Brustkrebs bei Männern – eine zwar seltene  aber unter Umständen lebensbedrohliche Diagnose. In dieser Situation kommt es darauf an  möglichst schnell das Richtige zu tun. Foto: © iStock.com/Schulz Christian
Brustkrebs bei Männern – eine zwar seltene aber unter Umständen lebensbedrohliche Diagnose. In dieser Situation kommt es darauf an möglichst schnell das Richtige zu tun. Foto: © iStock.com/Schulz Christian

Können wir uns den Fortschritt leisten?

Die Fortschritte in der medikamentösen Krebstherapie sind groß. Aber können wir uns die zahlreichen neuen Medikamente auch leisten? Auf dem Hauptstadtkongress 2017 – Medizin und Gesundheit (HSK) diskutierten Onkologen, Politiker und Wissenschaftler über die Herausforderung der „Chronifizierung“ von Krebs.

Prof. Dirk Jäger ist ein Mann aus der Praxis; er weiß, wovon er spricht. Im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg, wo er den klinischen Bereich leitet, werden pro Jahr 12.000 bis 13.000 neue Tumorpatienten behandelt. Seine Erfahrung fasst Jäger so zusammen: „Wir sehen erstmals in der Onkologie revolutionäre Dinge. Wir werden besser. Und wir sehen Dinge, von denen wir vor kurzem nicht zu träumen wagten.“ Ein Beispiel: Das metastasierte Melanom (schwarzer Hautkrebs). Bis vor kurzem war das mediane Überleben unter einem Jahr, so Jäger. „Wir sehen heute mit den modernen Therapien ein Langzeitüberleben. 20 Prozent der Patienten leben zehn Jahre nach ihrer Diagnose in absolut stabiler Situation.“ „Chronifizierung“ nennen das die Experten: Die Krankheit ist nicht geheilt, aber der Tumor ist „unter Kontrolle“.

Krebs – schon im alten Ägypten gefürchtet

Krebs war und ist des Menschen ständiger Begleiter. Schon vor 4.700 Jahren haben Ärzte die Krankheit beschrieben und auf Papyrus festgehalten: „Es gibt keine Behandlung.“ Erste Erfolge gibt es seit rund hundert Jahren, aber einen richtigen Schub hat die Krebsbehandlung erst mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms erfahren. Das hat die Krebstherapie gewandelt. „Jede Erkrankung ist im Grunde eine unique Situation“, so der Onkologe Jäger. „Selbst Patienten mit der gleichen Diagnose können von den Therapien sehr unterschiedlich profitieren.“

Die Forschungsstrategie umschreibt er so: „Wir versuchen die individuelle Ausprägung der Krankheit besser zu verstehen. Wir fragen uns: Was treibt im konkreten Fall die Tumorerkrankung?“ Und dann sucht Jäger nach der für den konkreten Patienten erfolgreichen Therapie oder Therapiekombination. Für den Forscher bedeutet das: Das Konzept der Standardtherapien für bestimmte Krebsarten muss überdacht werden.

Krebs: „Verdammt häufig“

Krebs ist eine „verdammt häufige Erkrankung,“ erläuterte Prof. Bertram Häussler vom IGES-Institut auf dem Hauptstadtkongress. Über vier Millionen Menschen hatten in Deutschland in ihrem Leben schon einmal Krebs. Bei rund anderthalb Millionen von ihnen liegt die Diagnose schon mehr als zehn Jahre zurück. Auch Häussler weiß um die Erfolge der Krebsbehandlung und -prävention: In Deutschland nimmt die Krebssterblichkeit seit 1990 ab – um 25 Prozent in 25 Jahren. Daten aus den USA zeigen, dass auch die Fünfjahres-Überlebensrate über alle Krebserkrankungen stetig zunimmt. Aber: Das Risiko, einmal in seinem Leben an Krebs zu erkranken, „ist enorm hoch“, so der Institutsleiter. Jeder Zweite, egal ob Mann oder Frau, wird im Laufe seines Lebens Krebs bekommen. Krebs ist in Deutschland etwa so häufig wie Diabetes, so Häussler.

Damit ist die Herausforderung eingekreist: Mehr Krebsfälle, mehr Menschen, die immer länger mit ihrem Krebs leben, der Bedarf einer individualisierten Therapie und der Wunsch, den Krebs immer besser zu bekämpfen. Steht das deutsche Sozialsystem vor dem Dilemma, den Fortschritt zwar haben zu wollen, aber nicht bezahlen zu können? Um die Antwort vorweg zu nehmen: Nein, das Sozialsystem steht nicht vor diesem Dilemma.

CDU-Abgeordneter Kippels: Finanzierung ist lösbar

In der Tat: Die Ausgaben für Krebsmedikamente sind in den vergangenen Jahren gestiegen. 1996 macht ihr Umsatz in Deutschland noch rund eine halbe Milliarde Euro aus (nach Apothekenverkaufspreisen). 2014 lagen die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei rund fünf Milliarden Euro, erläuterte Häussler. Und sie steigen momentan stetig an – ein Ergebnis des Innovationsschubs.

Ein Grund, nervös zu werden, ist das für den Mediziner und Soziologen nicht. Er mahnt, das Gesamtpaket zu sehen: Mehrausgaben für Krebsmedikamente müssen nicht zwangsläufig zu einem Mehr der Gesamtausgaben für Arzneimittel führen.

Das Wachstum ist Ausdruck des Fortschritts: Immer mehr Medikamente für immer mehr Krebsarten bedeuten immer mehr Ausgaben. Man kann es aber auch so betrachten: Gemessen am deutschen Bruttoinlandsprodukt beträgt der Anteil der Ausgaben für Krebsmedikamente rund 0,165 Prozent. Das sind 17 Promille – für den Kampf gegen die zweithäufigste Todesursache des Landes.

Der Bundestagsabgeordnete Georg Kippels sieht für die Politik die enorme Herausforderung, dass „die in der Krebsbekämpfung bemerkenswerten Fortschritte aus der Forschung“ auch beim Patienten ankommen“. Die Finanzierbarkeit des Fortschritts sei lösbar: „Die Zahlen, die wir heute gehört haben, sind bei weitem nicht in einer Dimension, dass Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems angebracht wären.“

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