Herr Professor Trautwein, was genau ist eine nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH)?
Prof. Dr. Christian Trautwein: Bei Übergewichtigen kommt es bekanntlich zu einer vermehrten Fettansammlung im Körper. Dieses Fett reichert sich früh in den Leberzellen an, die grundsätzlich eine wichtige Rolle bei der Fettverteilung im Körper spielen. Wenn man zu viele Kalorien aufnimmt, kommt es also zu einer vermehrten Einlagerung von Fett in der Leber – man spricht dann von einer Fettleber. Wenn die Fetteinlagerung stetig zunimmt und es noch weitere Veränderungen im Fetthaushalt gibt, dann kann die einfache Fettleber auch in eine entzündliche Fettleber übergehen. Dieses Krankheitsbild wird dann als nicht-alkoholische Fettleber-Hepatitis oder auch Steatohepatitis bezeichnet. Kurz: NASH.
NASH ist also eine entzündete Fettleber?
Prof. Trautwein: So ist es. Der Überbegriff für die NASH und eine einfache Fettleber ist die NAFLD, das ist die Abkürzung für „Non-alcoholic fatty liver disease“. Die NASH beschreibt somit ein Stadium, in dem die Fettleber bereits gefährlich ist und es zu starken Veränderungen der Leberzellen kommt.
Welche Symptome treten auf?
Prof. Trautwein: Im Frühstadium sind die Symptome relativ unspezifisch – es kann Müdigkeit und Antriebsarmut auftreten, vielleicht auch Konzentrationseinschränkungen. Das sind eher allgemeine Symptome. Erst im späten Stadium, wenn die chronische Entzündung bereits zu einer Leberzirrhose, also einer Vernarbung geführt hat, erst dann kommen die typischen Symptome einer chronischen Lebererkrankung dazu – von extremer Müdigkeit bis hin zu einer verminderten Hirnleistung und starker Gelbfärbung von Haut und Augen. Aber dann ist die Erkrankung schon relativ weit fortgeschritten. Es gibt eben nicht das allgemeine, spezifische Symptom. Man sollte daher einfach daran denken, dass man unter einer Fettleberhepatitis leiden könnte – vor allem, wenn man übergewichtig ist.
Die Zahl der Patienten mit NASH hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Wie viele Menschen sind betroffen?
Prof. Trautwein: In Deutschland und anderen westlichen Industrieländern leiden 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung unter einer einfachen Fettleber-Erkrankung. Davon haben zwischen 10 und 20 Prozent die chronische Entzündungsform entwickelt. In Deutschland haben also 15 bis 20 Millionen Menschen eine Fettleber und 1,5 bis 2 Millionen Patienten eine zumindest milde Form der NASH.
Das klingt nach einer regelrechten Epidemie.
Prof. Trautwein: Das stimmt leider. Es ist eine Epidemie, die damit zusammenhängt, dass die Menschen immer dicker werden. Es gibt zusätzlich genetische und Umweltfaktoren, die das Auftreten einer NAFLD und NASH durch Übergewicht fördern. Nicht selten sieht man daher die Situation, dass in einer Familie mehrere Personen betroffen sind.
Neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge haben Patienten mit Fettleber-Erkrankungen eine veränderte Darmflora.
Prof. Trautwein: Richtig, die Vielfalt der Darmflora nimmt ab. Es ist wie mit einer Alpenwiese: Oben in den Bergen sieht man wunderbare Blumen in einer unglaublichen Vielfalt. Unten ist der Boden überdüngt und man sieht nichts außer Löwenzahn. Bei der Darmflora ist es so ähnlich: Ein schlanker Patient, der viel Sport treibt, hat eine Darmflora wie eine Alpenwiese – nur dass es eben keine Blumen sind, sondern viele unterschiedliche und nützliche Bakterien, die sich dort tummeln.
Kann man die Darmflora durch Medikamente beeinflussen oder ist eine Ernährungsumstellung sinnvoller?
Prof. Trautwein: Eine Ernährungsumstellung mit Gewichtsabnahme verbessert die Darmflora und unterstützt die Bekämpfung der Fettleber. Gesunde Ernährung, Gewichtsabnahme, Sport treiben – das lohnt sich auf jeden Fall. Was Medikamente betrifft, gibt es gerade eine sehr interessante Pilotstudie von Forschern an der belgischen Universität Löwen. Sie haben den Patienten Akkermansia gegeben, ein spezielles Darmbakterium. Und das hat zu einer Verbesserung der NAFLD und auch der Insulinsensitivität geführt.
Sie haben kürzlich bei einem Vortrag gesagt, die Arzneimittelentwicklung für die Therapie bei NASH verlaufe fulminant. Was heißt das genau?
Prof. Trautwein: Nun, es wird zum einen wahrscheinlich bald Medikamente geben, die direkt oder indirekt die Darmflora beeinflussen. Solche Ansätze wie mit Akkermansia werden in Zukunft weiterverfolgt und vermutlich auch erfolgreich sein. Es gibt aber darüber hinaus viele verschiedene Ansätze, an denen im Moment aktiv gearbeitet wird.
Welche?
Prof. Trautwein: Es gibt da verschiedene Säulen: Eine besteht darin, auf den Gallensäure-Stoffwechsel einzuwirken und dadurch einen positiven Effekt auf die Fettleber zu erzielen. Dies erfolgt mit so genannten FXR Agonisten, die einen positiven Effekt auf den Gallensäure-Stoffwechsel bei Fettleber haben. Außerdem gibt es die GLP-1 Agonisten, die bei Diabetes bereits eingesetzt werden. Sie führen zu einer starken Gewichtsabnahme und damit auch zu einer Reduktion der Leberverfettung. Ein weiterer Weg besteht darin, die entzündliche Aktivität in der Leber zu beeinflussen und damit das Fortschreiten der Erkrankung zu hemmen. Und schließlich gibt es Ansätze, unmittelbar in der Leber die Produktion von Triglyzeriden zu hemmen, also die Bildung von Fetten. Es gibt somit ganz verschiedene Säulen einer zukünftigen Therapie, die momentan großteils noch in der Testphase sind. Am Ende dieses Prozesses werden wahrscheinlich Kombinationstherapien stehen, die sich dann aus verschiedenen Komponenten der angesprochenen Ansätze zusammensetzen.
Kann man dadurch die Epidemie in den Griff bekommen?
Prof. Trautwein: Zumindest teilweise. Man wird versuchen, durch neue Medikamente den Entzündungsvorgang bei NASH zu hemmen, um damit vor allem das Voranschreiten der Vernarbung in der Leber zu beeinflussen. Dazu laufen gerade eine Reihe vielversprechender Studien.
Gibt es Möglichkeiten zur Vorbeugung gegen NASH?
Prof. Trautwein: Schlank bleiben und Sport treiben. Es gibt Daten, die zeigen, dass durch Sport wesentliche Stoffwechselvorgänge positiv beeinflusst werden. Auch eine ausgewogene Ernährung ist wichtig. Entscheidend ist das Gleichgewicht aus Sport und Ernährung.
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