Es sind innovative Biologika (auch: Biopharmazeutika), die die Therapie von Krankheiten wie rheumatoider Arthritis (RA) grundlegend verändert haben. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen bio (vfa bio) spricht in seinem jüngsten „Biotech-Report“ gar davon, dass diese Produkte die RA-Behandlung revolutioniert hätten: „Während früher Menschen mit RA starke Deformationen der Gelenke und ein Leben im Rollstuhl fürchten mussten, sind diese extremen Verläufe der Erkrankung heutzutage selten geworden.“
Biologika sind hochwirksame Medikamente, die auf Basis gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden. Für die Hersteller dieser Produkte gilt wie bei anderen Arzneimitteln auch:
Machen sie eine Innovation verfügbar, ist diese für eine begrenzte Zeit über ein Patent geschützt. Nach Ablauf des Patents können sogenannte Biosimilars als Nachbildungen auf den Markt kommen. Aufgrund der biotechnologischen Produktionsbedingungen können sie nicht ganz identisch zum Original sein. Doch mit der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ist gewährleistet, dass sie in den wichtigen Parametern mit ihrem Referenzpräparat vergleichbar sind und keine klinisch relevanten Unterschiede in Bezug auf die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit aufweisen. Der Arzt kann daher – in Absprache mit den Patienten – über eine Substitution entscheiden. Biosimilars sind Teil des Innovationszyklus: Sie tragen zu Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen bei – und machen so den finanziellen Spielraum frei für andere innovative Arzneimittel.
Rückumstellungen von Biosimilar auf Original: Nocebo-Effekt?
„Zu Auswirkungen von Umstellungen der Therapie mit Biologika gibt es internationale Studien, die mehrheitlich keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich der Sicherheit und Wirksamkeit nach einem Wechsel zu Biosimilars feststellen“, schreibt IQVIA in einem Bericht. Vor diesem Hintergrund hat sich das Beratungsunternehmen dem Thema „Rückumstellungen“ gewidmet. Die Experten haben sich dazu Verordnungsdaten von Patienten angeschaut, die zwischen 2015 und 2017 mit bestimmten TNF-Hemmern gegen schwere Autoimmunerkrankungen behandelt wurden. Das Ergebnis: „Innerhalb eines Jahres wechselten 30 Prozent der Patienten, die vom Original auf ein Biosimilar umgestellt worden waren, wieder auf das Original zurück“.
Fast ein Drittel: Das ist ein Wert, der die Forscher überrascht. Auf der Suche nach dem Grund der Rückumstellungen schreiben sie: „Zusammenhangsanalysen zum Einfluss von Alter, Geschlecht und Multimorbidität der Patienten sowie Facharztgruppenzugehörigkeit der Verordner ergaben keine statistisch relevanten Befunde und brachten somit keinen Aufschluss.“
In Betracht ziehen sie daher einen sogenannten „Nocebo-Effekt“. Prof. Dr. Karel Kostev, wissenschaftlicher Forschungsleiter bei IQVIA, erklärt den Begriff wie folgt: „Wenn jemand eine Information über ein Produkt hat, die ihm nicht zusagt und dann dieses Produkt verordnet bekommt, nimmt er unter Umständen diese aus seiner Sicht nicht wünschenswerten Eigenschaften wahr.“ Kostev hat noch eine weitere Erklärung parat: Der Grund für die Rückumstellung könnte demnach „darin liegen, dass die biosimilaren Produkte anders wirken, nicht unbedingt schlechter, aber eben anders.“
Vergleichbarkeit von Biologika und Biosimilars
Wie gesagt: Bevor ein Biosimilar die Zulassung von der EMA erhält, muss es in klinischen Studien zeigen, dass es bzgl. wichtiger Parameter mit dem Original vergleichbar ist. Die IQVIA-Forscher haben dies nun mit Blick auf den Versorgungsalltag überprüft – und hier einen ganz bestimmten Parameter unter die Lupe genommen: die Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG), die über das sog. C-reaktive Protein (CRP) im Blut gemessen wird. „Dieser Wert zeigt an, ob eine chronische Entzündung in den Gelenken und im gesamten Körper vorhanden ist, wie dies bei rheumatoider Arthritis (RA) der Fall ist. Als Referenzwert für das CRP gilt ein Wert unter 10mg/l“.
In die Untersuchung wurden 1.855 RA-Patienten aus 21 rheumatologischen Praxen einbezogen, denen zwischen Januar 2015 und Juli 2018 zum ersten Mal ein Biologikum (Etanercept, Infliximab, Adalimumab) verordnet worden war. „Die Ergebnisse aus der ‚Real World‘ bestätigen jene aus klinischen Studien: Die CRP-Werte sinken unter der Therapie mit Original-Biologika wie auch mit Biosimilars im vergleichbarem Umfang, und der Anteil der Patienten in beiden Therapiegruppen, die einen Wert unter 10mg/l erreichen, ist mit 62 Prozent bzw. 63 Prozent ähnlich“, so das Fazit. In der CRP-Wert-Senkung kann demnach nicht der Grund für eine Rückumstellung liegen.
Biosimilars – ein „relevanter Marktfaktor“
Fakt ist: Die Bedeutung von Biosimilars für die Patienten und das Gesundheitssystem nimmt zu. Das erste Biosimilar wurde 2006 in der Europäischen Union zugelassen. „Seitdem sind viele weitere Biosimilars dazugekommen. Ihr Markt wächst seit 2007 im Durchschnitt um 70 Prozent pro Jahr“, heißt es im „Biotech-Report“ des vfa bio. „Wo Biosimilars in Konkurrenz zu Originalen stehen, erzielen sie im Schnitt bereits 38 Prozent Umsatzanteil“, ist in dem Bericht – bezogen auf 2018er-Daten – weiter zu lesen.
Das Fazit: „Der Wettbewerb biopharmazeutischer Therapieoptionen ist ein essenzielles Element zur Verbesserung der Versorgung von Patienten, wobei der Einsatz von Biosimilars dem Gesundheitssystem finanzielle Freiräume eröffnen kann, die ihrerseits wiederum für innovative Arzneimittel genutzt werden können.“