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Forschung für die großen Unbekannten

Laut eines US-Berichts wurden zwischen 2009 und 2016 jedes Jahr etwa 30 neue seltene Erkrankungen bekannt. Das zeigt: Das Wissen in diesem Bereich wächst rasant – und damit auch die Anzahl der sogenannten „Orphan Drugs“.

25 bis 30 Millionen Menschen in den USA leiden unter einer seltenen Erkrankung – in der Europäische Union geht man ebenfalls von etwa 30 Millionen aus. Mindestens die Hälfte der Betroffenen sind Kinder. Schätzungen zu Folge haben seltene Erkrankungen in acht von zehn Fällen eine genetische Ursache. Doch mit Namen wie Interstitielle Cystitis (IC) oder Hereditäres Angioödem (HAE) sind sie für die meisten Menschen große Unbekannte – denn nur wenige sind davon betroffen.

Geforscht wird trotzdem. Das führt dazu, dass immer mehr seltene Erkrankungen bekannt werden: So kamen laut des Berichts „Orphan Drugs in the United States“ des Pharmastatistikers IQVIA (damals noch QuintilesIMS) zwischen 2009 und 2016 jedes Jahr etwa 30 neue seltene Leiden dazu. 2016 lagen eindeutige Zuordnungsmerkmale für 6.084 seltene Erkrankungen vor – und fast 4.000 Gene, die mit ihnen assoziiert werden. Experten gehen davon aus, dass es weltweit zwischen 7.000 und 8.000 verschiedene seltene Erkrankungen gibt.

Das wachsende Wissen wirkt sich auch auf die Entwicklung von Therapien aus. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich laut des Berichts die Zahl der in den USA zugelassenen Orphan Drugs von 315 auf 449 erhöht.

98 zugelassene Orphan Drugs in der EU

In der EU waren im Oktober 2017 98 Arzneimittel für eine der Erkrankungen, die laut Definition jeweils nicht mehr als fünf von 10.000 EU-Bürgern betreffen, zugelassen. Allein in diesem Jahr erhielten 13 neue Orphan Drugs das „Go“ der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Darunter ist beispielsweise das allererste und einzige Mittel gegen die Spinale Muskelatrophie (SMA), eine vererbbare Nervenerkrankung und die häufigste genetisch bedingte Todesursache bei Kleinkindern und Säuglingen; oder ein Medikament gegen eine bestimmte Form der Leukämie, bei der Therapieoptionen immer noch begrenzt sind.

Zurückzuführen ist die Zunahme an Orphan Drugs in der EU vor allem auf eine Verordnung aus dem Jahr 2000: Sie sollte Anreize für die Pharmaunternehmen zur Entwicklung von Medikamenten für hochkomplexe Krankheitsbilder mit geringen Patientenzahlen schaffen. Das hatte Erfolg: Noch nie gab es so viele Arzneimittel für Patienten mit seltenen Erkrankungen wie heute.

Doch damit steigen auch die Sorgen, ob dieser Fortschritt auf Dauer finanzierbar bleibt. Ein Blick in die USA, wo es eine ähnliche Orphan Drug-Regelung schon seit 1983 gibt, beruhigt: Trotz des enormen Anstiegs an Medikamenten für seltene Leiden, ist ihr Anteil an den Gesamtausgaben für Arzneimittel nur moderat gewachsen – nämlich von ca. drei Prozent in 1993 auf acht Prozent in 2016. In Deutschland lag der Anteil der Orphan Drugs an den gesamten Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergangenes Jahr bei 3,7 Prozent.

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