Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)
Bei Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt werden. Wird eines Tages eine Heilung möglich sein? / Foto: ©iStock.com/spukkato (Siam Pukkato)

Impfungen wirken – wenn man geimpft ist

Vom 24. bis 30. April 2017 findet die Europäische Impfwoche (EIW) statt. Diesjähriges Motto: „Impfungen wirken“. Das ist schön und gut – bringt aber nichts, wenn man nicht (ausreichend) geimpft ist. Und in Deutschland sind die Impflücken weiterhin sehr groß.

„Eine Europäische Region ohne impfpräventable Krankheiten, in der alle Länder ihren Bürgern während des gesamten Lebensverlaufs einen chancengleichen Zugang zu hochwertigen, sicheren und bezahlbaren Impfstoffen und Impfmaßnahmen gewähren” – das ist die Vision des Europäischen Impfaktionsplans 2015-2020. Um das zu erreichen, möchte das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mithilfe der EIW das Bewusstsein für die Bedeutung von Impfungen in der gesamten Europäischen Region stärken. Das ist ganz besonders in Deutschland wichtig: Denn während die Impfquoten im Schuleingangsalter hierzulande noch ein positives Bild vermitteln, weisen alle anderen Altersgruppen teilweise erhebliche Defizite auf. Dies ist das Fazit im Epidemiologischen Bulletin 01/2017 des Robert Koch-Instituts (RKI).

Dabei zeigen Fälle wie der massive Keuchhusten-Ausbruch in Kiel Ende 2015, wie wichtig altersgerechte Impfungen sind. In einer Kohortenstudie erwies sich, dass kein außergewöhnliches Impfversagen die Ursache für die vermehrten Krankheitsfälle war. Stattdessen waren die Impfquoten der Kinder von den drei am stärksten betroffenen Gemeinschaftseinrichtungen (78 % bei den bis 6-Jährigen und 93 % bei den ab 7-Jährigen) niedriger als bei Schulanfängern in ganz Schleswig-Holstein (95 %). Nur die Minderheit der ab 12-Jährigen besaß die zweite Auffrischimpfung. 94 Krankheitsfälle wurden in Kiel zu jener Zeit gemeldet. Die Mehrheit von ihnen hätte laut RKI vermieden werden können – wären die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) befolgt worden.

 

Deutschland verpasst wichtige Impfziele

Trotz dieser erwiesenen Gefahr rennt Deutschland seinen Impfzielen weiter hinterher. Bekanntestes Beispiel: die Masern-Impfung. Bis 2020 möchte die WHO die Krankheit eliminiert wissen. Eine stabile Impfquote von mindestens 95 Prozent bei der zweiten Dosis ist dafür notwendig. Deutschland erreicht bundesweit jedoch bislang nur 86,1 Prozent bei den 36 Monate alten Kindern und auch keines seiner Bundesländer kommt ansatzweise an die Ziel-Rate heran. Bis zum ersten März wurden bundesweit für 2017 bereits 203 Masernfälle bestätigt. Zum Vergleich: 2016 waren es im gesamten Jahr 326. Masern-Elimination sieht anders aus.

Noch drastischer sind jedoch die Impflücken unter der älteren Bevölkerung. So empfiehlt die STIKO die Influenza-Impfung u.a. allen Personen ab 60 Jahren. 2015/2016 waren jedoch nur 35,3 Prozent der Senioren geimpft – und der Trend ist rückläufig. 629 Todesfälle mit Influenzainfektion meldete das RKI für die aktuelle Grippewelle, davon betreffen 94 Prozent ab 60-Jährige. Mit Impfungen könnten viele Todesfälle vermieden werden. Die Europäische Union hatte sich daher bis 2015 zum Ziel gesetzt, in allen Mitgliedstaaten eine Impfquote von mindestens 75 Prozent unter der älteren Bevölkerung zu erreichen. Doch Deutschland entfernt sich von diesem Ziel immer mehr. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Pneumokokken-Impfung ab: 1.755 invasive Pneumokokkenfälle wurden dem RKI 2015 gemeldet – 1.239 davon betrafen die über 59-Jährigen. In einer Analyse der GKV-Versicherten im Alter von 60 bis 64 Jahren kristallisierte sich eine Impfquote von gerade einmal 10,2 Prozent heraus.

Steigendes Alter, sinkende Impfquoten

In Deutschland gilt offenbar die Regel: Je älter die Menschen sind, desto weniger scheren sie sich um ihren Impfschutz, desto weniger nehmen sie Auffrischimpfungen in Anspruch. Laut einer RKI-Auswertung der Erwachsenenbevölkerung (2008-2011) hatten 96 Prozent der Untersuchten mindestens eine Impfdosis gegen Tetanus erhalten. Doch bei 28,6 Prozent der 18- bis 79-Jährigen wurde keine Impfung innerhalb der letzten zehn Jahre vorgenommen, wie die STIKO es für die Auffrischung eigentlich empfiehlt. Tatsächlich besaßen also nur 71,4 Prozent der Untersuchten einen ausreichenden Schutz gegen Tetanus. Bei der Diphtherie sieht das Bild ähnlich aus.

„Viele Jugendliche, Erwachsene und Personen mit besonderem Risiko sind sich nicht ausreichend im Klaren über Krankheiten, die ihre Gesundheit gefährden, und über die Impfungen, die sie zur Gewährleistung eines anhaltenden Schutzes benötigen“, erklärte die WHO in einer Pressemitteilung. Mit der EIW will die Organisation alle Mitgliedstaaten dazu aufrufen, „für die Bedeutung von Impfungen in jeder Lebensphase zu sensibilisieren.“

Impfungen gehören zu den großen Errungenschaften der modernen Medizin. Sie haben vielen Infektionskrankheiten ihren Schrecken genommen. Wenn sie allerdings in den Kühlschränken von Apothekern und Ärzten liegen bleiben, helfen sie niemandem.

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