In einer Publikation hat ein deutsches Wissenschaftler-Team dargelegt  wie sich Impfverhalten psychologisch erklären  messen und verändern lässt. ©iStock.com/Rallef
In einer Publikation hat ein deutsches Wissenschaftler-Team dargelegt wie sich Impfverhalten psychologisch erklären messen und verändern lässt. ©iStock.com/Rallef

Vier ist mehr als Drei

Bis zu 388.000 Arztbesuche könnten pro Saison durch den Einsatz von quadrivalenten Impfstoffen verhindert werden, die sich gegen vier statt der bisher üblichen drei Virenstämme richten. Das ergibt sich aus der wissenschaftlichen Begründung der Ständigen Impfkommission (STIKO). Sie hat deshalb ihre Empfehlungen aktualisiert und sich klar für den Impfstoff mit dem breiteren Ansatz entschieden.

Darüber gab es lange Streit: Schützt ein quadrivalenter Grippeimpfstoff, dessen Zusammensetzung sich gegen vier statt der bisher üblichen drei Virenstämme richtet, besser gegen die Influenza? Um die Frage wissenschaftlich zu beantworten, wurden Daten aus zehn vergangenen Grippesaisons herangezogen.

Es ist eine Frage, die sich nur auf den ersten Blick einfach beantworten lässt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) legt jedes Jahr fest, welche Virenstämme im Impfstoff enthalten sein müssen – und das waren bisher immer drei. Seit Februar 2013 allerdings empfiehlt sie einen weiteren Stamm (aus der Influenzavirus B-Linie), hält sich aber aus der Entscheidung, ob drei- oder vierfache Impfstoffe die bessere Lösung sind, heraus. Das sollen die Verantwortlichen in den Ländern selbst entscheiden.

In einer Grippesaison zirkulieren meist verschiedene Virusstämme. Es sind dies seit Jahrzehnten die Influenza A-Virus-Subtypen A/H3N2 und A/H1N1 sowie Influenza B-Viren in unterschiedlicher Zusammensetzung. Üblich ist, dass der A-Virus-Subtyp als dominantes Virus auftritt und damit für den höheren Anteil an Erkrankungen sorgt – und seltener ein Influenza B-Virus. Weil Influenza-Viren sich ständig verändern – Wissenschaftler nennen das „große genetische Variabilität“ – hat die Festlegung der Virenstämme immer auch etwas von einem Blick in die Glaskugel. „Die Vorhersage, welche Influenzavirus-Stämme in der kommenden Saison tatsächlich zirkulieren werden, ist mit Unsicherheiten behaftet. Dies betrifft auch die Frage, welche der beiden Influenzavirus B-Linien im TIV [gemeint ist: trivalenter/dreifacher Impfstoff] enthalten sein soll“, ist im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts nachzulesen.

Es dreht sich also alles um zwei Fragen:

  • Welche der beiden Influenza B-Linien (Victoria- oder Yamagata-Linie) zirkuliert – und ist der entsprechende Virusstamm auch im aktuellen Impfstoff enthalten? Denn ein trivalenter Impfstoff enthält immer zwei A-Stämme, aber nur einen B-Stamm.
  • Wie dominant ist das Influenza B-Virus? Denn der Anteil der Erkrankungsfälle durch Influenza B-Viren schwankt im Untersuchungszeitraum zwischen 0 und 67 Prozent. Es gibt also Grippesaisons, in denen das B-Virus gar keine (z.B. in 2003/04) oder eine erhebliche Rolle spielt, wie in den Jahren 2005/06 oder 2015/16.

Und noch ein Fakt erschwert die Evaluierung: die so genannte Kreuzprotektion. Es gibt Hinweise darauf, dass ein trivalenter Grippeimpfstoff auch gegen Stämme wirken kann, die er gar nicht enthält. Doch die Datenlage ist unklar. Die STIKO schreibt dazu lediglich, dass zumindest eine partielle Kreuzprotektion existiert – diese aber nicht quantifiziert werden kann.

STIKO: Klare Empfehlung für den neuen Grippeimpfstoff

Dies alles haben die Wissenschaftler in eine Modellrechnung gepackt. Und sie kommen damit zu dem Schluss, dass trotz der niedrigen Impfquoten in Deutschland pro Saison durchschnittlich ca. 182.000 Arztbesuche durch den Einsatz von quadrivalenten Impfstoffen verhindert werden könnten – wenn man davon ausgeht, dass der trivalente Impfstoff auch einen gewissen Schutz vor nicht enthaltenen Impfstämmen bietet. Sollte es diese Kreuzprotektion nicht geben, können es sogar 388.000 Arztbesuche weniger sein. Es ist eine Durchschnittsbetrachtung, denn die Werte schwanken von Saison zu Saison sehr stark.

Deshalb hat sich die STIKO nach langen Diskussionen entschieden; sie „empfiehlt für die Impfung gegen saisonale Influenza einen quadrivalenten Influenzaimpfstoff mit aktueller, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlener Antigenkombination. Diese Empfehlung gilt für alle Personen, für die die saisonale Influenzaimpfung von der STIKO empfohlen wird.“ Sie verweist zusätzlich darauf, dass eine Steigerung der Impfquoten gegen Influenza in Deutschland dringend notwendig ist. Und schreibt Forschern und Industrie ins Stammbuch: „Ebenso muss die Forschung zur Entwicklung besserer und breiter wirksamer Impfstoffe weiter vorangetrieben werden.“

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