HPV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs: Alle Instrumente für eine Eliminierung sind vorhanden. Foto: © iStock.com/Pornpak Khunatorn
HPV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs: Alle Instrumente für eine Eliminierung sind vorhanden. Foto: © iStock.com/Pornpak Khunatorn

Auf dem Weg zum universalen Impfstoff

Eine einzige Impfung, die breiten Grippe-Schutz für viele Jahre oder sogar für immer bietet: An der Vision, dieses Ziel zu erreichen, arbeiten derzeit mehrere Forscherteams. Über den Stand der Forschung zu einem Grippe-Impfstoff, der mehrere Jahre lang wirkt, und über die Erfolgsaussichten hat Pharma Fakten mit einem führenden Impfstoff-Forscher gesprochen: Prof. Dr. Carlos A. Guzmán leitet die Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.

Herr Professor Guzmán, die Impfung gegen Grippe muss aktuell jedes Jahr aufs Neue erfolgen. Seit einiger Zeit jedoch arbeiten Forscher auf der ganzen Welt an einem Universal-Impfstoff gegen Influenza, der viele Jahre lang wirken könnte. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach noch dauern, bis ein solcher mehrjährig wirksamer Impfstoff auf den Markt kommt?

Professor Dr. Carlos A. Guzmán: Um es klar zu sagen: Das ist heute noch ein Traum. Es gibt bislang keinen Influenza-Impfstoff, der für immer universell schützt. Das liegt daran, dass sich die Influenza-Viren von Saison zu Saison verändern.

Dennoch oder vielleicht gerade deswegen gibt es Forschungsgruppen…

Prof. Guzmán: …die an einem Impfstoff arbeiten, der vielleicht nicht absolut universal, aber doch deutlich breiter wirkt – der also Schutz gegen verschiedene Influenzaviren bietet, die eng verwandt sind. Das ultimative Ziel ist ein Impfstoff, der gegen alle Influenzaviren wirkt – so lange wie möglich. Aber das ist alles andere als trivial.

Welche Strategien gibt es bei der Suche nach einem solchen Impfstoff?

Prof. Guzmán: Eine grundlegende Strategie setzt beim Hämagglutinin an, einem Protein auf der Virusoberfläche. Die gängigen Influenza-Impfstoffe stimulieren die Produktion von neutralisierenden Antikörpern, die einen bestimmten Teil des Hämagglutinins angreifen, nämlich den Kopf. Dieser Kopfbereich aber kann sich von Jahr zu Jahr verändern. Das Hämagglutinin hat aber daneben auch noch eine Art Stiel, der nicht diesen Veränderungen unterliegt und bei allen Grippeviren ähnlich aussieht. Eine Forschergruppe um Antonietta Impagliazzo arbeitet in Kooperation mit der Firma Janssen nun daran, ein modifiziertes Hämagglutinin zu entwickeln, das die Produktion von Antikörpern stimuliert, die gegen diesen konservierten Teil gerichtet sind. Das könnte die Basis für einen universellen Grippe-Impfstoff sein – oder zumindest für einen vielfältiger wirksamen.

Welche weiteren Forschungsansätze gibt es?

Prof. Guzmán: Interessant finde ich auch einen Ansatz von Forschern der Universität Georgia. Sie arbeiten mit Algorithmen, die bei der Vorhersage helfen, wie ein synthetisch hergestelltes Hämagglutinin als potenzieller Impfstoff gegen möglichst viele Viren aussehen könnte.

Aber wie stellt man einen solchen universal wirksamen Impfstoff her?

Prof. Guzmán: Grundlage sind die Strukturen von Hämagglutinin aus den bisher isolierten Influenzaviren. Aus diesen wird am Ende ein Impfstoff, der chimärische synthetische Hämagglutinin-Varianten enthält und somit verschiedene Subtypen angreift, die mit Hilfe der Algorithmen vorhergesagt wurden. Mit diesem Ansatz lässt sich ein breiter wirksamer Impfstoff entwickeln – und auch einer, der gegen pandemische Influenza wirkt. Diese Forschungsarbeit, an der auch Sanofi-Pasteur beteiligt ist, trägt den Namen COBRA – für computationally optimized broadly reactive antigen.

Andere Impfstrategien beschäftigen sich nicht mit Antikörpern gegen das Hämagglutinin, sondern mit der zellulären Immunantwort.

Prof. Guzmán: Richtig. Man hat in verschiedenen experimentellen Modellen herausgefunden, dass auch so genannte Killerzellen vor Influenzaviren schützen können. Bestimmte Komponenten, wie etwa das Nukleoprotein, könnten dabei helfen, eine zelluläre Immunantwort hervorzurufen, die einen Kreuzschutz gegen verschiedene Influenzaviren bietet.

Es gibt also zwei Hauptstrategien: Neutralisierende Antikörper gegen das Hämagglutinin im Bereich Kopf und Stiel sowie zelluläre Immunantworten.

Prof. Guzmán: Daneben gibt es noch wissenschaftliche Arbeitsgruppen, die eine gemischte Strategie verfolgen – hier wird eine zelluläre Immunantwort kombiniert mit Antikörpern, die verschiedene Influenzaviren neutralisieren.

Das klingt doch alles sehr vielversprechend. Also stehen uns vielleicht doch bald revolutionäre Veränderungen bei der Grippe-Impfung bevor?

Prof. Guzmán: Für eine Zulassung durch die Regulierungsbehörden muss der neue Impfstoff besser – oder mindestens genauso gut – sein wie ein konventioneller Impfstoff. Es gibt vielversprechende Ansätze, deren Wirksamkeit im Tiermodell schon belegt wurde. Diesen Nachweis auch beim Menschen zu erbringen ist jedoch sehr aufwändig und teuer.

Wie lange wird es nach Ihre Einschätzung noch dauern, bis ein vielfältiger und mehrjährig wirksamer Grippe-Impfstoff auf den Markt kommen könnte?

Prof. Guzmán: Ich denke, frühestens in zehn Jahren – wenn alles klappt. Aber um ehrlich zu sein: Ich halte einen universellen Influenza-Impfstoff, der gegen alle Serotypen von Influenzaviren wirkt, für schwer realisierbar. Wesentlich realistischer ist dagegen das Szenario für einen Pandemie-Impfstoff.

Inwiefern?

Prof. Guzmán: Die genannten Strategien könnten dazu dienen, im Vorfeld „stocks“, also Vorräte von Impfstoffen gegen verschiedene Pandemiestämme anzulegen. Außerdem dauert es bisher sechs bis acht Monate, bis nach der jährlichen WHO-Empfehlung der nächste saisonale Grippe-Impfstoff auf den Markt kommt. Mittlerweile arbeiten Forscherteams daran, einen solchen Impfstoff in kürzester Zeit vorzubereiten. Diese Forschungen befinden sich jedoch noch in der experimentellen Phase. Aber es könnte sein, dass schon bald von der Information über die Virusstämme bis zur Herstellung eines Impfstoff-Kandidaten nur noch einige Wochen vergehen. Dazu werden ganz neue RNA-Technologien eingesetzt. Besonders interessant ist das im Hinblick auf eine Pandemie. Wenn schon wenige Wochen nach dem Ausbruch einer Grippe-Pandemie ein Impfstoff-Kandidat für die Produktion verfügbar wäre, ließe sich das Infektionsrisiko für die Bevölkerung minimieren.

Zur Person:

Prof. Dr. Carlos Alberto Guzmán ist Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Er arbeitet seit 1989 auf dem Gebiet der Vakzinologie und war wesentlich an der Entwicklung neuer Adjuvantien beteiligt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Suche nach Transportsystemen für DNA-Impfungen und therapeutische Moleküle. Neben seiner Forschungsarbeit ist er auch als APL-Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig. 

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