Noch nie zuvor war der Anteil von Biopharmazeutika bei den Zulassungen so hoch wie heute: In 2016 lag er bei einem Rekordwert von 37 Prozent. „Das zeigt, wie innovativ unsere Branche ist. […] Wir entwickeln weiterhin sehr wichtige Medikamente für Patienten, die an diesen sehr starken Krankheiten leiden und damit auch neue Hoffnung bekommen“, erklärte Dr. Frank Mathias, Vorsitzender von vfa bio und CEO der Rentschler Biotechnologie GmbH, in Berlin. Insgesamt befänden sich 636 biopharmazeutische Entwicklungsprojekte in allen Phasen der klinischen Erprobung – die Pipeline bleibt also weiterhin gut gefüllt.
Das gilt insbesondere für den Bereich der Onkologie: In Deutschland sind hier 226 Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung – mehr als in jedem anderen Anwendungsgebiet. Angesichts dieses Forschungsdrangs wundert es nicht, dass allein in den letzten zehn Jahren 19 Biopharmazeutika im Bereich Onkologie neu zugelassen wurden. Bei über der Hälfte dieser Mittel wurde die Zulassung zwischen 2015 und 2016 erteilt. Mathias betont: „Wir entwickeln auch Krebs-Medikamente in Bereichen, wo die Patientenanzahl gering ist, aber der medizinische Bedarf sehr hoch ist.“ So würden die Entwicklungsprogramme der forschenden Pharmaunternehmen ein sehr breites Spektrum an Tumorerkrankungen abdecken: vom eher häufigen Lungenkrebs bis hin zum seltenen Gallenblasenkrebs.
Krebs: Zahl der Todesfälle steigt nicht mehr
Das positive Resultat: Trotz einer steigenden Zahl an Neuerkrankungen – laut Mathias vor allem in der Alterung der Gesellschaft begründet – bleibt die Zahl der Todesfälle konstant. Neben einer frühen Diagnostik seien Medikamente und Therapiemöglichkeiten immer besser geworden, „sodass es keine Parallelität mehr gibt zwischen Anzahl der Neuerkrankungen und Anzahl der Todesfälle.“
Das spiegelt sich auch in den gestiegenen Fünf-Jahres-Überlebensraten bei ausgewählten Indikationen wider: Bekam ein Mann zwischen 1970 und 1974 die Diagnose „Prostatakrebs“ lag sie bei nur knapp über 60 Prozent. Bei gleicher Diagnose, nur knapp 40 Jahre später (2011-2012), betrug sie bereits 93 Prozent. Eine ähnlich positive Entwicklung ist unter den Frauen bei der Diagnose Brustkrebs zu beobachten. Dennoch bleibt noch viel zu tun, wie das Beispiel Lungenkrebs zeigt: Mit gerade einmal 21 Prozent (Frauen) bzw. 16 Prozent (Männer) ist die Fünf-Jahres-Überlebensrate immer noch sehr niedrig.
Die Hoffnung: Immunonkologie
Hoffnung geben aber auch hier neue Forschungsansätze: Standen bis in das Jahr 2000 nur drei Möglichkeiten zur Bekämpfung von Krebs zur Verfügung (Chirurgie, Bestrahlung oder Chemotherapie), wurden diese Therapieoptionen seitdem um zwei weitere ergänzt: Zum einen sind da Medikamente, die – im Gegensatz zur Chemotherapie – gezielter nur die Krebszellen angreifen. Und zum anderen gibt es sogenannte Immunonkologika, die das Immunsystem des Patienten für die Krebsbekämpfung stärken.
Obwohl diese Entwicklung noch sehr jung ist, lassen sich schon erste Erfolge messen. Ein Beispiel ist der metastasierte Hautkrebs (Melanom): Noch in den 1980-er und 1990-er Jahren lag bei dieser Diagnose das durchschnittliche Überleben bei ca. fünf Monaten. Seit 2010 sind hier einige Biopharmazeutika auf den Markt gekommen. Über die letzten zehn Jahre hat sich der Überlebenszeitraum mehr als verdoppelt.
Ist der Fortschritt finanzierbar?
Die gerade auch von den Krankenkassen artikulierten Sorgen zur Finanzierbarkeit der neuen Krebstherapien teilt Mathias nicht: „Natürlich bleibt es finanzierbar.“ So seien die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen für Onkologika in den letzten fünf Jahren nur sehr moderat gewachsen. Laut des vfa bio liegen sie im Moment bei ca. 11,5 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Dabei ist nicht zu vergessen: „Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland.“
Judith Wallenstein, Senior Partnerin bei BCG, appelliert daher dafür, Innovationen stets in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu betrachten. Die Kostendiskussion hält sie hier nicht für zielführend. „Alle Akteure sollten gemeinsam im Sinne eines Value Based Health Care-Ansatzes den Nutzen für den Patienten noch stärker in den Mittelpunkt stellen. Eine bessere Versorgung nutzt dem gesamten Gesundheitswesen.“
Biopharmazeutika: Ein Plus für die Wirtschaft
Auch gesamtgesellschaftlich schlägt sich der Fortschritt bei Biopharmazeutika nieder. „Die medizinische Biotechnologie erweist sich einmal mehr als Jobmotor für Deutschland“, so der vfa bio. Die Zahl der Beschäftigten erhöhte sich hier im Vergleich zu 2015 um 8,1 Prozent auf gut 44.100.
Weiterführende Links:
- https://www.vfa-bio.de/vb-de/vb-presse/vb-pressemitteilungen/pr-001-2017-biotech-report-von-bcg-und-vfa-bio-biopharmazeutika-helfen-krebspatienten.html
- https://www.vfa-bio.de/download/bcg2017.pdf
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