Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt  muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)
Bevor ein Medikament tatsächlich beim Patienten ankommt muss es einige Herausforderungen meistern. Foto: CC0 (Stencil)

„Market Access“: Damit ein Medikament nicht nur theoretisch für Patienten verfügbar ist

Im Vergleich zu anderen Ländern haben die Patienten in Deutschland einen großen Vorteil: Direkt nach Markteinführung sind neue Arzneimittel erstattungsfähig. Trotzdem sind einige Herausforderungen zu meistern, damit ein Medikament auch tatsächlich bei den Patienten ankommt. Welche das sind, erklärt Dierk Neugebauer, Director Market Access beim Pharmaunternehmen Bristol-Myers Squibb, im Interview.

Sie arbeiten bei Bristol-Myers Squibb im Bereich „Market Access“. Was bedeutet das?

Dierk Neugebauer: Der deutsche Name meiner Abteilung wäre „Marktzugang und Erstattung“. Damit wird schon etwas deutlicher, was unsere Kernaufgabe ist: Wir sorgen für den Marktzugang, also die Verfügbarkeit unserer Medikamente für Patienten, und darauf folgend, die Erstattungsfähigkeit für jeden Versicherten. Das hat viele Facetten und Dimensionen und bedeutet ein sehr breites Spektrum an Tätigkeiten und Stakeholdern. Die Aufgaben von Market Access-Abteilungen sind deshalb auch von Unternehmen zu Unternehmen etwas unterschiedlich – und beinhalten unter anderem den Dialog mit der Politik, mit Vertretern von Krankenkassen, Krankenhäusern und Apotheken.

Dierk Neugebauer Foto: © Bristol-Myers Squibb
Dierk Neugebauer Foto: © Bristol-Myers Squibb

Innovative Medikamente sollen möglichst schnell bei den Patienten ankommen. Was tun Sie konkret, um das zu erreichen?

Neugebauer: Wir stellen sicher, dass ein neues Medikament mit Erteilung der Zulassung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch für den Patienten verfügbar ist, angefangen von der Belieferung des Großhandels bis zur IFA-Meldung . 

Welche Vorkenntnisse bzw. welche Ausbildung muss man mitbringen, um in einem Pharmaunternehmen im Bereich „Market Access“ zu arbeiten?

Neugebauer: Die Aufgaben in unserem Bereich sind extrem vielfältig, so dass es für den Bereich kein einheitliches Profil eines „Market Access-Mitarbeiters“ gibt. Für Einsteiger sind ein Verständnis für das deutsche Gesundheitssystem und erste Erfahrungen in einem pharmazeutischen Unternehmen oder einem weiteren Sektor des Gesundheitswesens hilfreich. Wichtig sind auch sehr gute Projektmanagement-Skills, zudem interdisziplinäres und vernetztes Denken. Das Market Access-Team bei Bristol-Myers Squibb ist divers und interdisziplinär aufgestellt, besteht aus Naturwissenschaftlern, Ökonomen und Medizinern. Neben der fachlichen Expertise sind es zudem die Teamfähigkeit und Kreativität sowie das Growth Mindset  jedes einzelnen, die entscheidend sind. Gerade in unserem Bereich verändern sich Rahmenbedingungen häufig und schnell, wir müssen absolut flexibel und agil sein und schnell mit neuen Aufgaben umgehen – das funktioniert, wenn es eine enge Zusammenarbeit der Kollegen gibt und man neue Aufgaben gemeinsam löst. 

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden und Herausforderungen, die es im Rahmen der Markteinführung eines Medikaments zu meistern gilt?

Neugebauer: In Deutschland gibt es in den meisten Fällen initial noch freien Zugang zum Markt und innovative Arzneimittel werden auch direkt nach Markteinführung erstattet, durchlaufen aber die frühe Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dabei wird der Zusatznutzen eines neuen Medikamentes im Vergleich zu dem vom G-BA festgelegtem, im Markt befindlichen Therapiestandard ermittelt. Ohne ein positives Ergebnis aus diesem Prozess ist es für Pharmaunternehmen schwierig, ein Medikament unter wirtschaftlich-fairen Bedingungen auf dem Markt zu halten. Denn letztlich bestimmt das Ergebnis der Nutzenbewertung den Preis, den Unternehmen erzielen können. Die größte Herausforderung aus Market Access Sicht ist also – anders als in vielen Nachbarländern in der Europäischen Union (EU) – weniger der Marktzugang an sich, sondern die Sicherstellung der langfristigen Erstattungsfähigkeit unter für beide Seiten fairen Bedingungen. Auch nachgelagert an die Preisbildung durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) sehen wir hier viele Herausforderungen, wie Festbetragsgruppenbildungen oder regionale Steuerungsmechanismus, z. B. durch Verordnungsquoten.

Seit 2011 ist in Deutschland das AMNOG in Kraft. Wie hat sich das auf den Prozess der Markteinführung neuer Medikamente ausgewirkt?

Neugebauer: Das AMNOG war ein Lernprozess für viele Unternehmen, insbesondere bezogen auf die Erstellung von Nutzendossiers: Die benötigten Ressourcen zur Dossier-Erstellung sind weitaus intensiver, als vom Gesetzgeber ursprünglich prognostiziert. Das AMNOG hat aber auch weitreichende Auswirkungen auf das Design von klinischen Studien. Globale Entwicklungsprogramme müssen von Beginn so gut wie möglich auf

die Erfordernisse in Deutschland angepasst werden – das ist insbesondere eine Herausforderung für global agierende Unternehmen, für die Deutschland nur einer von vielen Märkten ist. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Anforderungen, die der G-BA an Arzneimittelstudien stellt, frühzeitig mit den Vorgaben der Zulassungsbehörden in Einklang gebracht werden – national wie europäisch.

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