Neue Antibiotika werden dringend gebraucht. Das britische Gesundheitssystem testet deshalb ein neues Bezahlmodell  um die Entwicklung von Antiinfektiva zu beschleunigen. Foto: ©iStock.com/microgen
Neue Antibiotika werden dringend gebraucht. Das britische Gesundheitssystem testet deshalb ein neues Bezahlmodell um die Entwicklung von Antiinfektiva zu beschleunigen. Foto: ©iStock.com/microgen

Die “Vier-Hebel-Strategie” des BMG beginnt zu greifen

Dass die WHO vor wenigen Tagen erstmals einen Katalog der „zwölf gefährlichsten Antibiotika der Welt“ veröffentlicht hat, war kein Zufall: Die Liste ist der erste Umsetzungsschritt der „Vier-Hebel-Strategie“, die das Bundesgesundheitsministerium im Vorfeld des G20-Gipfels im Mai 2017 erarbeitet hat.

„Krankheiten und resistente Erreger kennen keine Grenzen – sie müssen global bekämpft werden.“ Mit diesen Worten hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die nächste Phase des Kampfes gegen die weltweite Antibiotika-Resistenz eingeleitet, die er schon vor drei Jahren zum Schwerpunkt der internationalen Arbeit seines Ministeriums erklärt hatte.

Dass das BMG es nicht bei unverbindlichen Erklärungen belassen will, sondern gemeinsam mit Partnern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in aller Welt konkrete Schritte einleiten will, um diesen Kampf auch zu gewinnen, wurde am 17. Februar deutlich: Den neuen Report „Breaking through the Wall – A Call for Concerted Action on Antibiotics Research and Development“, der an diesem Tag veröffentlicht wurde, hatte die Boston Consulting Group im Auftrag des deutschen Ministeriums erstellt.

Aus dem Fachgutachten ist klar zu ersehen: Hier beschreibt die Regierung eines Landes, das derzeit den Vorsitz der G20-Gruppe innehat, nicht nur Probleme, die man weltweit schon lange kennt. Sie sendet auch konkrete Handlungsempfehlungen an die internationale Gemeinschaft, die sie in klar umrissenen Schritten ganz real umsetzen will.

Vier Hebel gegen die F&E-Flaute bei Antibiotika

Vier Handlungs-Hebel sind in dem BMG-Bericht festgelegt, mit denen die Antibiotika-Wertschöpfungskette weltweit umgekrempelt werden soll:

  • Hebel 1 fordert die Definition von Profilen für Zielprodukte (target product profiles), auf die sich die Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft bei der Entwicklung und Marktverbreitung neuer, resistenzbrechender Arzneimittel konzentrieren sollen.
  • Hebel 2 fordert die Gründung eines Globalen Forschungsfonds (Global Research Fund), der den Aufbau einer weltweiten Infrastruktur für die akademische Forschung an neuen, resistenz-brechenden Antibiotika grundfinanzieren soll – mit jährlich 200 Millionen US-Dollar für die nächsten zehn Jahre.
  • Hebel 3 plant einen Globalen Entwicklungsfond ( Global Development Fund), der parallel zur akademischen Forschung die Entwicklung klinischer Studien für die neuen, dringend benötigten Arzneimittel unterstützen soll – mit derselben Summe pro Jahr für denselben Zeitraum.
  • Hebel 4 beschreibt das interessanteste neue Instrument: Ein Global Launch Reward soll die – bekanntermaßen hoch risikoreiche – Vermarktung eines neu entwickelten Vorrang-Antibiotikums mit der attraktiven „Marktstart-Prämie“ von einer Milliarde US-Dollar belohnen. Geplant ist die Förderung als risiko-absicherndes Darlehen, das bei Beginn der Phase-II-Studien zu greifen beginnt und von dem geförderten Unternehmen nur im Falle eines genau beschriebenen Markterfolgs zurückgezahlt werden muss.  

Gleich nach Erscheinen hat der vfa als Wirtschaftsverband der forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland den neuen Entschließungsantrag des BMG ausdrücklich begrüßt: „Der Mix an Fördermaßnahmen, die an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette ansetzen, erscheint geeignet, eine nachhaltige Pipeline auf den Weg zu bringen.“ Der vfa bezieht sich damit auf einen alarmierenden Appell von Margaret Chan, der Generaldirektorin der WHO, aus dem Jahr 2015: „Die internationale Forschungs-Pipeline für neue Antibiotika ist ziemlich leer gefegt.“

Deutsche MedizinerInnen prägen die WHO-Liste

Mit der Veröffentlichung der neuen „Zwölfer-Liste“ hat die WHO nun prompt auf den Vorstoß des BMG reagiert: In drei Prioritätsstufen hat sie die zwölf Bakterienstämme benannt, die sie für die „derzeit größte Bedrohnung der menschlichen Gesundheit weltweit“ hält – und für die damit die höchste Forschungs-Notwendigkeit propagiert wird. In die Stufe Eins („kritische Priorität“) wurden die drei Pathogene Acinetobacter Baumannii, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacteriaceae eingruppiert. Die Stufe Zwei („hohe Priorität“) enthält sechs, die Stufe Drei („mittlere Priorität“) weitere drei Bakterienstämme.
Professorin EvelinaTacconelli, Medizinische Leiterin der Abteilung Infektionskrankheiten an der Universität Tübingen, hat mit ihrem Team entscheidend zur Erstellung der neuen WHO-Liste beigetragen.  Sie sagt: „Neue Antibiotika, die auf die Bekämfung der Pathogene auf unserer Liste abzielen, werden dabei helfen, die Todesrate bei Resistenz-Infektionen zu verringern. Im Interesse der öffentlichen Gesundheit auf der ganzen Welt dürfen wir nicht länger warten.“

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