Das Bundessozialgericht hat entschieden: Ein Medikament  ein Preis. Foto: ©iStock.com/AndreyPopov
Das Bundessozialgericht hat entschieden: Ein Medikament ein Preis. Foto: ©iStock.com/AndreyPopov

So teuer kann sparen sein

Gesundheitspolitische Spargesetze mit dem Ziel, die Ausgaben für Arzneimittel einzudämmen, haben negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Die Entwicklung der Pharmazeutischen Industrie in Bayern – Standortanalyse 2015“ des BASYS-Instituts, das die Pharmainitiative Bayern in Auftrag gegeben hat. Als Folge der Preissenkungsgesetze der vergangenen Jahre minderten sich die Erlöse der bayerischen Pharma-Industrie im Beobachtungszeitraum (2010 bis 2015) kumuliert um insgesamt 2,064 Milliarden Euro. Hochgerechnet auf ganz Deutschland dürfte sich der Betrag um ein Vielfaches erhöhen. Vorgestellt wurde die Studie auf einer Veranstaltung in München.

Die in den vergangenen Jahren erlassenen Spargesetze (z.B. GKV-Änderungsgesetz, das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz AMNOG) mit ihren darin festgeschriebenen Preismoratorien bzw. Zwangsabschlägen haben in den Bilanzen der pharmazeutischen Unternehmen tiefe Spuren hinterlassen. Die BASYS-Studie zeigt, dass die Belastungen der Branche durch gesetzliche und vertragliche Rabatte sowie durch Abschreibungen seit 2009 stetig zunehmen. Der Vorstandsvorsitzende des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Han Steutel sagt dazu: „Für uns als eine Branche, die sich das Ziel gesetzt hat, neue Arzneimitteltherapien zu entwickeln, ist das fatal. Denn Forschung und Entwicklung werden aus den laufenden Einnahmen der Unternehmen finanziert.“ Werden die – etwa durch Sparmaßnahmen – geschmälert, müssen die Unternehmen Anpassungen vornehmen. Markus Schneider, Geschäftsführer des BASYS-Instituts und Autor der Studie sieht das so: „Es ist davon auszugehen, dass die Belastungen Auswirkungen auf das Investitionsverhalten der Unternehmen in Forschung und Entwicklung (F&E) und Sachanlagen haben.“ Andreas Heigl vom Lenkungskreis der Pharmainitiative fasst zusammen: „Wer weniger zum Investieren hat, der investiert auch weniger.“

Spargesetze schaden dem Wirtschaftsstandort

Als Folge der Preissenkungsgesetze der vergangenen Jahre minderten sich die Erlöse der bayerischen Pharma-Industrie im Beobachtungszeitraum kumuliert um insgesamt 2,064 Milliarden Euro. Das ist Geld, was an anderer Stelle fehlt, etwa wenn Entscheidungen anstehen, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder neue Investitionen anzuschieben. Deshalb haben solche Eingriffe immer auch gesamtwirtschaftliche Folgen. Es entstehen Multiplikatoreffekte, die weitere direkte, indirekte und induzierte Folgen nach sich ziehen:

  • Die kumulierte Produktionsminderung beträgt in Bayern demnach 4,606 Milliarden Euro.
  • Jeder Euro Preissenkung steht in der Folge für 2,23 Euro, die der volkswirtschaftlichen Produktion entzogen werden.
  • Die Produktionsminderung als Folge von Spargesetzen hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Sie führte in Bayern zu einem Verlust von mehr als 20.000 Erwerbstätigenjahren in der pharmazeutischen Industrie sowie in vor- und nachgelagerten Branchen.

Für den CSU-Politiker Johannes Singhammer ist die Studie Beleg dafür, dass „man vorsichtig sein muss beim Drehen an der Kostendämpfungsschraube.“ Er plädiert für „Balance halten“, wie er es auf der Veranstaltung formulierte. Han Steutel als Vertreter der Pharmainitiative erinnerte daran, dass man Schrauben auch in zwei Richtungen drehen; sprich: auch lösen könne. Mit Blick auf die seit 2011 in Deutschland implementierte frühe Nutzenbewertung innovativer Medikamente („AMNOG“) sagt Steutel: „Schon heute stehen den Patienten in Deutschland nicht mehr alle Medikamente zur Verfügung. Im Jahr 2021, wenn wir auf zehn Jahre AMNOG zurückblicken, werden wir durch das AMNOG nicht mehr auf dem Stand der Versorgung sein, wie er sein könnte“, prognostiziert er. Spargesetze, so die Botschaft, wirken innovationsfeindlich.

Bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sieht man das mit Sorge. „Die Entwicklung der Pharmabranche steht im Spannungsfeld der deutschen Gesundheitspolitik. Gesundheitspolitische Spargesetze haben schwere negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Das führt nicht nur zu Arbeitsplatzverlusten, sondern behindert langfristig die Entwicklung innovativer Medikamente“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung von Pharmainitiative und vbw.

Spargesetze wirken innovationsfeindlich

Die pharmazeutische Industrie ist eine besonders forschungsintensive Branche und gehört damit zu dem Segment der Spitzentechnologie. Sie ist Arbeitgeber für hochqualifizierte Fachkräfte auch in vor- und nachgelagerten Branchen, Partner für Universitäten und stellt die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln sicher. Der ökonomische Nutzen wissenschaftlicher Forschung ist hoch. In weit entwickelten Volkswirtschaften gelten F&E-Investitionen als Schlüsselfaktoren für Wachstum, Produktivität und Wohlstand. Rabatte, die zu Umsatzschmälerungen führen, reduzieren direkt das potenzielle Forschungsbudget. Studienautor Schneider: „Als Folge der Zwangsrabatte wurden F&E-Aufwendungen und Ausrüstungsinvestitionen von schätzungsweise über vier Milliarden Euro unterlassen.“ Die Pharmainitiative fordert deshalb ein Gesamtkonzept für die Gesundheits- und Wirtschaftspolitik.

 
Weiterführende Links:

http://www.pharmainitiative-bayern.de/startseite/

Foto: istockphoto.com

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