline plc (GSK) großen Wert darauf, schon zum fünften Mal an der Spitze der „access-freundlichsten“ Unternehmen weltweit zu stehen. „Wir möchten, dass unsere Arzneimittel und Impfstoffe allen Menschen zugänglich sind, die sie brauchen – unabhängig davon, wo sie leben und was sie sich finanziell leisten können. Der ATM-Index zeigt, dass wir dabei einen guten Job machen“, kommentiert GSK-Vorstandschef Sir Andrew Witty das jüngste Ergebnis. Auf den Plätzen zwei bis fünf folgen im 2016-er Index Johnson & Johnson (USA), Novartis (Schweiz), Merck KGaA (Deutschland) und MSD (USA).

In sieben Bereichen messen die Kontrolleure der ATM Foundation die „Access-Orientierung“ der Pharmakonzerne. Das größte Gewicht im Gesamt-Ranking liegt dabei auf dem Bereich „Preisgestaltung, Herstellung und Vertrieb“ (25 Prozent), gefolgt von „Forschung und Entwicklung“ (20 Prozent) und „Patente und Lizenzen“ (15 Prozent). Die vier anderen Bereiche – vom „allgemeinen ATM-Management“ bis zu “Produktspenden“ – fließen zu je zehn Prozent in die Gesamtbewertung mit ein (siehe Grafik).

 

 

Von manchen Kritikern wird die unternehmens-orientierte Methodik des ATM-Index heftig angezweifelt, ihre Aussagekraft grundsätzlich hinterfragt. Dem hält Jayasree K. Iyer, die junge Direktorin der ATM Foundation, die Grundüberzeugung der Stiftung entgegen: „Als Innovatoren und Hersteller lebensrettender Produkte stehen die Pharmaunternehmen ganz vorn in der Wertschöpfungskette. Wo immer sie positive Schritte ergreifen, können die Auswirkungen riesig sein – für das tägliche Wohlergehen der Menschen ebenso wie für die Einsparung hoher Kosten.“ Auch Microsoft-Gründer Bill Gates, Mit-Initiator und wichtigster Co-Finanzier der Stiftung, ergänzt: „Die Verantwortlichen der Pharmafirmen versichern mir, dass sie noch mehr für `vernachlässigte Krankheiten´ tun wollen. Dafür gebührt ihnen Anerkennung – und das leistet unser Index.“

In der jüngsten Ausgabe hat die ATM Foundation ihre Methodik verschärft: Alle Angaben, die die befragten Firmen selbst zu den sieben Analysebereichen machen, werden von unabhängigen Experten auf Plausibilität und Validität geprüft. Im Ergebnis stellt die Stiftung fest: „Wir haben in allen gemessenen Bereichen Fortschritte und gute Unternehmens-Praxis feststellen können.“ Doch gleichzeitig wird betont: „Der Index ist auch ein `Buch der möglichen Lösungen´. Der Fortschritt geht derzeit noch langsamer voran, als viele von uns sich das wünschen.“

In diesem gespaltenen Fazit zeigt sich der ATM-Index 2016 einig mit einem Bericht, den das „High Level Panel on Access to Medicines“ des Generalsekretariats der Vereinten Nationen im September 2016 veröffentlicht hat. Auch das Gremium, das UNO-Chef Ban Ki-moon vor einem Jahr eingesetzt hatte, kommt zu dem Ergebnis: „Durch neue Generationen von Arzneimitteln und ihre Kombinationen können heute Patienten behandelt werden, deren Prognosen noch vor wenigen Jahren tödlich gewesen wären.“ Doch viele Menschen und Gemeinschaften, so der UN-Report weiter, hätte derzeit noch keine Chancen, diese lebensrettenden Behandlungen auch wirklich zu bekommen. „Wir können und müssen hier besser werden. Und wir sind uns darin einig, dass es notwendig ist zu handeln – und zwar jetzt!“  

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