Dr. Cordula Mohrlang kennt sich gut aus im Bereich der Atemwege: Sie blickt auf eine langjährige klinische Erfahrung als Pneumologin zurück. Inzwischen arbeitet sie bei dem forschenden Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK). Die Zeit in der medizinischen Praxis hat sie jedoch nicht vergessen: „Ich erinnere mich noch an Patienten, die von ihrem niedergelassenen Pneumologen in die Klinik geschickt wurden. Ihre Frage an uns lautete: ‚Können Sie noch weitere Maßnahmen unternehmen, die dauerhaften Beschwerden der Patienten zu lindern?‘“ Doch in manchen Fällen waren die Behandlungsoptionen schlicht und ergreifend erschöpft: „Es war ein Gefühl der Ohnmacht, wenn wir Menschen entlassen mussten, ohne viel an ihrem Leidensdruck ändern zu können.“
Die Betroffenen, von denen Mohrlang spricht, litten auch nach der Behandlung mit den verfügbaren Standardtherapien aufgrund ihrer überempfindlichen Bronchien unter den Auswirkungen von Asthma: Husten, Luftnot, Kurzatmigkeit und ein Engegefühl in der Brust. Das ist eigentlich nicht die Regel: Laut der Expertin lässt sich die Erkrankung bei circa 90 Prozent der Betroffenen gut mit den „Klassikern“ der Asthma-Therapie – darunter sind u.a. inhalative Steroide und langwirksame Beta-Mimetika – einstellen.
Biopharmazeutika: eine Revolution
Doch eben nicht bei allen. Inzwischen hat sich die Situation der besonders schwer Erkrankten aber verbessert. Es stehen innovative, auf Basis von lebenden Zellen hergestellte Medikamente zur Verfügung. Sie greifen äußerst gezielt in einem Krankheitsprozess an. Laut Prof. Dr. Roland Buhl von der Universitätsmedizin Mainz können diese Biopharmazeutika „den Medikamentenbedarf verringern und die Asthmakontrolle erhöhen“.
So blockiert etwa ein Wirkstoff Immunglobulin E (IgE); es ist ein Schlüsselmolekül bei der allergischen Reaktion von Menschen, die unter schwerem allergischem Asthma leiden. Darüber hinaus gibt es Präparate, die sich gegen den Botenstoff Interleukin-5 (IL-5) richten. Dieser ist wichtig für das Wachstum der sogenannten Blut-Eosinophilen – die eine große Rolle in der Erkrankung von Patienten mit sogenanntem schwerem eosinophilem Asthma spielen. Biopharmazeutika sind – zumindest für diese bestimmte Patientengruppe – „eine Revolution und eine echte Innovation“, so Mohrlang. „Sie können das Leben vieler Betroffener komplett verändern.“
Biopharmazeutika: kein Universal-Mittel
Doch so revolutionär sie für manche Asthmatiker auch sein mögen: Biopharmazeutika sind kein Universal-Mittel – gerade, weil sie so gezielt agieren. „Wenn die Entzündungszellen, gegen die ein Biopharmazeutikum speziell gerichtet ist, bei der Asthmaform des Betroffenen nicht vorhanden sind, dann kann es nicht wirken“, erklärt die Pneumologin. Soll heißen: Die genaue Form der Asthma-Erkrankung – der sogenannte „Phänotyp“ – bestimmt, welchen Wirkstoff der Arzt zur Behandlung seines Patienten auswählt.
Mit Instrumenten wie einem Allergietest oder einem großen Blutbild sucht er nach Merkmalen, die charakteristisch für einen Phänotyp wie etwa dem schweren eosinophilen Asthma sind. Eine exakte Diagnose ist Grundvoraussetzung für die Behandlung mit Biopharmazeutika.
Grundvoraussetzung ist natürlich auch, dass der Patient überhaupt unter einem schweren Asthma leidet. „Hier sollte unbedingt ein Facharzt mit ins Boot geholt werden“, rät Prof. Dr. Roland Buhl den Betroffenen. Von einem schweren Asthma ist erst die Rede, wenn keine der anderen verfügbaren Therapien geholfen hat, obwohl er die Medikamente regelmäßig einnimmt und mit seinem Inhalator richtig umgehen kann; zudem müssen zum Beispiel andere Erkrankungen, die schweres Asthma nur „nachahmen“, ausgeschlossen sowie andere Auslöser – wie z.B. Tabakrauch – eliminiert werden.
Behandlung wird immer patientenindividueller
In Zukunft wird die genaue Diagnose und Phänotypisierung bei Asthma immer wichtiger: „In den nächsten Jahren werden weitere Biopharmazeutika auf den Markt kommen. Dann werden wir noch gezielter als jetzt schon die unterschiedlichen Asthmatypen behandeln können“, meint Mohrlang. Das hängt auch damit zusammen, dass die Forscher die Mechanismen hinter der Erkrankung immer besser verstehen. Neben IgE und IL-5 wurden bereits weitere mögliche Angriffspunkte für Medikamente entdeckt. So hat etwa die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA im Oktober einen Wirkstoff zugelassen, der auf die Botenstoffe Interleukin-4 und Interleukin-13 abzielt. Bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA befindet er sich noch in der Prüfung. Es wäre das vierte Biopharmazeutikum zur Behandlung des schweren Asthmas.