Das Immunsystem ist im Kampf gegen Krebs nicht grundsätzlich machtlos. Nimmt es krankhafte Veränderungen wahr, kann es diese Zellen selbstständig entfernen – und dem Tumor ein Ende setzen, bevor er gefährlich wird. Warum Krebs dennoch die zweithäufigste Todesursache in Deutschland ist? Weil er eine Ausweichstrategie entwickeln kann, um den Abwehrmechanismen des Körpers zu entwischen: Er macht sich „unsichtbar“, sodass das Immunsystem ihn nicht mehr finden kann. Oder er schüttet Stoffe aus, die die Immunantwort hemmen.
An genau diesem Problem setzt die Immuntherapie an. Das Ziel: Das Immunsystem soll wieder dazu befähigt werden, gefährliche Krebszellen zu erkennen und zu bekämpfen. Geforscht wird dazu an Impfungen, an Antikörpern – oder eben an CAR-T-Zellen. Hierbei wird dem Patienten eine bestimmte Sorte von Immunzellen – die T-Zellen – entnommen. Im Labor werden diese genetisch so verändert, dass sie an ihrer Oberfläche einen Rezeptor, den chimeric antigen receptor (CAR), bilden. Er kann ein spezielles Antigen, das auf Krebszellen vorkommt, erkennen. Die sogenannten „CAR-T-Zellen“ werden dem Patienten zurückgeführt – und auf Tumorjagd geschickt. Werden sie fündig, vermehren sie sich und greifen den Krebs an.
Lebende Medikamente: Eine große Herausforderung
Was in der Theorie relativ simpel klingt, ist in der Praxis eine große Herausforderung. Die über 200 klinische Studien mit CAR-T-Zellen, die bis Ende 2016 dokumentiert wurden, bestätigen dies. Der Grund: Es handelt sich um sehr komplexe, „lebende“ Arzneimittel, die sich im Körper vervielfältigen und dort über lange Zeiträume verbleiben können bzw. sollen. Dafür ist viel Expertise notwendig: „Die pharmazeutische Industrie betritt mit dem Einsatz eines individualisierten, auf genetisch veränderten Körperzellen basierenden Arzneimittels bei Krebserkrankungen weitgehend Neuland“, erklärte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.
Nach dem aktuellen Stand der Entwicklung ist die CAR-T-Therapie besonders für bestimmte Formen von Blutkrebs wirksam. In den USA steht eine erste Gentherapie zur Tumorbehandlung kurz vor der Zulassung. Und auch in Europa könnte es mithilfe eines beschleunigten Zulassungsverfahrens in naher Zukunft so weit sein. Das bedeutet in erster Linie Hoffnung für schwerstkranke Menschen, für die keine andere Option mehr besteht. Denn: Die Therapie kann mit schweren Nebenwirkungen einhergehen. Aber sie könnte sich zu einem weiteren Mosaikstein entwickeln – mit dem Ziel, im Kampf gegen Krebs immer besser, immer erfolgreicher zu werden.
Das PEI fordert daher eine „Vernetzung von akademischen Forschern, Klinikern und pharmazeutischer Industrie“, um gemeinsam die neuen Therapien weiter zu entwickeln. „Die CAR-T-Zellen sind Hoffnungsträger“ – für Blutkrebspatienten, aber auch für andere Tumorformen.