ASCO 2017 - Treffpunkt für Wissenschaftler  Fachärzte  Firmenvertreter und Investoren. © iStock.com/kasto80 (Matej Kastelic) (Agenturfoto. Mit Model gestellt.)
ASCO 2017 - Treffpunkt für Wissenschaftler Fachärzte Firmenvertreter und Investoren. © iStock.com/kasto80 (Matej Kastelic) (Agenturfoto. Mit Model gestellt.)

Krebskiller gesucht

Es gibt keinen größeren Krebskongress: 38.000 Wissenschaftler, Fachärzte, Firmenvertreter und Investoren aus aller Welt treffen sich auf dem ASCO – dem jährlichen Kongress der „American Society of Clinical Oncology“ – in Chicago. Denn Krebs ist eine globale Herausforderung, die nur grenzübergreifend gelöst werden kann.

Dr. med. Stefan Frings wird natürlich auch wieder dort sein. Der Medizinische Direktor der Roche Pharma AG weiß um die Bedeutung des ASCO: „Zu keinem anderen Krebskongress kommen so viele Wissenschaftler und Mediziner, um sich über die neuesten Entwicklungen und Ansätze in der Behandlung von Menschen mit Krebs auszutauschen. Für jeden Forscher ist es ein absolutes Karriere-Highlight, einmal auf dem ASCO eigene Ergebnisse vorzustellen.“ In den gigantischen Messehallen von Chicago trifft sich die Speerspitze im Kampf um neue therapeutische Ansätze gegen Krebs. Sie hat die Qual der Wahl: Das viertägige Programm enthält rund 6.000 Vorträge, Abstracts und Präsentationen. Es geht um Prävention, Heilungschancen, Überlebensdauer und Lebensqualität von Menschen mit Krebs.

 

 

 

 

In keinem Indikationsgebiet führen forschende Pharma-Unternehmen mehr klinische Studien durch (s. Grafik); jede dritte richtet sich gegen eine Krebserkrankung. In kaum einem Gebiet ist der Fortschritt so rasant. Die Krebssterblichkeit ist seit 1993 um ein Viertel zurückgegangen und selbst bei schwer zu behandelnden Krebsarten wie Lungen- oder Hautkrebs zeigen neue Ansätze vielversprechende Ergebnisse. In manchen Indikationsgebieten haben sich die Fünf-Jahres-Überlebensraten seit den siebziger Jahren mehr als verdoppelt (s. Grafik). Und der Bedarf ist in keinem Bereich so groß: In Deutschland ist Krebs die zweithäufigste Todesursache – und könnte Herzkreislauferkrankungen als häufigste Ursache bald überholen.

 

 

 

 

Geforscht wird gegen häufige Krebserkrankungen wie etwa Brust- oder Prostatakrebs, aber auch gegen seltene wie dem Multiplen Myelom. Die Fünfjahres-Überlebensrate steigt bei dieser bis heute nicht heilbaren Blutkrankheit um zwei Prozent – pro Jahr. Wissenschaftler gehen davon aus, dass in spätestens 25 Jahren niemand mehr an der Krankheit sterben muss. Geht der Fortschritt so rasant weiter, liegt die Betonung auf „spätestens“.

Den Trend der personalisierten Medizin fortschreiben

Auch dieses Jahr setzt der ASCO auf das Thema „personalisierte Medizin“. Eine immer bessere molekulare Diagnostik ermöglicht es, die Antriebskräfte für Tumore immer besser zu verstehen und entsprechend genaue Wege zu finden, um sie anzugreifen. Mediziner Frings rechnet damit, „dass wir künftig weniger Patienten aufgrund ihrer Tumorlokalisation, also z. B. Lungen- oder Brustkrebs, behandeln werden, dafür mehr aufgrund der Genmutation, die ihre Tumoren aufweisen.“ Für den behandelnden Arzt wird dann immer unwichtiger, in welchem Organ sich der Krebs eingenistet hat. Er will wissen, welche molekularen und immunologischen Prozesse Ursache für den jeweiligen Tumor sind. Die Aufgabe der Pharma-Forschung ist es, auf diese Prozesse die richtigen Antworten zu finden, so Frings.

Die Hoffnungen, aber vor allem die Erwartungen sind groß: In den molekulargenetischen und immunologischen Ansätzen sollen die Antworten darauf zu finden sein, wie in Zukunft bisher noch schwer behandelbare Krebserkrankungen über Jahre hinweg erfolgreich therapiert werden können. Mittlerweile hat die US-Zulassungsbehörde FDA ein Krebsmittel für alle soliden Tumoren mit einer bestimmten genetischen Ausstattung zugelassen. Es ist ein Antikörper für Patienten, bei denen ein bestimmter Biomarker gefunden wird – und es ist das erste Mal, dass ein Krebsmittel seine Zulassung nicht nach dem Ursprungsort des Tumors erhält.

Doch obwohl die gezielte Therapie immer intelligenter wird, lassen sich Tumorwachstum und -ausbreitung nicht immer verhindern oder verzögern; etwa, weil sich Tumore stark verändern, oder weil nicht alle Signalwege bekannt sind oder es nicht für alle Signalwege geeignete Medikamente gibt. Pharma-Forschung arbeitet deshalb auch intensiv an Kombinationstherapien, um nicht nur punktgenau, sondern auch noch schlagkräftiger sein zu können.

Kampf an mehreren Fronten

Der Kampf gegen den Krebs findet an mehreren Fronten statt. Eine dieser Fronten ist die Immunonkologie; hier richtet sich das Augenmerk auf die so genannten Checkpoint-Inhibitoren oder auch PD-1-Hemmer: „Der wissenschaftliche Hintergrund für die Entwicklung der PD-1-Hemmer war die Erkenntnis, dass viele Tumore die Fähigkeit haben, sich dem menschlichen Immunsystem zu entziehen. Bildlich gesprochen entreißen sie den Tumorzellen ihre Tarnung und sorgen dafür, dass das Immunsystem die Tumorzellen wieder bekämpfen kann“, erklärt Dr. Kristian Löbner, Medizinischer Direktor bei MSD Sharp & Dohme. PD-1-Hemmer führen offenbar bei sehr vielen Tumorentitäten bei einem Teil der Patienten zu einem Ansprechen. Das Ziel der Forschung definiert Löbner so: „Wir müssen nun spezifisch für die verschiedenen Tumorentitäten herausfinden, bei welchen Patientenpopulationen die besten Ansprechraten bei möglichst guter Verträglichkeit erzielt werden. Durch geschicktes Kombinieren der Wirkstoffe versuchen wir, für Krebspatienten das Beste zu erreichen.“ Da sich unter dem Dach von Krebs mindestens 200 Krankheiten verbergen, wird den Forschern die Arbeit in den kommenden Jahren nicht ausgehen.

Für Dr. Michael May ist die Immunonkologie „die stärkste Waffe im Kampf gegen Krebs – und ein Therapieprinzip mit indikationsübergreifendem Potenzial.“ May ist Medizinischer Direktor bei Bristol-Myers Squibb Deutschland. „Mittlerweile können viele verschiedene Krebsarten – wie der schwarze Hautkrebs oder Lungenkrebs – erfolgreich mit immunonkologischen Therapien behandelt werden, und das bei sehr guter Verträglichkeit. Für das fortgeschrittene Melanom gibt es sogar bereits Daten zum Langzeitüberleben über 10 Jahre.“ Ein Grund sich auszuruhen, ist das nicht: „Wir wissen, dass nicht alle Patienten gleichermaßen profitieren. Daher geht es in der Forschung aktuell um die Identifikation von Biomarkern, mit deren Hilfe das Ansprechen auf eine immunonkologische Behandlung vorab besser bestimmt werden kann.“ Auch er sieht in der Suche verschiedener Kombinationsmöglichkeiten die Chance, das Therapieansprechen weiter zu verbessern: „Hierzu werden nicht nur immunonkologische Substanzen in Kombination geprüft, sondern auch z. B. mit Chemotherapeutika bzw. zielgerichteten Substanzen.“ Nach dem Forschungsziel seines Unternehmens gefragt, sagt May: „Wir wollen künftig noch mehr Krebsarten mit dem Therapieprinzip der Immunonkologie behandeln können. Denn durch immunonkologische Therapien erhalten Krebspatienten die Chance auf ein längeres Überleben bei guter Lebensqualität. Wir setzen darauf, dass viele Krebsarten, die heute noch tödlich sind, eines Tages sogar geheilt werden können.“

Langweilig wird auch der ASCO 2017 also nicht werden; insgesamt befinden sich weltweit rund 2.000 potenzielle Krebsmedikamente auf dem Weg zur Zulassung. Jedes der dort präsentierten, hunderten von Abstracts „steht für einen Erkenntnisgewinn in der Krebstherapie“, so Roche-Forscher Stefan Frings. „Um Innovationen auf dem höchsten Niveau voranzutreiben, ist es wichtig, dass auch auf internationaler Ebene ein enger Austausch stattfindet – zwischen Medizinern, der akademischen Forschung sowie Biotech- und Pharmaunternehmen. Der ASCO ist dafür eine hervorragende Plattform.“

Weiterführende Links:

https://am.asco.org/ 

https://www.krebsgesellschaft.de/basis-informationen-krebs/therapieformen.html 

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