Sieben Jahre AMNOG – das heißt sieben Jahre Nutzenbewertung von neu auf den Markt gekommenen Arzneimitteln. Seit 2011 muss jedes neue Medikament in einem aufwändigen Prozess belegen, was es im Vergleich einer bereits vorhandenen Medikation kann. Ist es besser, gleich gut oder schlechter? Die Entscheidung ist Grundlage für die Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und dem entsprechenden Pharmaunternehmen.
Bis Ende 2017 durchliefen 186 neue Wirkstoffe in 277 Verfahren eine frühe Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). „Gestiegen ist […] der Anteil der Verfahren, die für onkologische Wirkstoffe (Erstbewertung und erneute Nutzenbewertung) durchgeführt wurden“, heißt es im AMNOG-Report. „Lag dieser 2014 und 2015 noch bei jeweils ca. 30 %, stieg dieser […] 2017 auf 57 % an.“ Für Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), ist das eine gute Nachricht: Die wachsende Zahl von Krebsmedikamenten zeige „die Vielzahl neuer therapeutischer Möglichkeiten für Patienten mit ganz unterschiedlichen Krankheitsverläufen“.
Arztinformationssystem: ein anspruchsvolles Vorhaben
Aber welche Bedeutung hat das AMNOG für den praktischen Alltag? Das Ergebnis der Nutzenbewertung hat „auch nach sieben Beobachtungsjahren nur begrenzten Einfluss auf die Marktentwicklung neuer Wirkstoffe“. Dies ist eine weitere Erkenntnis aus dem AMNOG-Report 2018. Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG), das im Mai 2017 in Kraft trat, hat dafür schon eine Lösung vorgegeben: die Entwicklung eines Arztinformationssystems (AIS), das die Informationen aus der frühen Nutzenbewertung den Ärzten in ihrer Praxissoftware zur Verfügung stellen soll. Als „anspruchsvolles Vorhaben“ bezeichnen Greiner und Witte das. „Wie wird dieses AIS eigentlich aussehen? Und da können wir […] nach wie vor sagen: Wir wissen es nicht genau“, erklärt letzterer. Denn: Die dafür notwendige Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit ist noch immer nicht erlassen worden. Witte sieht allerdings Tendenzen: „Jetzt wissen wir nur, dass der Gesetzgeber bislang vage auf eine reine Informationsabsicht hindeutet.“ Die Sorgen der Ärzteschaft, dass das AIS sie in ihrer Therapiefreiheit einschränkt und zur Verordnungskontrolle instrumentalisiert wird, könnte das zumindest mindern. Auch die pharmazeutische Industrie treibt die Sorge um, dass das AIS als weitere Kostenstellschraube missbraucht werden soll.
Die Frage bleibt jedoch, welche Informationen im AIS den Ärzten dargebracht werden? Sollen die Beschlüsse des G-BA einfach als PDF zur Verfügung gestellt werden? Oder aufbereitet werden? Und wenn ja, in welcher Form? Birgit Fischer etwa plädierte dafür, dem Arzt nicht nur die Hinweise aus dem G-BA, sondern auch die aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften zu geben. Er müsse ja zu einer Therapieentscheidung kommen „und da zählt nicht nur die eine Evidenz, sondern es zählt auch das, was es an Erfahrungswerten und Erkenntnissen gegeben hat, die inzwischen bei Fachgesellschaften aufgearbeitet worden sind“.
AIS braucht Evaluationsphase
In Sachen AIS ist noch lange kein Machtwort gesprochen. Und das wird wohl auch noch dauern. Es warten viele Herausforderungen, die noch zu lösen sind. Beispielsweise können sich Nutzenbewertungen im Laufe der Zeit verändern, gibt Witte den Hinweis. Wie damit umgehen? Laut der beiden Autoren des Reports sollte dem AIS „die Möglichkeit zur Entwicklung gegeben werden“. Und auch Andreas Storm von der DAK Gesundheit betonte bei der Veranstaltung: „Ich halte eine Evaluationsphase für zwingend.“ Ginge es nach ihm, würde das AIS nicht sofort flächendeckend eingeführt, sondern erst in einer Region ausprobiert und evaluiert. „Wenn dieser Zeitverlust eng begrenzt wird und verbunden ist mit einem Gewinn an Qualität und Akzeptanz in der Ärzteschaft, dann finde ich, ist es nahezu zwingend einen solchen Weg zu gehen.“