Bevor ein Medikament auf den Markt kommt, durchläuft es drei Studienphasen (I, II, III), in denen es klinisch erprobt und auf sein Nutzen-Risiko-Verhältnis getestet wird. Erst, wenn die Ergebnisse aus allen drei Phasen vorliegen, kann der Hersteller normalerweise die Zulassung des Arzneimittels bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beantragen. Von der Idee für eine neue Therapie bis hin zum zugelassenen Präparat vergehen meist über 13 Jahre. Für Patienten mit schweren Erkrankungen ohne geeignete Therapieoption ist das lang – oft zu lang. Wer schwer krank ist, hat wenig Zeit.
Engmaschige Kontrolle des Nutzen-Risiko-Verhältnisses
In bestimmten Fällen, in denen der medizinische Bedarf groß ist und Therapieoptionen Mangelware sind, greift deshalb das Instrument der Conditional Approvals: Die EMA erteilt dann eine Zulassung bereits nach Beendigung der Phase II-Studien. Dies macht sie aber nur, wenn der Nutzen, der durch die beschleunigte Zulassung geschaffen wird, größer ist als das Risiko, das mit unzureichenden Studiendaten einhergeht. Eine bedingte Zulassung gilt für zwölf Monate – und ist an gewisse Auflagen geknüpft. So muss das jeweilige Pharmaunternehmen etwa weitere Studiendaten nachreichen. Dies wird jedes Jahr vom Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) geprüft. Davon abhängig kann das Conditional Approval zurückgezogen, verlängert oder in eine reguläre Zulassung umgewandelt werden.
Pharmaunternehmen erfüllen Auflagen
Immer wieder kommt in der Öffentlichkeit der Vorwurf auf, Arzneimittelhersteller würden die Auflagen nicht (zeitgemäß) erfüllen. So kritisieren in diesem Zusammenhang etwa die Autoren des Arzneiverordnungs-Reports 2017 vom wissenschaftlichen AOK-Institut WIdO: „Daraus resultiert einerseits eine erhebliche Unsicherheit für Ärzte bei der Verordnung […] und andererseits bedeutet dies für Patienten, dass sie mit Arzneimitteln behandelt werden, deren klinischer Nutzen und Risiken weiterhin unklar sind“.
Die EMA hat die Verfahren rund um die bedingten Zulassungen daher genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Die Hersteller „kommen den spezifischen Verpflichtungen, die ihnen von der Behörde auferlegt wurden, nach.“ So wurde laut des Berichts in rund 70 Prozent aller untersuchten Fälle die geforderte Evidenz innerhalb des vorher festgelegten Zeitrahmens zur Verfügung gestellt. „Oft wurden die Daten über einen Monat früher als geplant eingereicht“, heißt es. Das zeigt: Fristüberschreitungen sind die Ausnahme – nicht die Regel.
Hinzu kommt: Alle Fristüberschreitungen, die die EMA registriert hat, wurden von den Pharmaunternehmen begründet – und vom CHMP abgenickt. Dies war etwa der Fall, wenn sich Studienteilnehmer nicht so schnell wie erhofft finden ließen. „Der Bericht zeigt, dass es im Durchschnitt vier Jahre dauerte, bis die zusätzlichen, notwendigen Daten erbracht waren und die bedingte Marktzulassung in eine reguläre umgewandelt werden konnte“, schreibt die EMA. Ihr Fazit lautet: „Patienten mit lebensbedrohlichen oder ernsthaft belastenden Erkrankungen haben also früher Zugang zu vielversprechenden Medikamenten.“
Keine Rücknahme eines Conditional Approval
Bislang musste noch kein einziges Conditional Approval zurückgenommen werden. Das „zeigt, dass die Experten der EU die betreffenden Medikamente von vorn herein gut einschätzen konnten“, schreibt dazu der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Und: Die EMA habe inzwischen in insgesamt 17 Fällen die reguläre Marktzulassung ausgesprochen (Stand: September 2017). Das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis hat sich somit bestätigt.
Die bedingte Marktzulassung ist ein „wichtiges Instrument, um einen frühzeitigen Zugang zu Medikamenten in Bereichen mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf sicherzustellen“, so die EMA. So konnten bereits Patienten mit bestimmten Krebsformen, mit multiresistenter Tuberkulose oder Kinder mit schwerer Epilepsie von der beschleunigten Zulassung innovativer Arzneimittel profitieren.