Weltweit leiden über 700 Millionen Menschen an Asthma oder COPD. 12 Millionen sind es allein in Deutschland. Damit gehören sie hierzulande zu den häufigsten Lungenerkrankungen – und sind nicht zu verharmlosen: Schon jetzt stehen chronische Krankheiten der unteren Atemwege (z.B. Asthma, COPD) laut des RKI-Berichts „Gesundheit in Deutschland“ (2015) in der Todesursachenstatistik der Männer auf dem vierten Platz – bei Frauen immerhin auf dem achten. Insgesamt fallen ihnen über 30.000 Menschen pro Jahr zum Opfer.
Nichts desto trotz werden sie – und die von ihnen verursachten Leiden und Kosten – in der Öffentlichkeit vielfach unterschätzt. Das ist gefährlich, beachtet man, dass die Krankheitslast weiter zunehmen wird. Experten gehen davon aus, dass allein die Zahl der COPD-Patienten um fast die Hälfte bis 2050 ansteigen wird. Ein Grund: Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft. Denn die Häufigkeit von COPD nimmt im Alter zu. Schon in drei Jahren könnte die Lungenerkrankung daher die dritthäufigste Todesursache weltweit sein.
Gute Wirkstoffe sind vorhanden
Bislang sind sowohl Asthma als auch COPD nicht heilbar. Angesichts der zunehmenden Krankheitslast sollte daher eine bestmögliche, kontinuierliche Behandlung der Betroffenen im Fokus stehen. Die gute Nachricht ist: Den Patienten stehen effektive Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Heutzutage können Asthmatiker mit der geeigneten Therapie sogar ganz oder nahezu beschwerdefrei leben. Auch dank guter Medikamente hat die Asthma-Sterblichkeit in Deutschland in den letzten zehn Jahren abgenommen.
Und dennoch leiden viele der Betroffenen unnötig: In einer Fragebogen-Studie zur Versorgungslage in Deutschland gab fast die Hälfte der Patienten an, das Asthma nicht unter Kontrolle zu haben. Warum das so ist? Bei Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD ist nicht allein der geeignete Wirkstoff für den Therapieerfolg entscheidend; schließlich bringt erst ein Inhalationsgerät die Substanzen an den Ort im Körper, wo das Krankheitsgeschehen stattfindet. Wird er falsch bedient – und erreicht das Medikament die Lunge nicht –, kann die Behandlung nicht anschlagen.
Zu wenige Asthma-Schulungen
Daher ist es wichtig, dass Arzt und Patient gemeinsam ein Inhalationsgerät auswählen, mit dem der Betroffene am besten zu Recht kommt. Regelmäßige Schulungsmaßnahmen zur korrekten Handhabung sind dabei von großer Bedeutung, um die Erkrankung erfolgreich in den Griff zu bekommen.
Das weiß auch Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). Doch die Realität sieht anders aus: „Als Patientenorganisation stehen wir tagtäglich im Austausch mit unseren Mitgliedern. Daher wissen wir, dass viele Betroffene nie eine krankheitsspezifische Asthmaschulung erhielten. Dabei ist genau das das A und O eines erfolgreichen Selbstmanagements.“
Unbedachter Austausch des Inhalationsgerätes
Hinzu kommt, dass Arzneimittel in der Apotheke gegen wirkstoffgleiche Arzneimittel ausgetauscht werden können, wenn der Arzt dies nicht explizit auf dem Rezept ausgeschlossen hat. Auch Inhalationsgeräte sind davon betroffen. „Ein ständiger Wechsel der Handhabung fördert die Unsicherheit, es entstehen Fehler bei der Technik und der Therapieerfolg sinkt“, erklärt Schwalfenberg. Sie fügt hinzu: „Aus Rückmeldungen der Patienten wissen wir, dass sie bei einem Austausch ihres Inhalationsgerätes in der Apotheke häufig keine Schulung zum neuen Inhalationsgerät erhalten.“ Dabei kann die falsche Bedienung gerade bei akuten Asthma-Anfällen schnell große gesundheitliche Probleme bereiten.
Daher fordert der DAAB, dass Ärzte – neben der sorgfältigen Auswahl des Inhalationsgerätes und der regelmäßigen Schulung sowie Überprüfung der Inhalationstechnik des Patienten – die Möglichkeit des Austausches gegen ein anders zu bedienendes Inhalationsgerät auf dem Rezept verhindern. Auf lange Sicht möchte die Organisation die Inhalationsgeräte jedoch in der sogenannten Substitutionsausschlussliste aufgenommen wissen. Sie dürften dann überhaupt nicht mehr in der Apotheke durch ein anderes ersetzt werden. „Das könnte die Patienten vor einem unüberlegten Austausch ihres Inhalationsgerätes besser schützen und den Therapieerfolg nachhaltig erhöhen“, ist sich DAAB-Verantwortliche Schwalfenberg sicher.
Unkontrolliertes Asthma: 4,5 Mal höhere Kosten
Das wäre nicht nur zum Vorteil der Erkrankten – sondern auch der Gesundheitssysteme. So ergab eine Analyse zur Asthma-Situation in Deutschland, dass schlecht eingestellte Patienten z.B. öfter in die Notaufnahme mussten und öfter krankgeschrieben waren, als gut eingestellte Patienten. Da wundert es nicht, dass ein Betroffener, der sein Asthma nicht unter Kontrolle hat, laut einer internationalen Studie fast 4,5 Mal höhere Kosten im Jahr verursacht als einer mit kontrolliertem Asthma: nämlich durchschnittlich 2.281 Euro anstatt 509 Euro.
Auch wenn die Ursache hierfür in erster Linie auf ein Problem in der Versorgung zurückzuführen ist: Die Forschung geht weiter. Das hat zur Folge, dass die unterschiedlichen Entzündungsprozesse bei Asthma immer besser verstanden werden und differenziertere Kenntnisse der unterschiedlichen Erkrankungsformen vorliegen. Zunehmend befinden sich daher auch monoklonale Antikörper in den Pipelines der Pharmaunternehmen. Sie greifen gezielt hemmend in die heterogenen Mechanismen der Erkrankung ein – und stellen so erste Schritte einer Individualisierung der Asthmatherapie dar. Erste Antikörper für Patienten mit schwerem Asthma sind bereits auf dem Markt, doch in naher Zukunft ist mit weiteren zu rechnen.