Mit der Europäischen Impfwoche 2019 will die Weltgesundheitsorganisation „Helden des Impfalltags“ feiern. Foto: CC0 (Stencil)
Mit der Europäischen Impfwoche 2019 will die Weltgesundheitsorganisation „Helden des Impfalltags“ feiern. Foto: CC0 (Stencil)

EFPIA drängt auf Entscheidung zum neuen EMA-Standort

Erst im November 2017 will der Europäische Rat die Entscheidung fällen, wohin die europäische Arzneimittelagentur EMA umziehen soll – als Folge des EU-Austritts der Briten. Den bisherigen Standort London hielten viele für ideal. Umso heftiger plädieren die EFPIA und weitere Industrieverbände an die EU-Gremien, den neuen EMA-Standort rasch festzulegen – orientiert „allein an den Interessen der Patienten in Europa“.

„Allen muss klar sein: Im Falle eines Fehlschlags hat Europa keine Rückfallebene!“ Mit deutlichen Worten hat Elizabeth Kuiper Anfang Juli auf die Bedeutung hingewiesen, die die sachgerechte Auswahl einer „neuen Heimat“ für die EMA  hat – für das europäische Gesundheitssystem als Ganzes wie für die pharmazeutische Industrie. Einen Bruch in der Arbeitskontinuität der EMA kann sich Europa nach Ansicht der Direktorin für Europa-Angelegenheiten bei der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) keinesfalls leisten. „Er wäre ein unakzeptables Risiko für die Gesundheit der Patienten in ganz Europa.“

In einem offenen Brief an die Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier (für die EU) und David Davies (für die britische Regierung) haben der Dachverband der Europäischen Pharmaindustrie und weitere sieben Pharmaverbände aus Europa und Großbritannien die Dringlichkeit ihres Anliegens verdeutlicht. Die Industrievertreter fordern darin , dafür zu sorgen, dass die enge Kooperation zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf dem Gebiet der Arzneimittelzulassung und -überwachung weiterhin gewährleistet werden kann. Andernfalls könnte es in den Produktions- und Lieferketten der europaweit verteilten Unternehmenseinheiten zu fatalen Brüchen kommen – mit ernsten Folgen für die Versorgung der Patienten mit lebenswichtigen Medikamenten.

 

19 Forschungschefs definieren die Kriterien für die EMA-Zentrale

Schon früh hatten sich die EFPIA und ihre Mitgliedsfirmen in die Diskussion um den neuen EMA-Standort eingeschaltet. In einem Brief an die EU-Kommission, unterzeichnet von den Forschungschefs der 19 größten Pharmaunternehmen in Europa, hatten sie schon im Mai 2017 eine Liste konkreter Sachkriterien vorgeschlagen, die jede Bewerberstadt erfüllen müsse, um als Sitz der wichtigen Arzneimittelbehörde in Frage zu kommen.

Die EFPA-Liste bildete die inhaltliche Grundlage für die Auswahlkriterien, auf die sich die EU-Kommission und der Europäische Rat im Juni geeinigt haben. Sie definiert für alle Kandidaten-Städte die zentralen Voraussetzungen für den Erfolg ihrer Bewerbung. Neben wichtigen sozialen Voraussetzungen für die knapp 900 Angestellten der EMA und ihre Familien (Betreuung und schulische Ausbildung der Kinder, geeignete Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Partnerinnen und Partner) werden drei Sachkriterien für den Auswahlprozess entscheidend sein:  

  • Die Stadt muss bis März 2019, dem Zeitpunkt des faktischen Austritts Großbritanniens aus der EU, die volle Funktionsfähigkeit der „neuen EMA“ garantieren können.
  • Der neue Standort muss für die Tausenden von Experten, die Jahr für Jahr zu den Treffen der zahlreichen Gremien und Fachgruppen der EMA anreisen, jederzeit schnell und problemlos erreichbar sein.
  • Die medizinisch-wissenschaftliche Infrastruktur der Stadtregion muss so beschaffen sein, dass sie die bruchlose Kontinuität in der Arbeit aller Aufgabenfelder der EMA gewährleisten kann.

Am meisten Sorgen bereitet den Industrievertretern ein weiteres, eher politisch motiviertes Auswahlkriterium: Die Europäische Union will bei der Ansiedlung der wichtigsten EU-Behörden auch die „geographische Spreizung“ über das Gesamtgebiet der Union berücksichtigen. Das, so fürchten Experten, könnte zu sachfremden Erwägungen führen, die die künftige Arbeit der EMA belasten könnten.

Nur eine Bewerberstadt pro Land

Bis zum 31. Juli haben die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten noch Zeit, jeweils eine Stadt als Kandidaten für die EMA-Ansiedlung zu benennen. 24 Bewerbungen sind bereits bei der Kommission eingegangen. Deutschland geht mit Bonn als EMA-Standort ins Rennen. Die Aussichten schätzen die meisten Fachleute als eher gering ein: Die Bundesregierung bewirbt sich mit Frankfurt auch für die Ansiedlung der Europäischen Bankenaufsicht (EBA), die ebenfalls aus London wegziehen muss. Diese deutsche Bewerbung dürfte ein ungleich höheres Erfolgspotenzial haben.

Unter den Bewerbern um die neue EMA-Zentrale finden sich Hauptstädte wie Paris, Warschau, Kopenhagen, Prag oder Wien ebenso wie andere, ebenfalls hoch attraktive Städte wie Barcelona oder Amsterdam. Als „heiße Favoriten“ gelten derzeit Paris und Barcelona. Die katalonische Metropole hatte sich schon in den 1990-er Jahren um den Sitz der EMA beworben, war damals aber der englischen Hauptstadt unterlegen. Doch auch die Chancen für Prag oder Warschau gelten als durchaus gut.

Für Europas Pharmaindustrie ist vor allem wichtig, dass die Entscheidung rasch und klar fällt – und nach sachorientierten Erwägungen. Denn schon gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Unsicherheiten um die Zukunft der EMA zu Verzögerungen bei wichtigen Arbeitsprozessen führen. 

So weist Adrian van den Hoven, Generaldirektor des Generika-Verbands „Medicines for Europe“, darauf hin, dass eine Vielzahl der Zulassungslizenzen für wichtige Generika schon bisher nicht bei der europäischen, sondern bei der britischen Arzneimittelbehörde MHRA geführt wurden. Diese müssten nun übertragen werden – ein komplexer Prozess, der durch  die Verschiebung der EMA-Entscheidung auf den November 2017 weiter verzögert werde. „Je länger es dauert, bis wir Klarheit haben, desto größer wird das Problem. Und das wären keine guten Nachrichten für die Patienten und die öffentliche Gesundheit in Europa.“

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