In Deutschland ist die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen  so das RKI. Und doch sind wir nur europäisches „Mittelfeld“. Foto: © iStock.com/LightFieldStudios
In Deutschland ist die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen so das RKI. Und doch sind wir nur europäisches „Mittelfeld“. Foto: © iStock.com/LightFieldStudios

Jetzt impfen: Start in die Grippesaison 2018/2019

Die Grippe-Saison 2018/2019 steht vor der Tür: Das Paul Ehrlich-Institut hat bereits 10,2 Millionen Dosen an Influenza-Impfstoffen freigegeben (Stand: 07.09.2018). Schaut man sich jedoch die niedrigen Impfraten der vergangenen Jahre an, kommt man zu dem Ergebnis: Die Influenza ist eine unterschätzte Infektionskrankheit. Dabei ist die Grippe-Impfung besser als ihr Ruf. „Mit keiner anderen Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten", betont Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut (RKI) vor dem Hintergrund des aktuell veröffentlichten Influenza-Saisonberichts 2017/2018. Die vergangene Grippewelle ist demnach „außergewöhnlich schwer“ gewesen.

Es ist nur knapp jeder Dritte: In der Altersgruppe 60 plus waren es zuletzt 34,8 Prozent, die sich gegen die saisonale Grippe haben impfen lassen. Das ist zu wenig: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Impfquote von 75 Prozent, damit aus einer Grippeinfektion keine Grippewelle wird. Deutschland liegt damit im Trend der meisten Industrieländer. In Europa schafft nur Schottland eine ausreichende Impfquote. Dabei gilt: Besonders bei Menschen im höheren Lebensalter und solchen, die an chronischen Krankheiten leiden, kann Influenza zu schweren Komplikationen führen. Influenza kann chronische Erkrankungen wie Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes verschlimmern.

Ein Hauptgrund für die Impfmüdigkeit dürfte sein: Die Grippe-Impfung hat den Ruf, nicht besonders effektiv zu sein. Und in der Tat kann die Effektivität von Jahr zu Jahr schwanken. Hintergrund ist, dass sich Influenza-Viren gerne verändern und ein Impfstoff durch die langen Produktionsprozesse dann nicht mehr angepasst werden kann. Bei einer guten Übereinstimmung zwischen Impfstoff und zirkulierenden Viren kann eine Grippeimpfung eine Schutzwirkung von 80 Prozent erreichen. Aber gerade bei älteren Menschen – ihr Immunsystem ist schwächer – liegt sie oft darunter. Das RKI aber betont: „Dennoch können auch ältere Menschen ihr Risiko, an einer Influenza zu erkranken, im Mittel durch die Impfung in etwa halbieren. Dies bedeutet bei einer Wirksamkeit von 41 bis 63 Prozent bei älteren Erwachsenen: Wenn im Laufe einer Influenzasaison von 100 ungeimpften älteren Erwachsenen 10 an Grippe erkranken, erkranken von 100 geimpften älteren Erwachsenen nur etwa 4 bis 6.“ Experten sind sich einig: Auch ein geringere Schutzwirkung ist besser als gar kein Schutz.

Dieses Jahr neu: Die Empfehlung für quadrivalente Impfstoffe

Für die anstehende Grippe-Saison gilt ein neuer medizinischer Standard: Erstmals wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) die Immunisierung mit einem Impfstoff empfohlen, der gegen vier Virenstämme wirkt. Er enthält neben der klassischen trivalenten Version (Bestandteile von zwei Subtypen des Influenza A-Virus und eines B-Virus) einen zweiten B-Stamm. „Quadrivalente Influenzaimpfstoffe bieten in Saisons, in denen Influenzaviren der nicht in trivalenten Impfstoffen enthaltenen Influenza B-Viruslinie [ko-]zirkulieren, einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung als trivalente Impfstoffe“, begründet das RKI die Entscheidung. 

Die Stärke der Grippewellen schwankt von Jahr zu Jahr erheblich: Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland etwa 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung. Das entspricht etwa 4 bis 16 Mio. Menschen. Die vergangene Saison 2017/2017 war laut RKI „außergewöhnlich schwer“. Dies zeigt der aktuelle Influenza-Saisonbericht. Demnach gab es geschätzte neun Millionen Influenza-bedingte Arztbesuche. Das sind zwei Millionen mehr als in den ebenfalls starken Grippesaisons 2012/13 und 2014/15. Auch gab es vergangenes Jahr einige Todesfälle – die Experten sprechen von einer Influenza-assoziierten Übersterblichkeit: Das zeigen zumindest erste Daten für Berlin. Die hier geschätzten 1.100 zusätzlichen Todesfälle „übertreffen die bereits hohen Schätzwerte für die Saison 2016/17“, heißt es. Zum Vergleich: In einer milden Saison, wie sie in Deutschland im Jahresübergang 2013/2014 vorkam, gab es 780.000 Influenza-bedingten Arztbesuche ; durch die Influenza verursachte Todesfälle konnten nicht nachgewiesen werden.

Vorhersagen über die mögliche Schwere einer Grippesaison sind schwierig – auch deshalb sollte die jährliche Impfung gerade in den Risikogruppen zum Standard gehören. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt sie für

  • alle Personen ab 60 Jahre
  • Schwangere in der Regel ab dem zweiten Trimenon
  • Menschen, die aufgrund von Grunderkrankungen und/oder chronischen Leiden gesundheitlich besonders gefährdet sind (z. B. Diabetiker)
  • alle Bewohner von Alters- und Pflegeheimen
  • Personen, die mit ihnen lebende Risikogruppen durch eine Infektion gefährden können (z. B. Menschen mit einer Immundefizienz)
  • medizinisches Personal.

Auch auf europäischer Ebene hat man das Problem niedriger Impfquoten erkannt: Deshalb wurde in diesem Jahr das „EU Manifesto on Influenza Vaccination“ aus der Taufe gehoben. Die Initiatoren und Unterzeichner des Manifests – ein Gremium aus medizinischen Experten, Patientenvertretern und politischen Entscheidungsträgern – fordern „mehr Maßnahmen zur Erhöhung der saisonalen Influenza-Durchimpfungsraten in Europa, um die Belastungen durch diese Krankheit zu verringern und somit die Gesundheit und Lebensqualität der Bürger zu verbessern.“  Zur Begründung verweist das Manifest nicht nur auf die vielen Todesfälle und die wirtschaftliche Belastung durch diese „lebensbedrohliche Krankheit“, sondern auch auf Faktoren, die in der öffentlichen Diskussion oft untergehen – etwa die „Schlüsselrolle der Grippeimpfung bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen.“ Denn weniger Grippefälle würden auch dazu führen, dass die Ärzte weniger Antibiotika verschreiben, wenn es zum Beispiel in Folge der Influenza-Infektion zu einer bakteriell verursachten Lungenentzündung kommt.

Doch am Ende muss es jeder selbst entscheiden, ob er sich gegen eine Infektionskrankheit schützt, die oft als Erkältung verharmlost wird. Aber vielleicht dient ja eine Studie aus Spanien als Motivationshilfe: Sie konnte zeigen, dass regelmäßiges, jährliches Impfen belohnt wird. Offenbar sind gerade „Wiederholungstäter“ besonders geschützt: Wer über Jahre wiederholt zur Grippeimpfung geht, kann mit weniger schweren Krankheitsverläufen und weniger Krankenhausaufenthalten rechnen. 

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