© Pharma Fakten e.V.
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Neue Wirkstoffe kommen aus dem Meer

Neue Antibiotika-Wirkstoffe werden dringend gebraucht, weil die Resistenzen gegen vorhandene Mittel zunehmen. Immer öfter werden Forscher bei der Suche nach neuen Substanzen auf dem Meeresgrund fündig – auch Mittel gegen das HI-Virus wurden dort entdeckt.

Schwämme, Schnecken oder Nesseltiere gehören zu den vielleicht am häufigsten unterschätzten Lebewesen im Meer. Sie sind langsam oder bewegen sich gar nicht aktiv fort. Doch gerade deshalb produzieren sie besonders viele chemische Signal- oder Abwehrstoffe und sind für Forscher besonders interessant. Denn in ihnen stecken Wirkstoffe gegen Krebs, HIV oder Gürtelrose. Dr. Antje Labes, Forscherin am Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, beschäftigt sich mit der Suche nach Arzneistoffen aus dem Meer – und das mit zunehmendem Erfolg. „Jede zehnte Probe ist ein Treffer“, sagt sie. Eine gute Quote, im Vergleich zu Quellen auf dem Festland. Und dabei ist erst ein Bruchteil der Mikroorganismen im Meer erforscht.

Wirkstoffe aus dem Meer gegen HIV

Welches Potenzial die marine Forschung bergen kann, zeigen Erkenntnisse von Forschern des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie. Sie entdeckten Algen-Extrakte, die gegen das HI-Virus wirken und verhindern, dass sich die Viren-Stämme des weit verbreiteten Typs HIV-1 vermehren. Nicht der erste HIV-Wirkstoff, der auf marinen Ressourcen basiert. Der Wirkstoff Zidovudin stammt beispielsweise von dem Seestern Acanthaster planci. Durch chemische Synthesen wirkt es gegen das HIV.

Ein weiteres Beispiel ist der Wirkstoff Ziconotid. Er kommt insbesondere Krebs- und HIV-Patienten, direkt ins Rückenmark verabreicht, zugute. Der Wirkstoff ist Bestandteil des Giftcocktails einer Kegelschnecke (Gattung Conus), mit der das Tier bei der Nahrungssuche Fische lähmt. Für die Herstellung des Medikaments werden die biologischen Strukturen des Gifts synthetisch nachgebaut – eine Herangehensweise, die laut Labes mittlerweile immer öfter praktiziert wird. So lassen sich Medikamente deutlich nachhaltiger herstellen. „Es ist ein ganz klares No-Go Schwämme oder andere Organismen massenweise aus dem Meer zu fischen“, betont die Wissenschaftlerin. Es gibt natürlich Grenzen.

Natürliche Ressourcen begrenzt

Um beispielsweise den Wirkstoff Halichondrin B als Medikament auf den Markt bringen zu können, werden 10.000 Tonnen Schwammgewebe benötigt. Das natürliche Vorkommen liegt allerdings bei nur 3.000 Tonnen. Die Suche und die Gewinnung der Lebewesen müsse daher durch neue Technologien weiter optimiert werden, so Labes. „Oft sind es aber nicht Schwämme, die nützliche Substanzen produzieren, sondern Bakterien oder Pilze, die in ihnen leben“. Und diese Mikroorganismen lassen sich natürlich viel besser im Labor züchten, erklärt sie.

Aufgrund der großen Vielfalt an Lebewesen im Meer sind zahlreiche Wirkstoffe für unterschiedliche Erkrankungen entdeckt worden. Am meisten haben bislang Krebs-Erkrankte von der marinen Wirkstoffsuche profitiert. „Hier gibt es die meisten Erfolge“, so die Wissenschaftlerin. Das liege unter anderem an verstärkten Investitionen. Dazu gebe es eine große Anzahl an Wirkstoffen, die sich zurzeit in der Phase II und III der klinischen Studien befinden.

Neue Antibiotika in der Pipeline

Auch bei der Antibiotika-Forschung sieht sich Labes noch nicht am Ziel. „Wir finden zwar immer wieder neue Strukturklassen, aber bis zum Medikament ist es ein weiter Weg“, sagt sie. Immerhin, erste Erfolge können die Forscher bereits vorweisen. Die Gruppe der Breitbandantibiotika der Cephalosporine, verwandt mit dem Penicillin, beispielsweise basiert auf einer marinen Pilzart. Zudem wurde in Nesseltieren das Protein Hydramacin entdeckt, welches künftig bei einer Penicillin-Resistenz eingesetzt werden könnte.

Viele der letzten medizinischen Fortschritte beruhen auf meist unscheinbaren Lebewesen. Tieren wie Schwämmen oder Schnecken könnte künftig jedoch mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Bislang ist nur ein Bruchteil der Meereswelt untersucht worden. Was die Suche nach weiteren nützliche Mikroorganismen und damit neuen Wirkstoffen angeht, bleibt also noch vieles zu entdecken.

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