Fortschritte im Kampf gegen TropenkrankheitenFoto: © iStock.com/Avatar_023
Fortschritte im Kampf gegen TropenkrankheitenFoto: © iStock.com/Avatar_023

Kostenlose Behandlung für fast eine Milliarde Menschen

Der Kampf gegen die vernachlässigten Tropenkrankheiten „wird nun gewonnen“. Das schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Bericht „Ten Years in Public Health 2007 – 2017“. Damit zieht ihre Generaldirektorin Margaret Chan eine erste Bilanz ihrer Amtszeit. Mittlerweile haben weltweit fast eine Milliarde Menschen Zugang zu kostenlosen Arzneimitteln gegen Tropenkrankheiten.

Die WHO setzt auf Optimismus: WHO-Direktorin Chan spricht im Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt von einem „überwältigenden Erfolg“. „Gesundheit und Lebenserwartung sind fast überall gestiegen. Millionen von Menschenleben konnten gerettet werden. Die Zahl der Menschen, die als Folge von Malaria oder HIV gestorben sind, wurde halbiert.“ Im Kampf gegen Tuberkulose seien seit Beginn des Jahrhunderts 49 Millionen Menschenleben gerettet worden. Große Erfolge sieht Chan auch bei der Reduktion der Kindersterblichkeit: „Jeden Tag sterben 19.000 weniger Kinder.“

Diese Fortschritte haben auch damit zu tun, dass die so genannten Neglected Tropical Diseases (NTDs) gar nicht mehr so vernachlässigt sind. Die Situation habe sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verbessert: Der Kampf gegen Tropenkrankheiten sei eine Initiative für die Armen „in großem Stil“ und ein „Frontalangriff auf eine der Hauptursachen von Armut“, so die WHO.

Tropenkrankheiten gibt es, seitdem Menschen die Erde bevölkern. Anders als der Dachbegriff suggerieren könnte, sind sie medizinisch äußerst unterschiedlich. Aber sie haben eines gemeinsam: Für die betroffenen Menschen und für die Gemeinden, in denen diese leben, sind sie eine Katastrophe. Sie lassen erblinden, sie verstümmeln, entstellen, sie stigmatisieren und führen zu schweren Behinderungen. Wo sie grassieren, ist bittere Armut nie weit: Ihren Nährboden finden sie dort, wo wirtschaftliche Entwicklung ein Fremdwort ist, wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, chronisch Hunger herrscht und nur Insekten ein Paradies vorfinden. Tropische Armutserkrankungen heißen Lymphatische Filariose, Onchozerkose, Schistosomiasis oder Trachom. In unseren Breitengraden dürften die wenigsten Menschen ihre Namen schon mal gehört haben. Weiter südlich sind hunderte Millionen von Menschen von ihnen betroffen.

WHO spricht von „überwältigendem Erfolg“

Es gibt einen Wendepunkt im Kampf gegen diese Krankheiten. Es war im Jahr 2012 als sich die WHO, Regierende aus Empfänger- und Geberländern, Bill Gates und die Chefs führender Pharmaunternehmen auf die „London Declaration“ verständigten – ein ehrgeiziges Dokument mit dem Ziel, die Eliminierung oder Eindämmung von zehn tropischen, armutsassoziierten Erkrankungen zu erreichen: Lymphatische Filariose, Lepra, afrikanische Schlafkrankheit, Trachom, Bilharziose, bodenübertragene Wurmkrankheiten, Chagas, viszerale Leishmaniose, Flussblindheit und Medina-Wurm-Befall.

Eine der größten Public-Health-Initiativen

Mit der Londoner Erklärung wurde gebündelt, was auch schon vorher im großen Stil im Gang war, denn große Gesundheitsprogramme wie die Eliminierung von Lymphatischer Filariose oder Flussblindheit laufen schon seit vielen Jahren. Doch was nun entstanden ist, ist „eine der größten Public-Health-Initiativen, die man je gesehen hat“, so die WHO. Im Jahr 2015 spendeten Pharmaunternehmen rund 2,4 Milliarden Tabletten für rund 1,5 Milliarden Behandlungen. Die Zahl der Menschen, die auf eine Behandlung verzichten konnten, stieg zwischen 2012 und 2014 auf eine viertel Million, weil die Kriterien für die Eliminierung erreicht worden waren. Die meisten Behandlungen gehen auf das Konto der Lymphatischen Filariose (LF). Eine Kombination aus den Medikamenten Albendazole und Diethylcarbamazin, gegeben einmal jährlich über einen Zeitraum von rund sechs Jahren, zielt darauf ab, die Übertragung zu stoppen. Dafür stellen die Unternehmen viele hundert Millionen Tabletten pro Jahr zu Verfügung. Für viele der Initiativen zur Bekämpfung der Tropenkrankheiten gilt: Gespendet wird, so lange die Krankheit existiert.

Überhaupt scheint die Eliminierung der LF laut WHO nur noch eine Frage der Zeit zu sein. 97 Millionen Erkrankungen sind seit Implementierung des Programms im Jahr 2000 vermieden worden – was wirtschaftliche Einbußen von rund 100 Milliarden Dollar verhinderte, rechnet sie vor. Insgesamt wurden 6,2 Milliarden Behandlungen verteilt und damit 820 Millionen Menschen erreicht. Zehn Länder hat die WHO für LF-frei erklärt und weitere 12 haben die Medikamentenverteilung gestoppt; sie sind in der Überwachungsphase.

18 Millionen Kinder vom Risiko der Flussblindheit befreit

Stellenweise wird die WHO in ihrem Bericht geradezu euphorisch: „Der Fortschritt ist spektakulär.“ So sei die Versorgung mit Praziquantel zur Behandlung der Schistosomiasis nun ausreichend, um jede Schule in Sub-Sahara-Afrika zu erreichen. Ivermectin, ein Wurmmittel, dessen Bedeutung für die Gesundheitsversorgung 2015 durch die Verleihung des Medizin-Nobelpreises hervorgehoben wurde, „hat bereits 18 Millionen westafrikanische Kinder vom Risiko der Flussblindheit befreit und wird nun genutzt, um die Onchozerkose einzudämmen“, so die WHO. Pro Jahr belaufen sich die Produktspenden momentan auf 270 Millionen Behandlungen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

In ihrem Bericht hebt die WHO die Rolle der forschenden Pharmaunternehmen hervor. Deren Verpflichtung „große Mengen wirksamer Medikamente von hoher Qualität“ zur Verfügung zu stellen, habe die Tür geöffnet für Massenbehandlungen (Mass Drug Administration) mit dem Ziel, das Reservoir von Parasiten und Krankheitserregern zu reduzieren. „Ich bin stolz, Zeuge dieses beeindruckenden Geistes der Zusammenarbeit und globaler Solidarität zu sein“, bilanziert WHO-Direktorin Chan ihren Rückblick.

Weiterführende Links:

http://www.who.int/publications/10-year-review/en/

https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/entwicklungslaender/bekaempfung-ntd.html

http://unitingtocombatntds.org/

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