Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Ja zur Aufklärung – Nein zur Impfpflicht

Noch immer mangelt es in Deutschland an der Bereitschaft vieler Eltern, ihre Kinder zweimal gegen Masern impfen zu lassen. Hilft eine Pflicht zur Impfung – oder schadet sie sogar?

In ihrem aktuellen Bericht vom 22.11.2016 hat die Nationale Verifizierungskommission Masern/Röteln am Robert-Koch-Institut an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet: Deutschland sei 2015 „so weit von der Ausrottung der Krankheit <Masern, die Redaktion> entfernt gewesen wie lange nicht“. Vor allem bei der notwendigen zweiten Schutzimpfung würde die Impfquote von 95 Prozent, die zur Erreichung der „Herdenimmunität“ erforderlich sei, deutlich verfehlt.

Pharma Fakten hat die Gesundheitsministerien in Schleswig-Holstein (Ministerin: Kristin Alheit, SPD) und in Bayern (Ministerin: Melanie Huml, CSU) befragt, was sie unternommen haben und weiter unternehmen wollen, um der noch immer mangelnden Impf-Bereitschaft entgegenzuwirken – und wie sie zur Einführung einer Impfpflicht stehen. Wo sich dabei Übereinstimmungen, aber auch interessante Unterschiede ergeben haben, lesen Sie in unserer Zusammenfassung.

Aufklärungskampagnen besonders für junge Erwachsene

Im nördlichsten wie im südlichsten Bundesland setzen die Verantwortlichen auf eine intensive Aufklärung über die Vorteile der „doppelten Impfung“, die den Schutz vor Masern erst wirklich sicherstellt. Dabei gehen sie teilweise ähnliche, teilweise aber auch unterschiedliche Wege: In beiden Ländern richtet sich die breite Aufklärung unter den „Betroffenen“ vor allem an ältere Jugendliche und junge Erwachsene. Die Altersgruppe zwischen 15 und 30 Jahren nämlich ist diejenige, bei der die größten Impflücken bestehen – die „aus den 1990-er Jahren mitgewachsen“ seien, wie das schleswig-holsteinische Ministerium betont.

 

Im Norden hat man 2015 im Rahmen einer breiten Kampagne das Impfen als eigenen Schwerpunkt im Internetauftritt des Landes etabliert. Unter www.impfen.schleswig-holstein.de können sich Interessierte durch News, Empfehlungen, „Impfen A-Z“ und Downloads über alle Einzelheiten informieren, die es zum Thema Impfen zu wissen gilt.

 

Zusätzlich hat Schleswig-Holstein Impf-Aktionstage an Hochschulen eingeführt: Dort wird die „Hauptzielgruppe“ sowohl über die Notwendigkeit der Impfung informiert als auch direkte Impfmöglichkeiten angeboten – in Kooperation mit der Studentenvertretung AStA. Die Reaktionen der Studierenden auf das „Angebot vor Ort“ waren so positiv, dass das Land die Impf-Aktionstage verstetigt hat.

Auch Bayern hat an drei Universitäten ähnliche Aktionen eingeführt – allerdings erst einmal nur in Form von Beratungsständen speziell für Erstsemester. Bei den „Bayerischen Impfwochen“, die im Frühjahr 2016 schon zum vierten Mal durchgeführt wurden, lag der Schwerpunkt ebenfalls auf der Aufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene. Speziell an sie richtet sich ein humoristisch gemachter Kino-Spot, der von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016 landesweit in bayerischen Kinos zu sehen war – abrufbar noch heute unter https://www.stmgp.bayern.de/vorsorge/infektionsschutz/masern/.

 

Kooperationen mit Ärzten, Apothekern und dem medizinischen Personal

Darüber hinaus legt das bayerische Gesundheitsministerium einen Schwerpunkt seiner Impf-Aktivitäten auf die Kooperation mit „wesentlichen Multiplikatoren des Impfgedankens“: Gestärkt werden soll dabei vor allem die Impf-Unterstützung und die Impf-Qualifikation von Ärzten, Apothekern und Hebammen. Weil im Freistaat die Bedeutung von Impfungen schon lange anerkannt wird, wurde dazu schon vor zehn Jahren eine „Landesarbeitsgemeinschaft Impfen“ (LAGI) gegründet.

Die Ärzteschaft und das gesamte „medizinische Personal“ wird auch in Schleswig-Holstein aktiv in die Impfkampagnen mit einbezogen. So sollen künftig nicht nur niedergelassene Ärzte, sondern auch Betriebsärzte die Standardimpfungen (wie Masern u.a.) direkt vor Ort in den Betrieben durchführen können. Denn gerade sie seien „die einzige Arztgruppe, die junge gesunde Erwachsene erreicht, die sonst Arztkontakte meiden“.

Keine Pflicht, kein Zwang zur Impfung

Klar abgelehnt wird in beiden Ministerien die Einführung einer Impfpflicht – wie sie z.B. der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte schon seit Jahren fordert. „Eine Impfpflicht bedeutet einen erheblichen Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit – und bei Kindern in das Sorgerecht der Eltern. Ein solcher Eingriff könnte nur als ultima ratio in Erwägung gezogen werden, wenn alle übrigen zur Verfügung stehenden Mittel versagen würden“, heißt es dazu von einer Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums.

Ähnlich die Stellungnahme aus Schleswig-Holstein: Auch dort sieht man in der Abwägung zwischen dem Auftrag des Staates, vor Krankheiten zu schützen, und dem Recht des Einzelnen auf freie Entscheidung keine Notwendigkeit für die Impfpflicht. Im Gegenteil: Man hält in Kiel die Verpflichtung, der ja dann auch ein „Impfzwang“ folgen müsste, geradezu für kontraproduktiv: Denn erstens sei in einem solchen Fall „eine massive Mobilisierung der organisierten Impf-Gegnerschaft“ zu erwarten – auch unter Ärzten. Zweitens sei eine Pflicht zur Impfung im Einzelfall kaum durchzusetzen – denn „es besteht immer die Möglichkeit, sich von der Impfpflicht befreien zu lassen, wenn medizinische Gründe dagegensprechen.“

Impfpflicht vorstellbar für das medizinische Personal

An zwei Stellen ist man in Kiel bereit, bei der Verpflichtung zur Impfung doch weiter zu gehen als in München: Schon seit 2001 ist es in Schleswig-Holstein Pflicht, bei der Aufnahme eines Kindes in eine vom Land betriebene oder geförderte Kindertagesstätte eine Bescheinigung über ein erfolgte ärztliche Impfberatung vorzulegen – als „zentrales Instrument zur Feststellung von Impflücken“.

Daneben wäre die Landesregierung im Norden auch bereit, über eine Impfpflicht für medizinisches Personal zu diskutieren. Denn Fakt sei, dass „Patienten immer wieder durch nicht-geimpftes medizinisches Personal infiziert werden“. Allerdings will auch das Kieler Ministerium in seiner „Landesverordnung Infektionsprävention“ vorerst einen anderen Weg beschreiten: Das Impfangebot für das medizinische Personal soll substanziell verbessert werden.
 

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