Die Mehrheit der Hepatitis B und C-Erkrankungen bleiben unerkannt und unbehandelt.
Die Mehrheit der Hepatitis B und C-Erkrankungen bleiben unerkannt und unbehandelt.

Weltgesundheitsorganisation fordert eine “dringende Antwort” auf Hepatitis B und C

325 Millionen Menschen – so viele leiden nach Schätzungen weltweit an einer Hepatitis B- (HBV) oder einer Hepatitis C-Infektion (HCV). Doch bei der großen Mehrheit von ihnen bleibt die Erkrankung unerkannt und unbehandelt. Das geht aus dem aktuellen Global Hepatitis Report der Weltgesundheitsorganisation hervor. Bis 2030 will die WHO die beiden gefährlichsten Hepatitis-Typen eliminieren. Dafür fehlt bislang der politische Wille – auch in Deutschland.

Mehr als 1,3 Millionen Menschen starben 2015 an einer Hepatitis-Infektion. Das sind mehr Todesfälle als bei HIV oder Malaria. Der Grund: Die Mehrheit der Erkrankten weiß nichts von ihrer Infektion, nur eine Minderheit geht in Behandlung. So lag die Diagnosequote für HBV bei gerade einmal 9, für HCV bei 20 Prozent. Nicht einmal ein Zehntel dieser Minderheiten erhielt jeweils eine Behandlung (siehe Grafik).

 

 

Das ist mehr als nur verschenktes Potenzial – bedenkt man, dass Hepatitis B gut therapierbar und Hepatitis C seit 2014 sogar innerhalb von drei Monaten heilbar ist. Vor diesem Hintergrund hat es sich die WHO zum Ziel gesetzt, diese beiden Hepatitis-Typen (von insgesamt fünf) bis 2030 zu eliminieren. Denn zusammen sind sie für 96 Prozent aller Hepatitis-Todesfälle verantwortlich. Allerdings: Um dieses Ziel zu erreichen, müssten sich die Diagnose- und Behandlungsquoten unter den Infizierten zum Teil mehr als verzehnfachen (siehe Grafik).

WHO-Eliminationsstrategie – ungehört verhallt?

Um die Fortschritte beim Kampf gegen die Krankheit messen zu können, hat die WHO in ihrem Bericht nun erstmals Zahlen der Erkrankten in den einzelnen Regionen veröffentlicht. Demnach ist nach der Region Östliches Mittelmeer die WHO-Region Europa von Hepatitis C am stärksten betroffen.

Doch die WHO kann nur mahnen – umsetzen müssen die Maßnahmen die nationalen Regierungen. Die sind bislang aber noch weithin untätig geblieben: „Global gesehen haben bis dato nur wenige Länder konkrete Eliminationsstrategien vorgelegt. Das liegt zum einem daran, dass sich Regierungen nicht so gerne auf das Wort ‚Elimination’ festlegen und zum anderen, dass viele Regierungen Zweifel haben, ob die Vorgaben der WHO einzuhalten sind“, bedauert Achim Kautz, Geschäftsführer der gemeinnützigen Leberhilfe Projekt UG.

Ein Beispiel: die Schweiz. Laut einer neuen Studie sterben hier pro Jahr mindestens fünfmal so viele Menschen an Hepatitis C wie an Aids. Trotzdem verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) „aktuell auf die Erarbeitung einer eigenen Strategie“: Neuansteckungsrate und Anteil der Infizierten seien relativ gering, die Datenlage bei den neuen Medikamenten noch zu lückenhaft.

„Wir brauchen klare öffentliche Statements“

Im Gegensatz zu seinem Nachbarland hat Deutschland immerhin schon eine eigene „Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen“, genannt „BIS 2030“. Doch auch hier wird der Begriff „Elimination“ vermieden: Von „Eindämmung“ ist die Rede.

„Die ‚BIS 2030′ schafft den Rahmen, dass alle Empfehlungen der WHO zur Elimination erreicht werden könnten“, erklärt Kautz. In seinen Augen ist sie eine „sehr gute Vorhabensbeschreibung, die im Kern alle strategischen Ansätze“ nennt. Das nützt jedoch nichts, wenn es an der Umsetzung scheitert: Ein Problem in Deutschland sieht Kautz in der begrenzten Kompetenz der Bundesregierung durch das föderale Gesundheitssystem: „Die Einflussmöglichkeiten auf Länder, den G-BA, Krankenkassen und andere wichtige Institutionen sind eingeschränkt.“ Daher fordert er klare öffentliche Statements, um alle Stakeholder im Eliminationsprozess zu aktivieren. „Aus Patientensicht würden wir uns wünschen, dass Herr Gröhe seinen ‚Eliminationswillen’ aktiv und öffentlich bekundet.“

„Hepatitis ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die Gesellschaft muss erkennen, dass wir jetzt die Chance der Eliminierung haben, wenn alle eng und komplementär zusammenarbeiten“, so Achim Kautz. Klare Handlungs- und Umsetzungsaufforderungen seien dafür die Mindestvoraussetzung.

Langsam verstehen das immer mehr Regierungen und entwickeln nationale Strategien: „Einige davon tatsächlich mit dem Ziel der Elimination.“ Ägypten, Australien, Georgien oder Island machen es vor: An ihnen könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen – und selbst einen klaren politischen Willen definieren. Ansonsten werden weitere Todesfälle folgen, obwohl es wirksame Medikamente zur Behandlung von Hepatitis B und C gibt – und für den B-Typus sogar einen Impfstoff, der einer Infektion vorbeugen kann.

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