Es war vor fünf Jahren: Am 27. August 2014 landete der erste Ebola-Patient in Deutschland. Es handelte sich um einen Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der sich in Sierra Leone (Westafrika) infizierte. Zu seiner Behandlung kam er in eine spezielle Isolierstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Ebola ist eine durch ein Virus übertragene Erkrankung, die laut der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in 25 bis 80 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Übertragen wird das Virus u.a. durch engen Kontakt mit Tieren wie Fledermäusen.
Ebola gehört damit zu den Zoonosen; diese können aber nicht nur durch Viren, sondern auch durch Bakterien (z.B. Borreliose über Zecken), Pilze oder Parasiten ausgelöst werden. Experten gehen davon aus, dass über 60 Prozent aller menschlichen Infektionskrankheiten ihren Ursprung in Tieren haben. Die Innovative Medicines Initiative (IMI, s. Infokasten) schreibt: „Über die letzten 70 Jahre wurden über 300 zoonotische Erkrankungen beobachtet; und es wird geschätzt, dass 631.000 bis 827.000 nicht-identifizierte Viren existieren, die zoonotisches Potential haben.“ Mehr als 2,7 Millionen Todes- und über 2,5 Milliarden menschliche Krankheitsfälle pro Jahr gehen auf Zoonosen zurück. „Sie stehen für ein enormes gesundheitliches sowie wirtschaftliches Risiko – sowohl für Menschen als auch für Tiere“.
Tier und Mensch: Es braucht einen „One Health“-Ansatz
Zoonotische Ausbrüche sind schwer vorherzusehen. Wenn es passiert, muss schnell reagiert werden. Hürden in der Herstellung von Impfstoffen und Medikamenten oder lange Zulassungsprozesse stehen dem im Weg. Hinzu kommt laut IMI: „Zoonosen zeigen eindeutig, dass die Gesundheit der Menschen eng mit der Gesundheit von Tieren und Umwelt zusammenhängt. Diese Art von Erkrankungen erfordert in der Forschung einen ‚One Health-Ansatz‘, der Maßnahmen in der Human- und der Tiermedizin beinhaltet.“ Daher bringt das Projekt ZAPI, das von 2015 bis 2020 Förderung über die IMI erhält, über 20 Partner aus beiden Bereichen zusammen.
Das Ziel der Zusammenarbeit ist laut ZAPI, dass in Europa und der ganzen Welt künftig möglichst schnell auf neue Bedrohungen durch Infektionskrankheiten reagiert werden kann. Dazu soll eine gemeinsame Pipeline entstehen und es sollen neue Herstellungsprozesse entwickelt werden, um wirksame Impfstoffe und Medikamente gegen zoonotische Erkrankungen „mit pandemischem Potential“ innerhalb weniger Monate nach den ersten Krankheitsfällen in ausreichender Menge verfügbar machen zu können. Eine zügige Zulassung sowie Implementierung ist hier integraler Bestandteil. Laut ZAPI-Koordinator Jean-Christophe Audonnet von dem Pharmaunternehmen Merial S.A.S., das seit 2017 zu Boehringer Ingelheim gehört, soll das helfen, „neue Krankheitsausbrüche zu managen, ihre Auswirkungen zu minimieren und die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen.“
Sowohl Impfstoffe zur Vorbeugung als auch Medikamente zur Behandlung sind im Fokus von ZAPI: Denn es gibt „die Notwendigkeit die Erkrankung mit Impfstoffen zu verhindern; aber wenn da eine höchst akute oder sehr infektiöse Erkrankung ist, die sich schnell ausbreitet, dann ist da die Notwendigkeit infizierte Menschen in Krankenhäusern zu behandeln – und die ‚therapeutischen Antikörper‘ sind das Schlüsselinstrument dafür“, so Audonnet im IMI-Interview.
ZAPI: drei Viren im Fokus
Die Beteiligten des ZAPI-Projekts fokussieren sich während der Förderzeit insbesondere auf drei Krankheitserreger, die zuerst bei Tieren auftreten, bevor sie auf den Menschen übergehen. IMI erklärt den Grund: Es ist günstiger, neue Infektionskrankheiten bei Tieren zu kontrollieren; wenn sich eine Erkrankung unter Menschen ausbreitet, entstehen hohe Kosten.
- Die Rifttalfieber-Viren, übertragen v.a. durch Moskitos, können Tiere wie Kühe, Schafe, Kamele oder Ziegen treffen und zum Tod führen. Auch unter Menschen kam es – z.B. in Afrika – bereits zu Ausbrüchen.
- Das Schmallenberg-Virus steht im Zusammenhang mit Totgeburten und Fehlbildungen bei Wiederkäuern in Asien, Afrika und Ozeanien. Eine menschliche Infektion gab es noch nicht, „aber verwandte Viren haben zoonotisches Potential“.
- Das MERS-Coronavirus, das vermutlich von Kamelen ausgeht, wurde 2012 erstmals bei Patienten auf der Arabischen Halbinsel nachgewiesen.
„Wir haben nun den Nachweis erbracht, dass wir verschiedene Zieltierarten (Schafe, Kamele und Lamas) sowie mehrere kleine Labortierarten gegen die drei Modell-Viren […] schützen können“, berichtet Audonnet von den Erfolgen. Zudem konnten bereits Antikörper gegen alle drei Krankheitserreger hergestellt werden. „Aktuell sind wir in einer kritischen Phase, in der es darum geht zu zeigen, dass das, was wir im kleinen Maßstab mit unseren akademischen Partnern getan haben, auch industriell anwendbar ist“, erklärt Audonnet. „Die Hauptziele des Projektes werden auf Basis der Viren, die wir als Modelle verwenden, erfüllt werden.“ Der nächste Schritt sei es, das auf menschliche Viren zu übertragen.
ZAPI-Methoden als globales Leitbild
Bei ZAPI und IMI ist man überzeugt: Die Methoden und Prozesse, die im Rahmen des Projektes entwickelt werden, könnten global zu einem Leitbild werden, um Impfstoffe unter einem „One Health“-Ansatz herzustellen.
Das könnte auch die Zahl der Tierversuche und -tests, die für die Entwicklung und Zulassung von Vakzinen erforderlich sind, reduzieren. Momentan ist die Impfstoffentwicklung meist auf Zelllinien aus Säugetieren angewiesen. Doch diese könnten im Falle eines Krankheitsausbruchs evtl. nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen oder nicht genügend Material zur Bekämpfung des Ausbruchs liefern. ZAPI soll das ändern. Das Stichwort heißt hier: in vitro (im Reagenzglas) – anstatt in vivo (im lebenden Organismus). Bis zum 29.2.2020 geht noch die offizielle Projektlaufzeit.