Im Pharma Fakten-Interview erklärt Dr. Franz Böhme  Leiter Medical Affairs Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital  wie Radioaktivität in der Therapie von Krankheiten zum Einsatz kommt. Foto: © Gorodenkoff Productions - iStock
Im Pharma Fakten-Interview erklärt Dr. Franz Böhme Leiter Medical Affairs Onkologie/Hämatologie bei Bayer Vital wie Radioaktivität in der Therapie von Krankheiten zum Einsatz kommt. Foto: © Gorodenkoff Productions - iStock

Offenheit muss selbstverständlich werden

Auch 2017 ist der Bericht zum Transparenzkodex der Arzneimittelindustrie wieder auf unterschiedliche Reaktionen in der öffentlichen Wahrnehmung gestoßen. Allerdings war die mediale Wiedergabe diesmal schon wesentlich unaufgeregter. Wichtig ist den Verantwortlichen bei vfa und FSA: Mit jeder Veröffentlichung wird der Vorgang „normaler“ – und die Transparenzkultur im Gesundheitswesen weiter gestärkt.

Die Ergebniszahlen waren eher unspektakulär – und sie sind in den Medienbeiträgen zum Thema weitgehend unkommentiert geblieben. 562 Millionen Euro haben die 54 größten Unternehmen der deutschen Pharmaindustrie 2016 an Ärzte, Pharmazeuten und medizinische Institutionen bezahlt – 13 Millionen weniger als im Jahr zuvor (- 2,3 Prozent). Entlohnt wurden damit die Leistungen, die Zehntausende von Angehörigen des medizinischen Fachkreises zur Unterstützung in der Arzneimittelforschung sowie für die Weiterbildung im Rahmen von Seminaren und Kongressen erbracht haben. 

 

Je transparenter, desto weniger Potenzial für Polemik

Kritisiert wurde dagegen vielerorts, dass die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte, die bereit waren, ihre Namen im Rahmen des öffentlichen Registers www.pharma-transparenz.de veröffentlichen zu lassen, gesunken ist – von 31 Prozent im Vorjahr auf 25 Prozent 2016.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharmaunternehmen  (vfa), bedauert diese Entwicklung – hat sie aber angesichts der aufgeregten Reaktionen auf die Erstveröffentlichung im Juni 2016 auch nicht anders erwartet. Viele Ärzte seien damals öffentlich an den Pranger gestellt worden – wegen angeblicher „Korruption“ durch die Pharmaindustrie. „Dabei hat jeder Arzt, der im Transparenzkodex einer Veröffentlichung seines Namens und seiner Daten zustimmt, höchsten Respekt verdient. Ihn dafür auch noch zu schelten, ist völlig verfehlt!“ Andererseits erwartet sie, dass auch den Ärzten Respekt entgegengebracht wird, die einer individuellen Veröffentlichung (noch) nicht zustimmen: „Sie machen von ihrem Datenschutzrecht Gebrauch – und das ist in Deutschland ein hohes Gut.“

Keinen Zweifel ließen die vfa-Chefin und Holger Diener, der Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle in der Arzneimittelindustrie (FSA), an ihrem eigentlichen Ziel: Beide wollen hartnäckig weiter dafür werben, dass sich mehr und mehr Mediziner dem Transparenzgedanken anschließen. Denn der sei in Zukunft aus dem deutschen Gesundheitswesen nicht mehr wegzudenken. Und je mehr Fachkreisangehörige sich dazu freiwillig verpflichteten, desto geringer werde das Polemik-Potenzial.

Auch die AWMF plädiert für „lückenlose Offenlegung“ 

Dieser Ansatz wird auch vom obersten Dachverband der medizinischen Forschung in Deutschland unterstützt. Am 19. Mai hatte die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ihre neuen „Empfehlungen zur Zusammenarbeit von wissenschaftlicher Medizin und Industrie“ vorgelegt. Gefordert wird darin eine lückenlose Offenlegung und Dokumentation aller Kooperationsformen mit der Industrie in einem einheitlichen Format. „Die Kooperation zwischen wissenschaftlicher Medizin und Industrie ist unverzichtbar für den medizinischen Fortschritt. Doch es muss exakt definiert sein, wie diese Kooperation erfolgen kann, damit sekundäre Interessen nicht die primären Interessen überlagern“, betont Professor Rolf Kreienberg, der Präsident der AWMF. Und die „primären Interessen“ müssten für Mediziner immer das Wohl des Patienten und die Verbesserung der Versorgung sein.

Ohne Kooperation zwischen Ärzten und Herstellern – kein Fortschritt!

Auch für Birgit Fischer ist die Bedeutung, die die Kooperation zwischen den medizinischen Fachkreisen und der Pharmaindustrie für das Gesundheitssystem in Deutschland hat, gar nicht hoch genug einzuschätzen: „Die Erprobung neuer Medikamente in Studien mit Patienten ist nur möglich, weil Unternehmen eng mit Ärzten in Krankenhäusern und Arztpraxen zusammenarbeiten können.“ Ohne die Mitwirkung der Mediziner sei es für Arzneimittelhersteller schlichtweg unmöglich, zuverlässige Erkenntnisse über die Wirkungsweise ihrer Produkte in der praktischen Anwendung zu erhalten.

Mit ihren Studien leisten die Pharmaunternehmen laut Fischer einen wesentlichen Beitrag zur Förderung medizinischer Innovationen in der Gesundheitsversorgung allgemein. „Die starke Stellung Deutschlands bei industrie-initiierten klinischen Studien ist eine ausgezeichnete Grundlage für Forschung und Patientenversorgung.“

„Die öffentliche Hand zieht sich mehr und mehr zurück!“

Das sehen Ärzte, die in die Studien involviert sind, ganz genauso. Kristian Reich, Professor für Dermatologie und Allergologie in Hamburg, erklärt: „Häufig wird kritisiert, die Zusammenarbeit ‚Ärzte und Pharma’ habe einen Beigeschmack. Die Wahrheit aber ist, dass die forschende Pharmaindustrie hierzulande auch Wissenschaft unterstützt, die gar keinen Bezug hat zu irgendwelchen ihrer Produkte.“ 

Der bekannte Spezialist für Schuppenflechte geht sogar noch weiter: „Ein wesentlicher Teil der Ärztefortbildung und sogar der Forschung wird heute durch die Arzneimittelindustrie bezahlt. Die öffentliche Hand, als deren Aufgabe man das ja auch sehen könnte, hat sich aus vielen dieser Bereiche weitgehend zurückgezogen.“ 

Deutschland auch 2016 wieder „Europameister bei klinischen Studien“

Gegenüber 2015 sind die Ausgaben der Pharmaindustrie für medizinische Studien und Anwendungsbeobachtungen im Jahr 2016 um zehn Millionen Euro (- 2,7 Prozent) gesunken (siehe Grafik). Dass dieser leichte Rückgang noch keine negativen Auswirkungen auf den medizinischen Forschungsstandort Deutschland hatte, zeigt die aktuelle Auswertung, die der vfa aus dem internationalen Studienregisters „clinicaltrials.gov“ gezogen hat: 2016 sind hierzulande 532 Studien neu gestartet worden – mehr als in Großbritannien (499), Spanien (432), Frankreich (390) oder auch Kanada (463). Nur in einem Land wurden noch mehr Forschungsprojekte angemeldet: Mit 2.306 neuen Studien führen die USA, der größte Pharma-Markt der Welt, die Liste mit großem Vorsprung an.

Foto: istockphoto.com

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