Europäischer Depressionstag (1.10.): 50 Millionen Menschen in Europa leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter einer Depression. Foto: CC0 (Stencil)
Europäischer Depressionstag (1.10.): 50 Millionen Menschen in Europa leiden mindestens einmal in ihrem Leben unter einer Depression. Foto: CC0 (Stencil)

Die Life Sciences-Branche und die Industrie 4.0

„Mit Beginn der vierten industriellen Revolution steht der Life-Sciences-Sektor vor einem tiefgreifenden technologischen Wandel“, so die internationale Beratungsfirma Deloitte. Sie hat eine Studie veröffentlicht, die einen Ausblick auf die Trends der Branche im Jahr 2018 gibt. Dabei spielt vor allem die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung eine große Rolle – um den aktuellen und künftigen Herausforderungen des Gesundheitswesens Stand halten zu können.

Die Gesundheitsausgaben werden weiterwachsen. Deloitte rechnet weltweit mit einem Anstieg von sieben Billionen (2015) auf 8,7 Billionen (2020) US-Dollar. Warum das so ist, ist einfach erklärt: Die Menschen werden durch die verbesserte medizinische Versorgung immer älter; Schätzungen zu Folge wird die Lebenserwartung im Jahr 2021 bei 74,1 Jahren liegen. „Der Anteil der Über-65-Jährigen wächst auf global 11,5 Prozent“, erklärt Dr. Sebastian Krolop von Deloitte.

Er führt aus: „Zudem spielen – meistens chronische – Zivilisations- und Alterskrankheiten eine zunehmende Rolle: Alle drei Sekunden erkrankt ein Mensch durchschnittlich an Demenz, schon heute kostet die Behandlung der Krankheit und ihrer Folgen weltweit Billionen.“ Ähnliches gilt für Diabetes: Anstatt der aktuell knapp über 400 Millionen Menschen sollen in rund zwei Jahrzehnten bereits 642 Millionen betroffen sein. Daher gilt: „Das Gesundheitswesen muss smarter werden, um den aktuellen und künftigen Anforderungen zu genügen“, wie Deloitte resümiert.

Industrie 4.0: den Wandel annehmen, gestalten, wachsen

Das gilt insbesondere auch für die Life Sciences-Branche. In den kommenden Jahren wird das wichtigste therapeutische Gebiet die Onkologie sein, gefolgt von Diabetes und der Rheumatologie. Aber auch Orphan Drugs, also Medikamente gegen seltene Erkrankungen, werden eine immer größere Rolle spielen. Deloitte schätzt, dass die Ausgaben für die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente bis 2022 jedes Jahr um 2,4 Prozent steigen werden.

Angesichts einer vierten industriellen Revolution* ist es vor allem Aufgabe der Unternehmen, „die exponentiell voranschreitenden technologischen Veränderungen anzunehmen und ihre Geschäfts- und Forschungstätigkeit, Innovationsfähigkeit sowie die Herstellung und den Vertrieb von Produkten entsprechend anzupassen und umzugestalten“, schreibt Deloitte. Die Beratungsfirma hat in der Studie „2018 Global life sciences outlook“ mehrere „Problemstellungen“ identifiziert, mit denen sich der Life Sciences-Sektor in diesem Jahr (und darüber hinaus) auseinandersetzen muss.

Der Patient im Fokus

Im Zentrum stehen dabei die zunehmende Digitalisierung, innovative Technologien – und das Stichwort „Effizienzsteigerung“. So verkürzen etwa Technologien für die kontinuierliche Fertigung oder die robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) Produktionszeiten. Dies wirkt „sich vorteilhaft für die Patienten und die Produktivität klinischer Studien aus“, ist sich Deloitte sicher. 

Allerdings führen die Innovationen zu immer größeren Daten-Bergen – auch aus dem Bereich der alltäglichen Versorgung („Real World Data“). Notwendig sind daher Cloud-Lösungen und Big Data-Technologien, um der vielen Informationen Herr zu werden. Auch ermöglicht es der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Datenauswertung, die Arzneimittelforschung zu optimieren. „3D-Druck und Gentherapie könnten in der Branche zu disruptiven Veränderungen führen, da sie eine gezielte, personalisierte Behandlung von Patienten ermöglichen, unter anderem mit den neu zugelassenen CAR-T-Therapien.“

Letztendlich ist es vor allem der Patient, der von dem Wandel in der Life Sciences-Branche profitieren soll. Ein Hindernis könnte jedoch ein mangelndes Vertrauen in die Unternehmen sein. So haben laut einer Deloitte-Befragung über drei Viertel der Patienten ein „hohes“ oder zumindest „etwas“ Vertrauen in Gesundheitsapps, die von Patientengruppen entwickelt wurden. Bezogen auf die Apps von Pharmafirmen sagten das nur noch 32 Prozent. Mehr und mehr binden die Unternehmen nun Patientenvertreter aktiv in den Prozess der Arzneimittelentwicklung ein, heißt es in der Studie. Außerdem sei es notwendig, mit den Erkrankten und den Vertretungen intensiver zu interagieren.

Zusammenarbeit neu denken

Aufgrund der vielen innovativen Technologien wird das Jahr 2018 für die Life Sciences-Branche „von hohen Erwartungen der Regulierungsbehörden an die Datenqualität und -integrität gekennzeichnet sein“, meint Deloitte. Unternehmen werden daher zunehmend versuchen, bestehendes Silodenken zu überwinden und Wissen über die verschiedenen Abteilungen und Therapiegebiete hinweg zu verbreiten. Unterstützt wird dieses Vorhaben von einer Organisationsstruktur, die künftig noch vernetzter, dezentraler und kollaborativer ist.

Das gilt nicht nur für die Arbeit innerhalb der einzelnen Unternehmen. Auch nach außen hin öffnet sich die Branche laut der Studie immer mehr: So geht sie schon seit längerem Partnerschaften mit Technologie-Firmen ein, um die Digitalisierung voranzutreiben. Aber sie verbündet sich für die Forschung und Entwicklung auch mit staatlichen oder wissenschaftlichen Institutionen. Außerdem rät Deloitte bei den Prozessen der Zulassung und Produktentwicklung zu Partnerschaften mit den Regulierungsbehörden. 

In einer neuen Welt

Von menschlichem Fehlverhalten einmal abgesehen, birgt die digitale Vernetzung Cyberrisiken – seien es Datenverluste, -fälschungen oder ähnliches. Im Sinne aller Akteure gilt es, Meldungen zu Sicherheitsproblemen ernst zu nehmen. Und: „Zukunftsorientierte Führungskräfte müssen sich bereits jetzt die Frage stellen, wie sie mit möglichen ethischen Herausforderungen in einer von Maschinen dominierten Welt umgehen“, fügt Deloitte hinzu.

Zwar werden neue politische Rahmenbedingungen – wie die Steuerreform in den USA –, Preisdruck und das Thema Marktzugang die Life Sciences-Branche auch in Zukunft intensiv beschäftigen. Die Unternehmen müssen sich in den kommenden Jahren jedoch einer Vielzahl an neuen Herausforderungen stellen, wollen sie den Anschluss nicht verlieren. Denn die Life Sciences-Branche steckt laut Deloitte schon mitten drin: in der vierten industriellen Revolution. 

Ob künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Gentherapie, vernetzte Systeme, oder Apps: Innovative Technologien bieten die Chance, auf den demografischen Wandel und seine Folgen für das Gesundheitswesen zu reagieren. Letztendlich ist entscheidend, wie diese Instrumente genutzt werden – um die Entwicklung von Arzneimitteln effektiver und die Medikamente personalisierter, besser und zielgerichteter zu machen.

Industrie 4.0 meint die Verzahnung der Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik auf Basis der zunehmenden Digitalisierung.

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