Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.
Fortschritte in der Leukämie-Behandlung - die Überlebenskurven haben sich bei den akuten als auch bei den chronischen Leukämien deutlich verbessert. Logo: © Pharma Fakten e.V.

Streit um die Vertraulichkeit der Arzneimittelpreise

Im Pharma-Dialog wurde Pharmaunternehmen Vertraulichkeit der im Rahmen des AMNOG verhandelten Erstattungsbeträge zugesichert – und so steht es auch im Entwurf des AM-VSG. Dagegen laufen die Kassen nun Sturm. Was sagen die Ärzte? Ein Interview mit der scheidenden stellv. Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dipl.-Med. Regina Feldmann.

Weil zahlreiche Länder ihre Arzneimittelpreise auf Deutschland „referenzieren“, sind öffentlich gelistete Erstattungspreise für international operierende Pharmaunternehmen ein Problem geworden. Denn durch das AMNOG abgesenkte Preisniveau in Deutschland geraten Preise in anderen Ländern unter Druck. Das kann u.a. zu Versorgungsproblemen führen, denn es entsteht ein Sog: Arzneimittelhändler kaufen bei in Deutschland ansässigen Pharmaunternehmen zu AMNOG-Preisen ein, machen sich das höhere Preisgefüge in ausgewählten Märkten zunutze und verkaufen für Patienten in Deutschland vorgesehene Arzneimittel im Ausland (Parallelexport). Deshalb fordert die Industrie eine „echte“ Vertraulichkeit der Preise. Dass es die im Übrigen bei 70 Prozent der Verordnungen heute schon gibt, erklärt die scheidende stellvertretende KBV-Vorsitzende im Pharma Fakten Interview.

Frau Feldmann, laut AM-VSG sollen die im AMNOG verhandelten Preise geheim bleiben. Eine Idee, die den Krankenkassen gar nicht passt. Wie bewerten Sie das?

Feldmann: Mit dem Verzicht auf die öffentliche Listung der Erstattungsbeträge soll verhindert werden, dass Behörden im Ausland den Erstattungsbetrag als Referenz zur Preisbildung heranziehen. Sollte sich diese vorgesehene Neuregelung durchsetzen, wäre die Situation für uns Ärzte dennoch nicht so neu. Als Hausärztin kenne ich bereits jetzt für ca. 70 Prozent meiner Verordnungen aufgrund von Rabattverträgen der Krankenkassen die tatsächlichen Preise nicht.

 

Was hilft es Ihnen dann, wenn Sie für 30 Prozent der Verordnungen die Preise kennen?

 

Feldmann: Durch Rabattverträge insbesondere im generikafähigen Markt und nicht zuletzt auch durch Erstattungsbetragsvereinbarungen auf Basis der Beschlüsse zur frühen Nutzenbewertung wurde die Verantwortung für die Preise von Arzneimitteln zunehmend von den Ärzten auf die Krankenkassen und die pharmazeutischen Unternehmen verlagert. Unter diesen Voraussetzungen sollen und wollen Vertragsärzte zukünftig nicht mehr für den Preis, sondern für die Auswahl des richtigen Wirkstoffes in der erforderlichen Dosierung verantwortlich sein. Dem ist der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auch einen wichtigen Schritt entgegengekommen, indem er bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit die rein preisbezogene Richtgrößenprüfung als Regelprüfart abgeschafft hat.

Die Forderung der Kassen klingt ein wenig nach „Transparenz nach Gusto“. Was ist Ihre Position?

Feldmann: Um die Frage „Transparenz der Preise oder nicht?“ geht es hier meines Erachtens gar nicht so sehr. Vielmehr muss es doch darum gehen, dass eine Regelung geschaffen wird, die die notwendige Planungssicherheit für Krankenkassen und pharmazeutische Unternehmen sowie Verordnungssicherheit für die Vertragsärzte herstellt. Dies wäre über Preis-Volumen-Vereinbarungen zu erreichen. Das Risiko von über die Vereinbarungen hinausgehenden Mehrausgaben würde vom pharmazeutischen Unternehmer getragen. Dieser Ansatz ist zwar im Gesetzesentwurf enthalten, wird aber nicht konsequent genug umgesetzt. Wenn man den Abschluss solcher Vereinbarungen nicht verbindlich vorgeben möchte, bedarf es dennoch zwingend einer gesetzlichen Regelung, die Klarheit darüber herstellt, dass der vereinbarte Erstattungsbetrag die wirtschaftliche Verordnung eines neuen Arzneimittels im gesamten Anwendungsgebiet ermöglicht.

Im Gesetzesentwurf heißt es, dass der Preis „nur solchen Institutionen mitgeteilt wird, die ihn zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen.“ Benötigen die Ärzte aus Ihrer Sicht die Preise? Andererseits: Wenn alle Ärzte, Apotheker oder Kassenvertreter Einsicht in die Preise haben: Was ist das dann noch für eine Vertraulichkeit?

Feldmann: Richtig, der Erstattungsbetrag soll nur noch den „Institutionen“ mitgeteilt werden, die ihn zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötigen. Laut der Gesetzesbegründung bedeutet dies, dass er unter anderem auch Ärzten und Apothekern zur Kenntnis gebracht wird. Aus Praktikabilitätsgründen ist demzufolge nur eine Darstellung des Erstattungsbetrags in der Arzt- bzw. der Apothekersoftware vorstellbar. Dies käme jedoch einer öffentlichen Listung gleich und das beabsichtigte Regelungsziel würde verfehlt. Will man an der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags festhalten, dann müsste auf eine Mitteilung des Erstattungsbetrags an Ärzte und Apotheker verzichtet werden.

Mal aus Sicht des Patienten gefragt: Sollte es nicht eher eine „Arbeitsteilung“ geben? Der Arzt oder die Ärztin verschreibt aus medizinischen Gründen und kann sich darauf verlassen, dass die zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmen verhandelten Preise wirtschaftlich sind und auch als solche akzeptiert werden?

Feldmann: Ja, genau das entspricht unserer Forderung. Denn nur so erhalten die Vertragsärzte die notwendige Verordnungssicherheit, um wirksame Innovationen und neue Wirkstoffe weiterhin möglichst schnell und sachgerecht in der Versorgung anwenden zu können.

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