„Arzneimittelforschung ist datenhungrig“, schreibt die Innovative Medicines Initiative (IMI), eine öffentlich-private Partnerschaft der Europäischen Kommission und der Europäischen Vereinigung von pharmazeutischen Industrien und Verbänden (EFPIA), auf ihrer Webseite. Zahlreiche Daten müssen im Rahmen der Arzneimittelforschung gesammelt, analysiert, generiert und verglichen werden. Helfen kann die Open PHACTS Discovery Platform.
Laut Derek Marren vom Pharmaunternehmen Lilly ist diese Plattform genau das, was die Industrie brauchte. Denn in den Weiten des Internets die richtigen Daten zu finden und zusammenzuführen, um damit wissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten, das verschlingt Zeit und Geld. Dabei geht es oft zunächst um ganz grundlegende Fragen – „etwa wo ein Präparat getestet wird oder welche Ergebnisse ein Medikament in diversen wissenschaftlichen Experimenten erzielt“, erklärt Marren im IMI-Interview. Da ist es von Vorteil, wenn es eine Plattform gibt, die die Daten aus den verschiedensten Quellen zusammenführt und mit einem Klick auffindbar macht: „Mit Hilfe der Open PHACTS Discovery Platform können Forscher aus Industrie und akademischen Einrichtungen ihre wissenschaftlichen Hypothesen prüfen, ohne das Experiment durchführen zu müssen – denn jemand anderes hat das bereits getan.“
Open PHACTS: Verknüpfung und Vereinheitlichung der Daten
Auch Gerhard Ecker, Pharmakoinformatiker an der Universtität Wien, bestätigt: „Die Verknüpfung dieser Daten ist ungemein wichtig, weil dadurch neues Wissen über die komplexen Zusammenhänge von Krankheiten, Proteinen, Substanzen und deren Nebenwirkungen generiert wird und man schneller erkennt, welche Stoffe für eine weitere Erforschung interessant sind“.
Mit „Verknüpfung“ allein ist es aber nicht getan: Die Beteiligten des Open PHACTS-Projektes (The Open Pharmacological Concepts Triple Store) – darunter Pharmaunternehmen wie GlaxoSmithKline, Lilly, Pfizer und Janssen – haben gemeinsam alles daran gesetzt, die Daten aus den verschiedenen Quellen in eine einheitliche Form zu bringen. „Wenn man Datenbank für Datenbank manuell durchforstet, wird man feststellen, dass in verschiedenen Datenquellen dasjenige, wonach man sucht, evtl. unterschiedlich benannt ist“, erklärt Ecker das Problem. „Zum Beispiel kann in der einen Datenbank dein Protein ‚P-glycoprotein 1‘ heißen, in der nächsten ‚multidrug resistance protein 1‘ und in der dritten ‚ABCB1‘.“ Keine Chance, dort den Überblick zu behalten. Der Vorteil der Open PHACTS-Plattform: Sie setzt derartige Dinge im Hintergrund zusammen – kein Datensatz soll den Forschern entgehen.
Open PHACTS spart Zeit und Geld
Die Arbeit von Wissenschaftlern wie Gerhard Ecker und seinem Team hat die Plattform schon sehr verändert: „Für eines unserer Projekte brauchte mein Doktorand drei Monate, um einen Datensatz mit rund 1.000 Präparaten zusammenzustellen und ein vernünftiges Rechenmodell auszuarbeiten. Mit Open PHACTS kann man sofort einen Datensatz mit über 2.000 oder 3.000 Präparaten kreieren.“
Das Gute ist: Die Plattform ist kostenlos und für jeden frei zugänglich. Aus der IMI-Förderung ist Open PHACTS bereits 2016 ausgelaufen. Schon damals verzeichnete die Seite mehrere Millionen Zugriffe pro Tag und rund 500 registrierte Nutzer, wie die Universität Wien berichtete. Auch heute noch steht die Plattform allen Interessenten zur Verfügung – denn dank einer Stiftung (Open PHACTS Foundation) geht das Projekt über seine eigentliche Laufzeit hinaus weiter. Wissenschaftler finden hier somit weiterhin Informationen für ihre Medikamentenentwicklung, die präklinische Forschung und auch klinische Daten.
Der Wert öffentlich-privater Partnerschaften
Derek Marren und Gerhard Ecker sind sich einig: Ohne IMI wäre das alles so nicht möglich gewesen. „Viel Glück dabei ein vorwettbewerbliches Arrangement mit mehreren Parteien zu treffen, welches rechtlich bindend ist und keine Probleme bei den vielen Mitglieder verursacht“, meint Marren scherzhaft. Dank IMI ist es akademischen Einrichtungen, Pharmafirmen und anderen Unternehmen gelungen, eine Hürde in der Arzneimittelforschung zu reduzieren. IMI fasst das auf der Seite des Projektes wie folgt zusammen: „Die Plattform verringert erheblich die Zeit, die benötigt wird, um komplexe wissenschaftliche Fragestellungen in der Arzneimittelforschung zu beantworten: Was früher Tage oder Monate an Forschungsarbeit einnahm, ist nun mit nur ein paar wenigen Klicks einsehbar.“ Letztlich erhöht das die Chance, dass innovative Medikamente schneller entwickelt werden und Patienten früher davon profitieren können.