Über ein Drittel aller Krebsfälle geht auf vermeidbare Risikofaktoren zurück. Doch effektive Vorbeugung hat es schwer  wenn Unwissen über Erkrankungsursachen herrscht. Foto: CC0 (Stencil)
Über ein Drittel aller Krebsfälle geht auf vermeidbare Risikofaktoren zurück. Doch effektive Vorbeugung hat es schwer wenn Unwissen über Erkrankungsursachen herrscht. Foto: CC0 (Stencil)

Krebsprävention: Bleibt ihr großes Potential ungenutzt?

Krebs verbreitet Furcht und Schrecken. Laut einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung der Krankenkasse DAK-Gesundheit haben 68 Prozent der Deutschen in Bezug auf Krankheiten am meisten Angst vor einem bösartigen Tumor. Dabei wären über ein Drittel aller Neuerkrankungen vermeidbar – würde das Potenzial der Prävention voll ausgeschöpft. Doch effektive Vorbeugung hat es schwer, solange das Wissen über die Ursachen von Krebs in der Bevölkerung gering ist.

Dass Rauchen nicht gesund ist, ist nichts Neues. Erschreckend ist dennoch die Zahl an Krebsneuerkrankungen, die auf diesen Risikofaktor zurückgehen: Laut der Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) sind es schätzungsweise über 85.000 in diesem Jahr. Das sind fast 20 Prozent von den vom DKFZ für 2018 insgesamt erwarteten 440.000 Krebsfällen bei Personen im Alter von 35 bis 84 Jahren (s. Grafik). Andere vermeidbare Risikofaktoren wie ungesunde Ernährungsgewohnheiten (7,8 %), Übergewicht (6,9 %) und Bewegungsmangel (6,1 %) sind für einen zusätzlichen hohen Anteil an den Neuerkrankungen verantwortlich. Insgesamt gehen laut der Wissenschaftler 37,4 Prozent aller Neuerkrankungen auf vermeidbare Ursachen zurück – vermutlich sogar mehr. Schließlich sind in vielen Fällen die Zusammenhänge zu einzelnen Risikofaktoren noch nicht belegt; manche wurden aufgrund eines Datenmangels nicht berücksichtigt.

„Wir könnten weit über ein Drittel aller Krebsneuerkrankungen vermeiden, würden wir das Potenzial der Krebsprävention voll ausschöpfen. Das würde nicht nur Zehntausenden das Leben retten, sondern darüber hinaus noch deutlich mehr Menschen das Schicksal einer schweren Erkrankung und die damit verbundenen Belastungen ersparen“, fasst Michael Baumann vom DKFZ zusammen.

Voraussetzung gezielter Prävention? Wissen!

Allerdings: Effektive Vorbeugung hat es schwer, wenn die Menschen die Risikofaktoren nicht kennen – oder sich Unwahrheiten in der Bevölkerung breitmachen. Die Studie “Prevalence of beliefs about actual and mythical causes of cancer […]” auf Basis einer repräsentativen britischen Umfrage zeigt: Fast die Hälfte der tatsächlichen Krebsrisikofaktoren identifizierten die über 1.300 Teilnehmer nicht als solche. Hinzu kam ein starker Glaube an „Mythen“: Nur 36 Prozent der wissenschaftlich nicht belegten Risikofaktoren konnten die Befragten als „mythisch“ entlarven.

Laut DKFZ erkranken durch das Rauchen jährlich 85.000 Menschen in Deutschland, Foto: CC0 (Stencil)
Laut DKFZ erkranken durch das Rauchen jährlich 85.000 Menschen in Deutschland, Foto: CC0 (Stencil)

Die gute Nachricht: Die große Mehrheit (88 %) identifizierte aktives Rauchen als Krebsrisikofaktor; 80 Prozent sagten dies auch über passives Rauchen. Doch nur 30 Prozent wussten zum Beispiel um den Zusammenhang von Tumoren und einer Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV). Dabei kann eine HPV-Impfung vor Gebärmutterhalskrebs und seinen Vorstufen schützen, wie eine Analyse der Cochrane Library – ein die evidenzbasierte Medizin unterstützendes Informationsportal – bestätigte. Doch unter den 15-jährigen Mädchen (Stand: 2015) in Deutschland sind nur etwa ein Drittel geimpft, so das Robert Koch-Institut (RKI).

Übergewicht wird unterschätzt

Im Bereich der Krebsmythen glaubten fast die Hälfte der Teilnehmer (43 %), dass Stress ein Risikofaktor ist. 42 Prozent hielten Lebensmittelzusatzstoffe und 34 Prozent gentechnisch verändertes Essen für Krebs-auslösend. „Der Glaube an mythische Krebsursachen scheint über das letzte Jahrzehnt zugenommen zu haben“, schreiben die Wissenschaftler um Lion Shahab vom University College London (UCL). Dies könnte mit der veränderten Mediennutzung der Menschen, aber auch mit den methodischen Unterschieden der Studie im Vergleich zu früheren Untersuchungen zusammenhängen, heißt es.

Besonders besorgniserregend sehen die Wissenschaftler, dass zu wenige Befragte (ca. 60 %) Übergewicht als Krebsrisikofaktor einordneten. In der Studie steht dazu geschrieben: „Ein Bewusstsein für die Bedeutung des Gewichts in der Krebs-Entstehung zu schaffen, ist vermutlich ein essentieller, erster Schritt in Richtung einer Verhaltensänderung.“ Das Beispiel „Übergewicht“ zeigt, dass gezielte Prävention eine Voraussetzung hat: „Nur das Wissen um fundierte Risikofaktoren ist mit dem Einhalten von Verhaltensempfehlungen zur Krebsrisikoreduzierung assoziiert“, so das Team um Lion Shahab.

Gesunde Ernährung: Übergewicht gilt vielen nicht als Krebsrisiko. Foto: CC0 (Stencil)
Gesunde Ernährung: Übergewicht gilt vielen nicht als Krebsrisiko. Foto: CC0 (Stencil)

DKFZ: ungenutztes Potential der Krebsprävention effizienter nutzen

Die Wissenschaftler des DKFZ sehen angesichts der fast 165.000 Krebsneuerkrankungen, die in diesem Jahr laut ihrer Studie auf vermeidbare Ursachen zurückgehen, großen Handlungsbedarf v.a. auch seitens der Politik: So hätten z.B. Übergewicht und Bewegungsmangel ihren Ursprung in der frühen Kindheit. „Hier sollte präventiven Maßnahmen höchste Priorität eingeräumt werden. So könnte eine gesundheitsförderliche Preispolitik, etwa durch gestaffelte Mehrwertsteuersätze, wichtige finanzielle Anreize für eine gesunde Ernährung in der Familie liefern. Das schulische Umfeld sollte dringend ausreichend Bewegung fördern.“

Und auch in Sachen Tabakprävention ist Luft nach oben: „Tabakkonsum bedingt in Deutschland 19 Prozent aller Krebsfälle, bei den Briten dagegen nur rund 15 Prozent. Hier wird sichtbar, dass Deutschland bei der Umsetzung einer wirksamen Tabakpräventionspolitik europaweit zu den Schlusslichtern zählt“, kritisiert die DKFZ-Wissenschaftlerin Ute Mons. „In Ländern, die eine konsequente Tabakprävention betreiben, neben Großbritannien beispielsweise Australien, fordert das Rauchen inzwischen weit weniger Krebsopfer als bei uns.”

„Einen Erfolg von Präventionsmaßnahmen werden wir erst nach vielen Jahren sehen. Und eine schlagkräftige Krebsprävention wird nicht zum Nulltarif zu haben sein”, meint Michael Baumann. „Doch die Fortschritte in der Krebstherapie haben erst Recht ihren Preis. Langfristig wird sich Vorbeugen auszahlen, auch gesundheitsökonomisch.”

Verwandte Nachrichten

Anmeldung: Abo des Pharma Fakten-Newsletters

Ich möchte per E-Mail News von Pharma Fakten erhalten: