Nur mit einer gesunden Bevölkerung ist ein Staat zu machen – ein Merksatz, der insbesondere für alternde Gesellschaften gelten dürfte. Denn entscheidend für eine starke Wirtschaft ist weniger der Fakt, dass wir in Europa immer älter werden. Entscheidend wird sein, dass wir gesund altern. „Healthy Ageing“ ist mehr als ein Modebegriff, denn eine gesunde Bevölkerung ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Sie arbeitet (länger), zahlt (mehr) Steuern, belastet weniger die Sozialsysteme. Schon heute, so die EU-Kommission in ihrem „Strategischen Plan 2016 bis 2020“ zu Gesundheit und Ernährung, kosten in der EU-Region Fehlzeiten durch Krankmeldungen 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Es bedarf wenig Fantasie, um vorherzusehen, dass dieser Beitrag sich künftig zu einem echten Hemmschuh für Wachstum und Entwicklung mausern könnte, wenn nicht gegengesteuert wird. Ältere Menschen sind nun einmal in der Regel öfter krank als jüngere.
Aber die Gesundheitsbranche ist auch ein dynamischer Wirtschaftszweig, eine Job-Maschine und Wachstumstreiber. Der Gesundheitssektor leistet „einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaft in der EU und hat ein großes Potenzial für Wachstum, Investitionen und Innovation“, heißt es im Strategischen Plan. Der Sektor steht EU-weit für 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 15 Prozent der öffentlichen Ausgaben und 8 Prozent der arbeitenden Bevölkerung.
Nicht nur Europa, sondern auch Deutschland als eine der demografisch ältesten Nationen weltweit steht vor gewaltigen Herausforderungen. Sie sind Thema der gerade initiierten Neuauflage des Bayrischen Pharmagipfels, getragen durch die beiden bayerischen Ministerien für Wirtschaft und Gesundheit. Vier Arbeitsgruppen haben die Arbeit aufgenommen, erste Ergebnisse sollen gegen Ende 2019 präsentiert werden:
- Arzneimittel 2030 – Wie sollen die Rahmenbedingungen verändert werden?
- Arzneimittelversorgung 2030 – Anforderungen an einen innovationsfreundlichen Ordnungsrahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
- Pharmastandort Bayern 2030 – Wie können Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Produktion in Bayern gestärkt werden?
- Digitale Innovationen im Pharmabereich – Wie können Chancen genutzt und Rahmenbedingungen gestaltet werden?
Dieser Dialog zwischen Politik und Industrie – erstmals gestartet vor fünf Jahren – will die Zusammenarbeit weiter stärken: „Dialoggegenstand sind beispielsweise Arzneimittelsicherheit und die Frage, wie eine zuverlässige Arzneimittelversorgung im Rahmen des solidarisch finanzierten GKV-Systems sichergestellt werden kann. Darüber hinaus stehen intensivere Forschung und Entwicklung sowie mehr Produktion in Bayern im Fokus.“ Der Anspruch ist auch, Impulse zu setzen für den auf Bundesebene stattfindenden Pharmadialog.
Die Gesundheitswirtschaft – eine Zukunftsbranche
Handlungsbedarf sieht auch der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek. Die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems und die Erhaltung des hohen Leistungsniveaus sind für ihn schon „fast unlösbare Aufgaben“, schreibt er in seinem Positionspapier „Neuausrichtung der Gesundheitswirtschaft“. „Die Gesundheitswirtschaft und die Wissenschaft tragen maßgeblich dazu bei, dass die Menschen gesünder und länger leben“, heißt es dort. Als Anker für Innovation und Fortschritt biete der Gesundheitssektor entlang des gesamten medizinischen Behandlungspfades „Lösungen aus einer Hand. Diese reichen von Prävention und Diagnostik über die Therapie und Behandlung bis hin zum Ambient Assisted Living.“ Eine Zukunftsbranche also, die schon heute allein in Bayern für eine Bruttowertschöpfung von 42,8 Mrd. Euro (rund 8 % der bayerischen Wirtschaftsleistung) steht und die geprägt ist von Exportstärke und Konjunkturstabilität. Allein die Pharmaindustrie in Bayern erwirtschaftet mit rund 26.000 Erwerbstätigen eine Bruttowertschöpfung von 4,5 Milliarden Euro, so die Pharmainitiative Bayern.
Ein angemessenes und stetiges Wirtschaftswachstum, ein hoher Beschäftigungsgrad und außenwirtschaftliches Gleichgewicht – so oder ähnlich dürfte sich die Wunschliste eines jeden Wirtschaftsministers für eine gesunde Volkswirtschaft lesen.
Das könnte ein Grund sein, warum immer mehr Bundesländer den Dialog mit der Pharmaindustrie suchen. Denn sie steht genau dafür: Ihre Wachstumskurven sind konjunktur-unabhängiger als andere Branchen, sie sorgt seit Jahren für einen Zuwachs gerade im Bereich gut qualifizierter Arbeitsplätze. Sie entwickelt und produziert Medikamente für den Binnenmarkt, aber auch für den Export und trägt so zu einem stabilen Außenhandel bei; kurz: Sie ist Motor für Wachstum und Beschäftigung und setzt Innovationszyklen in Gang, die auch Impulse sind für andere Branchen. Das belegen Studien über den ökonomischen Fußabdruck von Unternehmen (s. Pharma Fakten).
Pharmadialog NRW: Neue Möglichkeiten im Bereich der personalisierten Medizin
In Nordrhein-Westfalen steht die industrielle Gesundheitswirtschaft, zu der auch die Pharma- und Medizintechnik gerechnet wird, für eine Bruttowertschöpfung von rund 12 Milliarden Euro, hat das WifOR-Institut ausgerechnet. Rund 174.000 Arbeitsplätze hat sie entstehen lassen. Staatssekretär Christoph Dammermann aus dem NRW-Wirtschaftsministerium will sich mit dem Pharmadialog deshalb dafür einsetzen, dass „die Unternehmen in ihre Zukunftsfähigkeit investieren und weiterhin Forschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen betreiben. Viele innovative Unternehmen nutzen bereits die Potenziale der Digitalisierung, Big Data und Künstlichen Intelligenz, und eröffnen so, zum Beispiel im Bereich der personalisierten Medizin oder in der Biotechnologie, neue Möglichkeiten.“ Soll heißen: Von einer erfolgreichen Pharmaindustrie profitieren viele – die Gesellschaft, die Wirtschaft, der Wissenschaftsstandort, die Patienten von heute und diejenigen von morgen.