Sei es die Zuckerkrankheit Diabetes, die Akromegalie, bei der es zu einer Überproduktion von Wachstumshormonen kommt, oder die Hypercholesterinämie, für die ein erhöhter Cholesterinspiegel im Blut kennzeichnend ist: Stoffwechselstörungen haben viele Gesichter – und sind meistens chronisch. Neue Medikamente werden gebraucht; doch in der frühen Nutzenbewertung des AMNOG tun sie sich nicht leicht.
Laut der „AMNOG-Daten 2018“ des BPI endeten 25 von 44 Verfahren (ca. 57 %, 2011 – 2017) mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): „kein Zusatznutzen belegt“. Krebsmedikamente wurden da sehr viel positiver bewertet. Bei ihnen erhielten rund 22 Prozent das Negativ-Urteil.
Im Hinblick auf die sogenannten „Teilpopulationen“ zeigt sich eine ähnliche Tendenz: Für rund 76 Prozent der Patientengruppen (87 von 114), die für die Behandlung mit den neuen Präparaten in Frage kommen, heißt das Urteil „kein Zusatznutzen belegt“. Zum Vergleich: Bei allen Medikamenten insgesamt, die sich von 2011 bis 2017 im AMNOG behaupten musste, waren es 61 Prozent; bei Krebsmedikamenten lag die Quote bei 50 Prozent. Folgt man den G-BA-Beschlüssen, sollen 17,3 Millionen Stoffwechsel-Patienten keinen Zusatznutzen von den neuen Präparaten haben.
Chronische Erkrankungen: Langzeitergebnisse?
In diesem Kontext gilt jedoch zu beachten: In mehr als fünf von sechs Fällen (84 %) ist das Urteil „kein Zusatznutzen belegt“ das Ergebnis formaler Gründe wie etwa eine unzureichende Datenlage. Vor diesem Hintergrund weisen die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Dieter Cassel und Prof. Dr. Volker Ulrich in der BPI-Analyse auf folgendes hin: „Für eine Nutzenbewertung von Arzneimitteln bei chronischen Erkrankungen wie den meisten Stoffwechselstörungen werden grundsätzlich Langzeitergebnisse benötigt, die bei ihrer Markteinführung aber noch nicht vorliegen können. Somit ist der Zusatznutzen als Überlebensvorteil bei Arzneimittel-Innovationen, wenn überhaupt, erst viel später nachweisbar als bei einem akuten Krankheitsbild wie etwa den meisten Krebserkrankungen.“ Weiter schreiben sie: „Erforderlich wäre daher gegebenenfalls eine Anpassung der Bewertungskriterien, damit der arzneimitteltherapeutische Fortschritt in solchen Therapiegebieten nicht behindert wird oder gar an Deutschland vorbeigeht.“