Der Zugang zu Impfungen und Arzneimitteln ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden – vor allem in ausgeprägten Krisenregionen. Foto: CC0 (Stencil)
Der Zugang zu Impfungen und Arzneimitteln ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden – vor allem in ausgeprägten Krisenregionen. Foto: CC0 (Stencil)

Große Fortschritte in der globalen Gesundheitsversorgung

In ihrem Welt-Gesundheitsbericht 2017 listet die WHO die aktuellsten Daten auf, die die Situation der Gesundheitsversorgung weltweit kennzeichnen. Klar geht daraus hervor: Zwar steht das internationale Gesundheitssystem weiter vor großen Herausforderungen. Doch gerade in vielen „Problemregionen“ ist der Gesamtstand deutlich besser als noch zur Jahrtausendwende.

56 Millionen Menschen sind gemäß der „World Health Statistics 2017“, die die Weltgesundheitsorganisation heute Mittag veröffentlicht hat, im Jahr 2016 weltweit gestorben. Von 27 Millionen dieser Todesfälle kennen die WHO-Experten auch die Todesursache – eine Rate von 48,2 Prozent. 2005 lag dieser Anteil noch bei weniger als einem Drittel. Die Datenlage über die Entwicklung der weltweiten Gesundheitssituation ist heute klarer als jemals zuvor: „Wenn die Länder nicht wissen, was die Menschen krank macht und zum Tod führt, dann ist es viel schwieriger, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen“, sagt Dr. Marie-Paule Kieny, die stellvertretende Generaldirektorin der WHO, verantwortlich für die Information im Gesundheitswesen. Gemeinsam mit Verantwortlichen in aller Welt versucht sie zu analysieren, welche Fortschritte die Weltgemeinschaft in puncto Gesundheit auf dem Weg zu den 17 definierten Nachhaltigkeitszielen der UNO macht.

Erhebliche Fortschritte bei Kindersterblichkeit, HIV und Tropenkrankheiten

Die Analyse zeigt: An vielen Stellen gibt es tatsächlich eine erhebliche Verbesserung der Gesamtsituation. Die auffälligsten Punkte sind in dem neuen WHO-Report festgehalten:

  • Die Kindersterblichkeit bei Neugeborenen lag 2015 weltweit bei 19 Todesfällen je tausend Lebendgeburten – d.h. um 37 Prozent niedriger als noch im Jahr 2000. Bei Kindern bis fünf Jahre sank die Sterberate seit 2000 noch stärker – um 44 Prozent auf derzeit 43 Todesfälle pro 1000 Lebendgeburten. Den höchsten Wert erreicht sie in Afrika mit 81 Todesfällen pro 1000 Geburten.
  • Die Anzahl der neu mit HIV Infizierten betrug 2015 weltweit 2,1 Millionen – ein Rückgang von 35 Prozent im Vergleich zu den 3,2 Millionen, die sich in 2000 neu mit dem tückischen Virus angesteckt hatten. Zum Jahresende 2015 lebten weltweit rund 36,7 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion; ihr Anteil an der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren war in Afrika am höchsten – mit 4,4 Prozent.
  • 2015 wurden weltweit 212 Millionen Malariafälle registriert. Der Befall in der Risikogruppe betrug 94 Fälle pro Tausend – ein Minus von 41 Prozent gegenüber den 2000-er Zahlen. In der WHO-Region Europa sank die Ansteckung „vor Ort“ auf Null. Am stärksten betroffen war auch hier die Region Afrika (92 Prozent aller Fälle) – und dort besonders Kinder unter fünf Jahren (70 Prozent). Rund 60 Prozent der stark gefährdeten Bevölkerung hatte Zugang zu einem Versorgungsnetzwerk; 2010 lag dieser Wert noch bei 34 Prozent. 
  • Die Anzahl der Menschen, die eine Behandlung gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTD – neglected tropical diseases) in Anspruch nehmen mussten, sank auf 1,6 Milliarden – ein Rückgang von 20 Prozent gegenüber 2010 (2 Milliarden). Die WHO-Experten führen einen Großteil dieses Schwundes auf die Tatsache zurück, dass die lymphatische Filariose sowie Trachomerkrankungen  in mehreren bislang stark betroffenen Ländern nahezu eliminiert werden konnten.
  • Mit 40 Millionen Toten waren die nicht übertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-, Krebs-, Atemwegs- und Diabetes-Erkrankungen 2015 für rund 70 Prozent der globalen Todesfälle verantwortlich. Das Risiko allerdings, an einer dieser vier Hauptursachen im Alter zwischen 30 und 70 Jahren zu sterben, ist spürbar gesunken – von 23 Prozent im Jahr 2000 auf 19 Prozent im Jahr 2015. 
  • Zehn wichtige Grund-Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung konnten seit 2000 signifikant verbessert werden. Dazu gehören die Steigerungen von Diagnose und Behandlung bei Tuberkulose-Erkrankungen (heute 49, vor 15 Jahren nur 23 Prozent) sowie die wirksame Impfung von deutlich mehr Kindern weltweit gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (jetzt 86, im Jahr 2000 nur 72 Prozent).

Südamerika beklagt die höchsten Mord-, Europa die höchsten Selbstmordraten

Doch der Bericht enthält nicht nur Erbauliches. Die WHO-Statistiker haben auch eine Reihe bedenklicher, ja besorgniserregender Entdeckungen gemacht, die den „Sustainable Development Goals“ (SDG) der UNO entgegenstehen: 

  • Die Sterberate junger Mütter lag 2015 weltweit bei 216 Todesfällen je 100.000 Lebendgeburten. Vom Ziel, die Rate bis 2030 auf Null zu senken, ist man also noch weit entfernt. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der jährliche Rückgang der Müttersterblichkeit erheblich beschleunigt werden – auf das Dreifache des Durchschnittswerts, der zwischen 1990 und 2015 erzielt wurde. 
  • Die Gesamtzahl der Todesfälle durch nicht übertragbare „Zivilisationskrankheiten“ wird weiter ansteigen – schon aufgrund der weltweiten Bevölkerungszunahme und der Alterung vieler großer nationaler Gesellschaften.
  • Einen gewichtigen Anteil an dieser Entwicklung hat das Verhalten beim Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum: Der Durchschnittsverbrauch von reinem Alkohol etwa liegt bei Jugendlichen über 15 Jahren und Erwachsenen im globalen Durchschnitt bei 6,4 Liter pro Kopf und Jahr. In Deutschland betrug der Durchschnittswert im Jahr 2016 11,4, in Russland 13,9 Liter. 
  • Die Anzahl der Verkehrstoten pro Jahr ist seit 2000 um 13 Prozent gestiegen – auf 1,25 Millionen im Jahr 2013. In der – eigentlich am wenigsten vom Tod bedrohten – Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen sind Verkehrsunfälle die häufigste aller Todesursachen. 
  • Von den weltweit rund 800.000 Todesfällen pro Jahr durch Selbstmord ist die WHO-Region Europa am heftigsten betroffen – mit durchschnittlich 14,1 Todesfällen auf 100.000 Einwohner. In Deutschland lag die Rate 2015 mit 13,9 pro 100.000 im europäischen Durchschnitt. Die niedrigste Selbstmordrate aller WHO-Großregionen weist mit 3,8 pro 100.000 die östliche Mittelmeerregion auf.
  • 468.000 Menschen wurden den WHO-Zahlen zufolge 2015 weltweit ermordet. Vier Fünftel aller Mordopfer waren männlich. Die größte Gefahr, ermordet zu werden, droht Männern in der WHO-Region Amerika (Nord- und Südamerika): Hier kommen 33 Ermordete auf 100.000 Einwohner pro Jahr – mehr als doppelt so viel wie in der Region Afrika (15 Mordopfer pro 100.000) und rund 12-mal so viel wie in der Region West-Pazifik (weniger als 2 pro 100.000). Während die Mord-Rate in Kanada mit 1,8 und in den USA mit 5,3 weit unter dem Welt-Durchschnitt von 10 Betroffenen pro 100.000 liegt, erreicht er in einigen Länderns Südamerikas wie Kolumbien, Venezuela, El Salvador und Honduras Rekordwerte von 48,8 bis 85,7 pro 100.000.

Mehr Forschung und Innovation ist notwendig

In den Punkten 3.2 (Elimination der vermeidbaren Kindersterblichkeit) und 3.3 (Elimination epidemischer Krankheiten wie Aids, Tuberkulose, Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten) der UNO-Nachhaltigkeitsziele hat sich die Weltgemeinschaft im Januar 2016 ehrgeizige Ziele gesetzt. Um diese zu erreichen, sieht die WHO eine substanzielle Steigerung der weltweiten Forschung und Entwicklungsanstrengungen im Gesundheitswesen als unabdingbar an.

Die Ziele lassen sich, den Worten des aktuellen Reports zufolge, durch eine reine Weiterführung bereits begonnener Fortschrittsprozesse nicht erreichen: „Stattdessen wird echte Innovation notwendig sein – sowohl technologisch als auch in den Methoden, die Aktivitäten real umzusetzen.“ Um diesen Prozess präzise verfolgen und zeitnah bewerten zu können, hat die WHO im Mai 2013 beschlossen, das „Global Observatory on Health R&D“ zu gründen. Das neue Beobachtungs-Tool hat nach einer dreijährigen Entwicklungsphase im Januar 2017 die Arbeit aufgenommen, erste Ergebnisse werden in der zweiten Jahreshälfte erwartet.

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