Saisonale Grippe-Erkrankungen verursachen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr weltweit zwischen drei und fünf Millionen schwere Erkrankungen und bis zu 500.000 Todesfälle. Vor allem Hochrisikogruppen wie sehr junge, ältere oder chronisch kranke Menschen können von schweren Verlaufsformen betroffen sein. Die jährliche Grippe-Impfung könnte diese Zahl deutlich reduzieren. Allerdings muss der Impfstoff jedes Jahr an die vorherrschenden Virenstämme angepasst und neu produziert werden. Es ist schwierig vorherzusagen, wie viel Schutz ein neuer Impfstoff gegen die aufkommenden Virustypen bieten wird. Genau hier setzt das FLUCOP-Projekt an: Wenn es im kommenden Februar nach fünf Jahren endet, soll eine standardisierte Toolbox zur Verfügung stehen, die präzise Vorhersagen zur Wirksamkeit der jeweiligen Impfstoffe ermöglicht.
Standardisierte Testverfahren
Die Toolbox besteht im Grunde genommen aus standardisierten Tests, zumeist Bluttests, die schnell und zuverlässig anzeigen, wie stark die Schutzwirkung der neuen Impfstoffe sein wird. Bislang verwenden viele Labore unterschiedliche Tests, um die Immunantwort zu messen, die ein Impfstoff erzeugt. „Es gibt sehr unterschiedliche Assays, also Testverfahren“, sagt Dr. Anke Pagnon, die als Wissenschaftlerin bei Sanofi-Pasteur arbeitet und eine Laborgruppe in Lyon leitet. „Wir haben während des Projektes jedes Assay standardisiert. Jedes beteiligte Labor hat ein Protokoll nach identischen Vorgaben erstellt und es an eine zentrale Stelle geschickt.“ Dort wurden die Unterschiede analysiert und die wichtigsten Test-Parameter herausgefiltert und vereinheitlicht. Anke Pagnon weiter: „Man hat sich also auf ein gemeinsames Protokoll geeinigt, das dann im zweiten Anlauf an die Partner verschickt und von ihnen getestet wurde – und zwar nach identischen Vorgaben.“
Am Ende steht ein Protokoll mit präzisen Angaben zu jedem Testverfahren. Diese Protokolle werden dann der gesamten Grippe-Impfstoff-Gemeinschaft zur Verfügung gestellt.
FLUCOP bedeutet wörtlich: Standardization and development of assays for assessment on influenca vaccines correlates of protection. Zu Deutsch in etwa: Standardisierung und Entwicklung von Testverfahren zur Bewertung von Grippe-Impfstoffen im Hinblick auf ihre Schutzwirkung. „Insgesamt ist das Projekt in vier Arbeitsgruppen aufgeteilt“, erzählt Anke Pagnon, „von denen jede unterschiedliche Assays standardisiert“ – von den klassischen Tests zur Antikörper-Bewertung bis hin zu neuen Technologien. An FLUCOP beteiligen sich 22 Partner, darunter Impfstoff-Hersteller, große akademische Forschungseinrichtungen, aber auch staatliche Gesundheits- und Regulierungsbehörden sowie NGOs. Sie alle profitieren am Ende von den einheitlichen Testverfahren – die Impfstoffhersteller bei der Entwicklung, die Behörden, wenn es darum geht, die Wirksamkeit eines möglichen neuen Impfstoffes zu bewerten. „Während des Projektes wurden außerdem neue Technologien entwickelt, die ebenfalls bei der Entwicklung neuer Impfstoffe angewendet werden“, so Anke Pagnon.
Langfristige Perspektiven
Langfristig könnte das FLUCOP-Projekt auch zur Entwicklung von mehrjährigen Grippe-Impfstoffen beitragen – also von Impfstoffen die nicht nur in einer Saison wirken, sondern über mehrere Jahre hinweg. „Es wurde zum Beispiel ein Test für die Neuroaminidase optimiert, der hier hilfreich sein könnte. Zudem wurde ebenso ein bestimmter Hämaglutinin-Test standardisiert – beides sind Glykoproteine, die in die Virushülle eingelagert sind“, sagt Anke Pagnon. Die Immunologin fügt allerdings auch hinzu: „Mehrjährige Impfstoffe sind eine große wissenschaftliche Herausforderung, bei der es nicht nur um die Auswertung von Assays geht – insofern ist schwer vorauszusagen, wann es einen solchen Impfstoff geben wird.“
Anke Pagnon findet es sehr bereichernd, „dass wir mit FLUCOP eine Plattform haben, die wettbewerbsfrei ist. Wir können uns austauschen und dieser Austausch von Wissen mit anderen Partnern hat natürlich den Vorteil, dass wir alle besser verstehen, wie unsere Impfstoffe funktionieren.“ Und letztlich auch, dass Kosten und Risiko gemeinsam getragen werden, sei eine Stärke eines solch großen Projektes mit sehr unterschiedlichen Teilnehmern. Die Gesamtkosten belaufen sich immerhin auf knapp 14 Millionen Euro.