Alzheimer: Die Wirkprinzipien  die momentan von forschenden Pharmaunternehmen verfolgt werden  sind „plausibel  sinnvoll und durchaus erfolgsversprechend"  so Prof. Dr. Georg Adler. Foto: CC0 (Stencil)
Alzheimer: Die Wirkprinzipien die momentan von forschenden Pharmaunternehmen verfolgt werden sind „plausibel sinnvoll und durchaus erfolgsversprechend" so Prof. Dr. Georg Adler. Foto: CC0 (Stencil)

„Der Hauptfeind ist die Erkrankung“

Prof. Dr. Georg Adler ist Vorstandsvorsitzender der Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz und leitet das Institut für Studien zur Psychischen Gesundheit (ISPG) in Mannheim. Der Psychiater und Psychotherapeut kennt daher die wissenschaftlichen und klinischen Herausforderungen bei der Erforschung der Alzheimer-Erkrankung nur zu gut. Im Pharma Fakten-Interview spricht er darüber. Die Wirkprinzipien, die momentan von forschenden Pharmaunternehmen verfolgt werden, hält er für „plausibel, sinnvoll und durchaus erfolgsversprechend.“

Wie erleben die Patienten die Anforderungen, die ihnen als Teilnehmer klinischer Alzheimer-Studien gestellt werden?

Prof. Dr. Georg Adler: Tatsächlich handelt es sich um erhebliche Anforderungen und Belastungen. Allerdings erlebe ich den Umgang der Patienten damit als relativ positiv: Es ist ja so, dass die Patienten, die zu einer Vorsorge-Untersuchung kommen oder die sich gar einem Screening für eine Therapie-Studie unterziehen, sich schon ernsthaft Sorgen machen. Und für sie ist das eine Art des proaktiven Umgangs mit der Erkrankung. Außerdem sind die Vorsorgeuntersuchungs- und Screening-Prozeduren der Therapie-Studien im Allgemeinen für sie einleuchtend, wenn wir ihre Fragen beantwortet haben. Natürlich schauen die Patienten den Ergebnissen der Untersuchungen mit Bangen entgegen; aber dennoch ist das der den Patienten gut vermittelbare, sinnvolle Umgang mit dieser Erkrankung. Schließlich ist der Hauptfeind die Erkrankung – und nicht die Therapie-Studie.

Wie gehen Patienten damit um, dass sie in der Studie eventuell nur ein Placebo erhalten?

Adler: Das ist natürlich eine zusätzliche Belastung. Die Patienten haben dafür aber schon Verständnis: Schließlich muss man irgendwie herausfinden, ob der Arzneimittelkandidat wirkt oder nicht. Außerdem wird den Patienten in der Regel die Teilnahme an einer „Open Label Extension“-Fortführung der Studie in Aussicht gestellt. Hier haben dann nach der doppelblind-placebo-kontrollierten Phase alle Teilnehmer die Möglichkeit mit Verum behandelt zu werden. Man kann den Patienten also vor dem Beginn einer Studie sagen: „Sie werden Verum kriegen, entweder jetzt – oder in 18 Monaten. Auf jeden Fall ist das der kürzeste Weg, um an ein Medikament mit einer Wirkchance zu kommen.“ Das versüßt die etwas bittere Placebo-Pille.

Aus welchen Beweggründen nehmen Patienten an klinischen Studien teil?

Adler: Das Hauptmotiv für die Teilnahme an Therapie-Studien ist die Hoffnung auf den individuellen Nutzen der Behandlung. Denn die Patienten, die ein Problem haben oder glauben, ein Problem zu haben, machen sich ernsthaft Sorgen – und möchten alles tun, was die Chance birgt, die Erkrankung hinauszuzögern oder gar aufzuhalten. Erst nachgeordnet spielt die altruistische Motivation, also die Teilnahme an der Studie für den übergeordneten Zweck der Forschung, eine Rolle.

Die Mehrzahl der klinischen Studien bei Alzheimer ist bis heute gescheitert. Heilbar ist die Erkrankung bislang nicht. Sehen Sie dennoch Licht am Ende des Tunnels?

Adler: Ja. Es ist ja nun wirklich nicht alles gescheitert. Wir haben zugelassene, wirksame Medikamente, die symptomatisch wirken und den Verlauf der Erkrankung im Mittel tatsächlich um etwa ein Jahr zurückdrehen. Diese sind aber, weil sie seiner Zeit als Originalpräparate sehr teuer waren, von kostenmotivierten Institutionen systematisch schlecht geredet worden. Das führt immer noch dazu, dass von diesen bestehenden Behandlungsoptionen zu wenig Gebrauch gemacht wird.

Nichtsdestotrotz wirken diese nur symptomatisch und behandeln nicht die Ursachen der Erkrankung. Wie sieht es mit krankheitsmodifizierenden Therapien aus?

Adler: Therapien zu entwickeln, mit denen man ursächlich den der Erkrankung zu Grunde liegenden biologischen Prozess beeinflussen will, ist methodisch unglaublich schwierig. Denn es handelt sich bei der Erkrankung um ein recht heterogenes Geschehen – mit großen individuellen Unterschieden bei den Patientengruppen hinsichtlich der Progression der Erkrankung, der Ausgangsintelligenz, Begleiterkrankungen und so weiter. In so einer heterogenen Lage muss schon etwas richtig gut wirken, damit man in einer Therapie-Studie auch bei Hunderten von Patienten ein Signal sieht. Daher ist es extrem schwierig, in einer großen Studie die Wirksamkeit einer Substanz nachzuweisen.

Was bedeutet das genau?

Adler: Das heißt: Nur, weil man in einer großen Studie kein Signal sieht, spricht das nicht grundsätzlich gegen die Wirksamkeit der verwendeten Substanzen. Ich bin persönlich überzeugt davon, dass so manche Substanz, die in der Vergangenheit als unwirksam abgelegt worden ist und nicht weiter verfolgt wurde, sehr wohl wirksam war. Und: Im Bereich der krankheitsmodifizierenden Therapien halte ich die Wirkprinzipien, die im Moment verfolgt werden, wie zum Beispiel monoklonale Antikörper gegen Beta-Amyloid oder Beta-Sekretase-Hemmer, für plausibel, sinnvoll und durchaus erfolgsversprechend.

Weiterführende Links:

http://www.ispg-mannheim.de/ 

http://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/portal/fep/de/dt.jsp 

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