Die Idee hinter der bedingten Zulassung, die nur unter strengen Auflagen erteilt wird: Patienten, die an schweren Erkrankungen leiden und für die es keine geeignete Behandlung gibt, sollen möglichst früh Zugang zu neuen Arzneimitteln bekommen. Das ist an Auflagen geknüpft: „Der Zulassungsinhaber muss beispielsweise bestimmte Studien einleiten oder abschließen, um nachzuweisen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist, und um offene Fragen zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels zu beantworten“, heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Es ist eine Zulassung ohne Vorlage von abschließenden klinischen Daten über die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln – und damit auf Grundlage von weniger Daten als bei einer regulären Zulassung.
Schneller Zugang zu neuen Therapien
Aus Sicht der EMA funktioniert das Instrument (siehe Grafik): Von den 30 Präparaten, denen seit 2006 eine bedingte Zulassung anerkannt wurde, musste kein einziges wieder vom Markt genommen werden. Stattdessen sprach die EMA elf von ihnen eine reguläre Zulassung zu – nach durchschnittlich vier Jahren. Nur bei zwei Präparaten war dies nicht möglich: sie waren aus kommerziellen Gründen wieder vom Markt genommen worden. Für die betroffenen Patienten hatte die bedingte Zulassung zur Folge, dass sie durchschnittlich vier Jahre früher Zugang zu den neuen Therapien hatten.
Die restlichen 17 Präparate befinden sich aktuell noch in der bedingten Marktzulassung – keines von ihnen länger als 5 Jahre. Darunter sind Medikamente gegen HIV-Infektion, Brustkrebs, schwere Epilepsie bei Kindern oder gegen multi-resistente Tuberkulose. Unter den Indikationsgebieten dominiert die Krebstherapie: Insgesamt 17 Präparate waren den betroffenen Patienten schneller als sonst üblich verfügbar. Knapp die Hälfte der Arzneimittel (14 von 30) sind zur Behandlung seltener Erkrankungen zugelassen – es sind so genannte Orphan Drugs für Patienten, für die es sonst keine oder kaum Behandlungsmöglichkeiten gibt. „Die bedingte Marktzulassung ist eines der Instrumente, die die Zulassungsbehörden zur Hand haben, um die Entwicklung und schnelle Verfügbarkeit von Medikamenten voranzutreiben und so den bisher ungedeckten medizinischen Bedarf von Patienten in der EU zu adressieren“, so die EMA. „Über einen Zeitraum von zehn Jahren musste kein Arzneimittel mit einer bedingten Zulassung widerrufen oder ausgesetzt werden.“
Zulassung auf der Überholspur
Die „Conditional Marketing Authorisation“ (CMA) ist im Grunde eine „Zulassung auf der Überholspur“. Sie ermöglicht, dass Patienten lebensnotwendige Medikamente erhalten, noch bevor alle erforderlichen Studiendaten für eine reguläre Marktzulassung vorliegen. Als Regel gilt: Der Nutzen, der durch die unmittelbare Zugänglichkeit geschaffen wird, muss größer sein als das Risiko, das unzureichende Studiendaten mit sich bringen. Ist dies erfüllt, bekommt das Präparat eine Zulassung, die zunächst auf ein Jahr begrenzt ist, aber weiter verlängert werden kann. Als Teil der Antragsanforderungen müssen die herstellenden Pharma-Unternehmen weitere Studien und Daten nachreichen, die der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) mindestens einmal jährlich prüft. Fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung weiterhin positiv aus, wird die bedingte Marktzulassung erneuert oder in eine reguläre Marktzulassung umgewandelt. Die Medikamente unterliegen damit einer besonders engmaschigen Kontrolle.
Aus Sicht der EMA funktioniert die Zusammenarbeit mit den pharmazeutischen Unternehmen gut: Die Analyse zeige, dass „die Zulassungsinhaber ihre Verpflichtungen gegenüber der Behörde erfüllen“. Bei über 90 Prozent der Fälle reichte der Umfang der auferlegten Studien aus, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. 70 Prozent der Anforderungen wurden innerhalb des vorher festgelegten Zeitfensters erbracht.
Über die Jahre hat die EMA ein stetig wachsendes Interesse der Industrie an der bedingten Zulassung registriert. Sie bleibt aber trotzdem streng. Den 30 erteilten Zulassungen stehen im gleichen Zeitraum 22 Verfahren gegenüber in denen die Überholspur verweigert wurde: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis war aus Sicht der Zulassungsbehörde negativ.
Link: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Report/2017/01/WC500219991.pdf