Der BPI hat die AMNOG-Daten 2019 veröffentlicht. Foto: © iStock.com/utah778
Der BPI hat die AMNOG-Daten 2019 veröffentlicht. Foto: © iStock.com/utah778

Ausgaben für Gesundheit sind eine Investition in die Zukunft

Wir leben länger. Aber leben wir auch länger gesünder? Die Studie „Die Entwicklung des Gesundheitsnutzens – Veränderungen der Krankheitslast von 1993 bis 2013 für ausgewählte Krankheitsbilder“ beantwortet diese Frage mit einem eindeutigen Ja. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nutzt darin eine Methodik zur Messung der Krankheitslast. Sein Fazit: Ausgaben für Gesundheit sind keine Kosten, sondern eine sinnvolle Investition.

Medizinischen Nutzen zu messen ist eine Herausforderung. Dabei ist es noch relativ einfach, die Lebenserwartung zu errechnen – sie steigt seit Jahren stetig an: In Deutschland um durchschnittlich vier Jahre in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Doch was heißt das? Sind das nur mehr Jahre oder sind es auch mehr „gute“ Jahre? Sind es Jahre, die alte Menschen länger aktiv am Leben teilhaben lassen können? Sind es Jahre, die kranke Menschen mit einer möglichst hohen Lebensqualität verbringen können? Vielleicht sogar Jahre, in denen schwerkranke Menschen nach erfolgreicher Behandlung wieder ins aktive Leben zurückkehren können? „Unsere Lebenserwartung steigt permanent, gleichzeitig wollen wir auch im Alter ein gesundes und selbstbestimmtes Leben führen. Diese medizinischen Herausforderungen dieser positiven und trotzdem dramatischen Entwicklung bilden ein Kernthema unserer Gesellschaft“, schreibt der BDI in seiner Studie. Denn Deutschland gehört zu den Ländern, die am stärksten vom demografischen Wandel betroffen sind. Kein Wunder also, dass sich Deutschlands größter Industrieverband des Themas annimmt: Gesundheit wird künftig noch mehr als heute schon Grundlage oder sogar Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand unserer Gesellschaft sein.

Es geht eben nicht nur um Zahlen: Wirtschaftliches Wachstum als einzige Messgröße für Wohlstand, Lebensqualität und gesellschaftlichen Fortschritt hat seinen Reiz längst verloren. Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ hat deshalb bereits 2013 einen neuen Begriff für Wohlstand vorgeschlagen. Denn: Die meisten Menschen machen ihn eben nicht in erster Linie von der Höhe ihres Einkommens abhängig, sondern zunehmend auch von sozialen und ökologischen Faktoren. Übertragen auf den Aspekt der Gesundheit, heißt die Kernfrage nicht: „Wie lange lebe ich?“, sondern „Lebe ich länger und gesünder?“ oder „Wie sehr hat sich die Dauer des Lebens und die Qualität des längeren Lebens verändert?“. Es sind die Kernfragen der BDI-Studie. Der Verband möchte damit eine breitere Diskussion über den Wert von medizinischen Innovationen anstoßen; seien das nun neue Medikamente oder medizintechnische Innovationen.

Die Krankheitslast messen

Für die Studie greift der BDI auf den Ansatz der DALYs zurück. Das Akronym steht für Disability Adjusted Life Years und will die Krankheitslast messen – im Fall der BDI-Studie in fünf ausgewählten Indikationen. Mit DALY soll nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens durch eine Krankheit erfasst und in einer Maßzahl summiert werden. Dazu wird die Zahl der verlorenen Lebensjahre durch vorzeitigen Tod kombiniert mit der mit Behinderung gelebten Lebenszeit. Untersucht wurden die Krankheitsbilder Brust- und Prostatakrebs, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes über einen Zeitraum von 20 Jahren (1993 – 2013).

Zu den Ergebnissen im Einzelnen:

  • Brustkrebs: Die Krankheitslast pro Person ist im Beobachtungszeitraum um fast ein Drittel gesunken (9,0 vs. 6,4 DALYs). Beim Brustkrebs liegt das vor allem an der höheren Lebenserwartung. Aber es gilt auch: Die Patientinnen, die nicht versterben, leben länger mit der Krankheit und der damit einhergehenden Beeinträchtigung.
  • Prostatakrebs: Auch hier ist die Krankheitslast des Einzelnen zwischen 1993 und 2013 stetig gesunken (um ca. 37 %). Die Überlebenschancen haben sich deutlich erhöht; die Beeinträchtigung der Lebensqualität ist über den Beobachtungszeitraum konstant geblieben.
  • Herzinfarkt: Männer haben eine höhere Krankheitslast als Frauen. Allerdings ist sie bei Männern kontinuierlich gesunken (von 16,5 auf 14,5 DALYs), während sie bei Frauen leicht angestiegen ist (von 12,5 DALYs auf 13,6 DALYs).
  • Schlaganfall: Bei Männern ist die individuelle Krankheitslast gesunken – vor allem, weil im Beobachtungszeitraum rund 1,7 Lebensjahre hinzugewonnen werden konnten. Bei Frauen gab es keinen nennenswerten Rückgang der Krankheitslast. Insgesamt gingen bei Herzinfarkt und Schlaganfall die DALYs sehr stark zurück.
  • Diabetes mellitus II: Die DALYs nehmen bei beiden Geschlechtern ab, obwohl die Inzidenz der Erkrankung weiter zunimmt. Der Effekt wird vor allem durch die Reduzierung der Folgeerkrankungen erzielt.

Insgesamt hat die Krankheitslast in den fünf ausgewählten Indikationen in den vergangenen 20 Jahren stetig abgenommen – um rund 11 Prozent (von 8,54 auf 7,62 Mio. DALYs). „Die Studie“, so bilanziert der BDI, „zeigt eindrucksvoll, dass Dauer und Qualität des Lebens steigen. Wir leben länger, wir erkranken später und wir gewinnen kontinuierlich gesunde Lebensjahre hinzu.“ Ausgaben für Gesundheit seien deshalb keine Kosten, sondern sinnvolle Investitionen, resümiert der Verband. Von ihnen profitiert der Einzelne – durch verbesserte medizinische Wirkung und mehr Lebensqualität. Und von ihnen profitiert die Gesellschaft, weil Gesundheit Grundlage für Entwicklungschancen ist und hilft, Wertschöpfungsverluste zu vermeiden und die Sozialkassen zu entlasten.

BDI fordert Debatte über den Wert von Innovationen

Der BDI plädiert für einen anderen Blick auf die Gesundheitswirtschaft: Weg vom Kostentreiber hin zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Schon heute ist jeder siebte Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft tätig und die Branche generiert rund 12 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts. Aber darüber hinaus schafft sie hohe gesellschaftliche Werte, etwa wenn sie dabei hilft, altersbedingte Krankheiten zurückzudrängen oder deren Folgen zu mildern.

Die industrielle Gesundheitswirtschaft generiert Effizienz, Effektivität im Gesundheitswesen und Werte für die Gesellschaft, so der BDI. Der Bundesverband fordert deshalb eine Diskussion über den Wert von Fortschritt, wie er in anderen Branchen längst üblich sei, im Bereich der Gesundheit aber noch am Anfang stehe. Genau wie die „Klassiker“ Bildung, Infrastruktur, Zugang zu Investitionskapital oder zu einem gut ausgebildeten Fachkräftemarkt ist die Gesundheit einer Gesellschaft längst zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor avanciert. Sie ist damit auch Indikator der Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft geworden – in den es sich lohnt zu investieren. 

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