So reißerisch die Sendung betitelt war („Russisch Roulette auf Rezept – wie gefährlich ist die Medikamente-Flut?“) so wichtig war das Thema: Nehmen die Deutschen leichtfertig zu viele Medikamente und wird bei der Verordnung zu wenig auf Wechsel- und Nebenwirkungen geachtet?
Am Ende der Diskussion brachte Peter Sawicki, ehemaliger Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die so genannten Cluster-Studien ins Gespräch. Es entbrannte ein Streit zwischen ihm und Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ob Patienten ohne Einwilligung in diese Studien einbezogen werden dürfen. Sawicki: ja, Spahn: nein. Beide wetteten um eine Kiste alkoholischer Getränke – Sawicki bot Sekt, Spahn Bier.
Pharmaindustrie lehnt Cluster-Studien ab
Die Kiste geht an Sawicki – theoretisch. In der Clinical Trials Regulation, die Anfang April vom EU-Parlament verabschiedet wurde, wurden die Cluster-Studien neu eingeführt. Danach sollen in zugelassene Behandlungsweisen Kliniken innerhalb eines Landes verglichen werden. Zwar sollen Patienten vor der Teilnahme über die Studie informiert werden. Im Gegensatz zu gängigen Studien nimmt dann aber jeder automatisch teil, der nicht aktiv ablehnt. Sehr zum Ärger der Pharmaindustrie: „Davon halten wir gar nichts“, macht Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), deutlich. „Für Pharma-Unternehmen kommen solche Studien überhaupt nicht in Betracht. Für sie gilt das Prinzip ‚informed consent’ uneingeschränkt: Patienten werden zuerst über die Studie informiert und entscheiden dann, ob sie teilnehmen wollen.“
Praktisch Recht hatte Sawicki dann allerdings doch nicht. Studien, bei denen nicht Patienten, sondern ganzen Krankenhäusern Therapien zugewiesen werden, sind eine Besonderheit des Gesundheitssystems in Großbritannien. “In Deutschland sind Cluster-Studien aktuell rechtlich nicht möglich, da eine schriftliche Einwilligung des Studienteilnehmers zwingend vorgeschrieben ist”, betont Dr. Jens Peters, Experte für Klinische Studien beim Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI). Diese gesetzliche Grundlage könnte zwar geändert werden, dies sei jedoch nicht geplant. Nach Informationen von Pharma Fakten gibt es auch ein klares Bekenntnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Strukturen für diese Studien In Deutschland nicht zu schaffen. Sawicki hatte also akademisch Recht, Spahn politisch. Wer jetzt die Kiste Bier oder Sekt bekommt, müssen beide unter sich ausmachen.
Anwendungsbeobachtungen gesetzlich geregelt
Ein weiterer Punkt, der für Diskussionen sorgte, waren die Anwendungsbeobachtungen. Buchautorin Cornelia Stolze mahnte hier mehr Transparenz bei der Entlohnung der Ärzte an. Tatsächlich ist diese Transparenz sowohl gesetzlich als auch in den Kodizes der Industrie genau geregelt. Alle Verträge mit Ärzten, die im Rahmen von Anwendungsbeobachtungen geschlossen werden, liegen vier staatlichen Stellen in Kopie vor. Richtig ist, dass die Patienten keinen Zugriff auf diese Verträge haben – der Kontrolle tut das aber keinen Abbruch.