Das System der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel hat noch viel zu lernen. Sonst bleiben die Patienten auf der Strecke. Foto: ©iStock.com/2017 Robert Gerhardt (RGtimeline)
Das System der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel hat noch viel zu lernen. Sonst bleiben die Patienten auf der Strecke. Foto: ©iStock.com/2017 Robert Gerhardt (RGtimeline)

Hightech-Medikamente bahnen neue Wege in der Medizin

Biopharmazeutika, gentechnisch hergestellte Medikamente, verhindern als Impfstoffe Krankheiten, sie revolutionieren als innovative Wirkstoffe deren Behandlung und sie tragen als kostengünstigere Biosimilars zur Bezahlbarkeit des Gesundheitswesens bei. Diese Hightech-Medikamente sind wirkungsvolle Waffen im Kampf gegen schwere Krankheiten. Ihre Erforschung, Entwicklung und Herstellung erfordert besondere Fähigkeiten und Expertise.

Impfstoffe bieten viel Gesundheit für wenig Geld: Der Standard-Impfschutz kostet für Männer jährlich 20 und für Frauen 23 Euro. Insgesamt betragen die Aufwendungen für Impfungen nur 0,7 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland. Das ist gut investiertes Geld: Denn außer den Vorteilen für den Einzelnen haben Impfstoffe auch einen Wert für die Gesellschaft: Sie verhindern Folgekomplikationen, vermeiden Fehlzeiten und leisten damit einen wichtigen Beitrag, damit Menschen aktiv und produktiv sein können.

Es geht also nicht nur um gesunde Menschen, sondern auch um eine gesunde Wirtschaft. Das bekannteste Beispiel ist Influenza: Grippewellen verursachen in Deutschland jährlich zwischen einer und fünf Millionen zusätzliche Arztbesuche und etwa 5.000 bis 20.000 zusätzliche Krankenhauseinweisungen.

Die Idee einer Impfung ist einfach: Sie soll dem Körper helfen, sich zu wehren. Dieses Vorhaben sachgerecht und sicher umzusetzen, ist hingegen alles andere als einfach: Die Herstellung von Impfstoffen kann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Denn das Verfahren ist kompliziert und Impfstoffe unterliegen besonderen Qualitätskontrollen.

Dadurch entstehen lange Vorlaufzeiten, die es in der Regel nicht möglich machen, kurzfristig Ersatz zu beschaffen. Die gesamte Produktionsdauer eines Grippeimpfstoffs etwa beträgt ungefähr ein halbes Jahr. Die Saison ist dann fast vorbei, bis ein Impfstoff erneut zur Verfügung steht.

Biopharmazeutika revolutionieren Behandlungen

Biopharmazeutika haben die Behandlung schwerer und komplexer Krankheiten revolutioniert. Seit der ersten Zulassung eines Biopharmazeutikums im Jahr 1982, einem rekombinanten Insulin, wurde die Liste immer länger. Heute werden unter anderem Rheuma, Blutarmut, Multiple Sklerose, Knochenschwund, Diabetes, Stoffwechsel- und Gerinnungsstörungen sowie Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis und Psoriasis damit behandelt. Besonders spektakulär sind die Erfolge der neuen Wirkstoffe in der Immunonkologie, wo sie gegen unterschiedlichste Krebsarten eingesetzt werden. Auch zahlreiche Impfstoffe, unter anderem gegen Gebärmutterhalskrebs und Hepatitis B, basieren auf biopharmazeutischen Verfahren.

 

Diese Wirkstoffe bringen großen Nutzen für Patienten und eröffnen Ärzten mehr Möglichkeiten. Dadurch erhöht sich die Überlebenszeit und Lebensqualität der Betroffenen deutlich. In der Onkologie und der Immunologie etwa erschlossen sich so völlig neue Therapieoptionen. Biopharmazeutika werden in der Medizin immer wichtiger. Ihr Anteil bei den Arzneimittelzulassungen in Deutschland lag 2016 bei einem Rekordwert von 37 Prozent. In den letzten zehn Jahren wurden 19 Biopharmazeutika allein in der Krebsbehandlung zugelassen – über die Hälfte davon 2015 und 2016. Und die Forschung läuft weiter auf Hochtouren: Insgesamt sind 636 biopharmazeutische Projekte in der klinischen Entwicklung.

Biopharmazeutika als Hightech-Medikamente haben ihren Preis – der finanzierbar ist. Die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen für Medikamente gegen Krebs – die zweithäufigste Todesursache – sind in den letzten fünf Jahren nur sehr moderat gewachsen. Sie liegen im Moment bei ca. 13 Prozent der gesamten Arzneimittelausgaben. Und auch für den Wirtschaftsstandort ist die medizinische Biotechnologie ein Gewinn: Die Zahl der Beschäftigten stieg 2016 gegenüber 2015 um mehr als 3.300 (8,1 %) auf gut 44.100, die meisten davon hoch qualifiziert.

Biosimilars – ein Beitrag zur Nachhaltigkeit

Seit etwa zehn Jahren gibt es mit sogenannten „Biosimilars“ günstigere Nachahmerpräparate biopharmazeutischer Originalmedikamente nach deren Patentablauf. Das Prinzip ist also das gleiche wie bei den Generika. Dennoch sind Biosimilars keine Generika. In der gentechnischen Produktion entstehen Wirkstoffe nämlich nicht durch chemische Synthese (wie bei den klassischen Generika), sondern werden von lebenden Organismen wie Bakterien, Pilzen oder Säugetierzellen hergestellt.

Wegen dieser Methode sind Original und Biosimilar nie zu hundert Prozent identisch. Biosimilars unterliegen daher einem deutlich umfangreicheren und strengeren Zulassungsverfahren als klassische Generika. Die EU ist dabei mit ihren klaren Vorgaben zur Entwicklung und Zulassung dieser Wirkstoffe weltweit führend. Nach Expertenschätzungen liegt im Einsatz von Biosimilars ein Einsparvolumen von mehreren Milliarden Euro. Sie tragen also zur nachhaltigen Bezahlbarkeit des Gesundheitssystems bei.

Bei der Entscheidung, ob das Original oder ein Biosimilar verordnet wird, müssen der medizinische Nutzen für den Patienten und seine Sicherheit Entscheidungskriterium sein. Denn die geringfügigen herstellungsbedingten Abweichungen führen im Einzelfall zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Verträglichkeit und Wirksamkeit. Deshalb entscheidet immer der Arzt über den Einsatz von Biosimilars.

Der Produktlebenszyklus der pharmazeutischen Industrie gilt also auch hier: Auslaufende Patente führen zur Entwicklung günstigerer Nachahmerprodukte. Diese entlasten die Budgets im Gesundheitswesen und schaffen damit finanziellen Spielraum für neue, für innovative Medikamente.

Dieser Artikel erschien am 26.08.2017 im Rahmen einer zwölfseitigen Sonderbeilage in der Abonnenten-Auflage des FOCUS. Die gesamte Ausgabe mit dem Titel „Medizinische Grenzen überwinden – Fortschritt durch Forschung: So arbeitet die Pharmaindustrie“ finden Sie hier.

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