Die Summe der Zwangsrabatte auf Arzneimittel hat einen neuen Höchststand erreicht.
Die Summe der Zwangsrabatte auf Arzneimittel hat einen neuen Höchststand erreicht.

Ausgaben für Arzneimittel wachsen moderat

Ein „verhaltenes Umsatzwachstum“ von vier Prozent im deutschen Apothekenmarkt vermeldet der Datenanalyst QuintilesIMS für das Jahr 2016. Der Zuwachs resultiert vor allem aus innovativen Produkten, die sich zunehmend in der Versorgung etablieren.

Es sind vor allem drei Arzneigruppen, die für gut die Hälfte des insgesamt moderaten Umsatzwachstums verantwortlich waren: Da sind einmal Medikamente zur Blutgerinnung. Hier vollzieht sich gerade ein Therapiewandel weg vom jahrzehntealten Marcumar hin zu so genannten Faktor Xa-Hemmern, die als wesentlich verträglicher und sicherer gelten. Diese Medikamente werden unter anderem zur Schlaganfall-Vermeidung eingesetzt.

Außerdem setzen sich in der Versorgung immer mehr Wirkstoffe der modernen Krebstherapie durch, wie die antineoplastischen, also das Tumorwachstum hemmende, monoklonale Antikörper bzw. Proteinkinase-Hemmer. Ein weiteres Viertel des Ausgabenwachstums lässt sich auf Medikamente zurückführen, die Patienten mit schweren entzündlichen Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis) helfen. „Vor allem Therapeutika zur Bekämpfung von Krebs- und Autoimmunkrankheiten werden das erwartete Umsatzwachstum des Pharmamarktes im mittleren einstelligen Bereich befördern“, kommentiert Susanne van der Beck von QuintilesIMS die eigenen Analysen.

Starker Rückgang bei Hepatitis C

Das große Streitthema der vergangenen drei Jahre – die neuen, direkt wirkenden Hepatitis-C-Medikamente – ist längst keines mehr. Nach Umsatz gingen die Ausgaben um 38 Prozent zurück. Das dürfte laut QuintilesIMS daran liegen, dass durch die Vielzahl der alternativ verfügbaren Kombinationspräparate ein Verdrängungs- und Preiswettbewerb stattfindet und viele dieser Präparate Rabattverträgen unterliegen. Nach Menge der Verordnungen gingen die neuen Hepatitis-C-Medikamente um ein Viertel zurück. Das ist Folge einer Therapie, die in acht bis zwölf Wochen eine vollständige Heilung dieser bisher nur sehr schwer zu behandelnden Leberkrankheit möglich macht.

Ein moderates Umsatzwachstum bei Arzneimitteln also: Insgesamt sind das Zahlen, die auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG)  bestätigt. Das kommt in seiner Jahresanalyse auf einen Ausgabenzuwachs für Arzneimittel von 3,1 Prozent je Versicherten – oder 4,1 Prozent absolut. Besonders deutlich gestiegen sind mit 5,5 Prozent (absolut) die Netto-Verwaltungskosten der Gesetzlichen Krankenkassen. Das liegt offenbar auch daran, dass einige von ihnen „bei einer positiven Finanzentwicklung vor allem im 4. Quartal deutlich stärkere Zuführungen zu den Rückstellungen für die zukünftige Altersversorgung ihrer Beschäftigten vorgenommen hat“, wie das BMG schreibt.

Auch vor dem Hintergrund der Finanzreserven von GKV und Gesundheitsfonds in Höhe von 25 Milliarden Euro erklärte Gesundheitsminister Hermann Gröhe: „Das zeigt: Die Panikmache, mit der Versicherte verunsichert wurden, hat sich als falsch erwiesen.“ Angesichts des niedrigsten Zuwachses für Arzneimittelausgaben seit zwei Jahren und dem niedrigsten Ausgabenanstieg seit 2012 fordert Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI): „Diese Finanzentwicklung lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Zwangsmaßnahmen wie das Preismoratorium gegen die pharmazeutische Industrie gehören abgeschafft.“ Doch genau dieses Moratorium soll im neuen Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) bis 2022 verlängert werden.

 

Rekordverdächtig: 6,5 Milliarden Euro an Einsparungen

Währenddessen sind die verschiedenen Preisnachlässe der pharmazeutischen Unternehmen nach Angaben von QuintilesIMS in 2016 auf einen Rekordstand von insgesamt 6,5 Milliarden Euro angestiegen (s. Grafik). Allein durch die Erstattungspreise, die die Kassen im Zuge des AMNOG aushandeln, ergaben sich 2016 Einsparungen in Höhe von 1,15 Milliarden Euro. In dieser Zahl sind die Einsparungen durch Arzneimittel, die aufgrund von gescheiterten Verhandlungen zwischen Pharmaunternehmen und dem Spitzenverband der Krankenkassen in Deutschland gar nicht erst oder nicht mehr verfügbar sind, noch nicht enthalten. Hinzu kommen Zwangsrabatt und Preismoratorium (insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro) und rund 3,7 Milliarden Euro durch Rabattverträge.

Eine Betrachtung über lange Zeiträume hinweg zeigt, dass die Ausgaben für Arzneimittel weniger stark steigen als die Gesamtausgaben der GKV:

  • Seit 2011, also seit Einführung des AMNOG, stiegen die Arzneimittelausgaben um 20,3, die Gesamtausgaben der GKV aber um 25,4 Prozent. 
  • Zwischen 2006 und 2016 nahmen die Arzneimittelausgaben um 51,6 Prozent, die Gesamtausgaben aber um 57,8 Prozent zu.
  • Auch über einen Zeitraum von 46 Jahren sind die Veränderungen kaum spürbar. 1970 – damals war Willy Brandt gerade Bundeskanzler geworden – betrug der Anteil der Arzneimittel an den GKV-Gesamtausgaben 17,7 Prozent. Im Jahr 2016 waren es 17,0 Prozent.

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: