1,5 Millionen Menschen leiden in Deutschland an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Für sie und ihre Angehörigen ist das eine enorme Belastung. Chronische Erkrankungen wie etwa die rheumatoide Arthritis (RA) „verringern die Leistungsfähigkeit des Einzelnen und damit des Landes und verursachen Kosten für die sozialen Sicherungssysteme durch Arbeitsausfälle, Frühverrentungen, Pflegeaufwand etc.“, heißt es im Biotech-Report 2019. Aber auch Dinge wie Schul- und Berufsausbildung oder Familienplanung können sie beeinträchtigen.
Menschen mit rheumatoider Arthritis (RA) – die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung – mussten noch vor einigen Jahren „starke Deformationen der Gelenke und ein Leben im Rollstuhl fürchten“, heißt es weiter. Solch extreme Verläufe sind heute selten geworden, wie auch Prof. Burmester bestätigt: „War es früher schwer, vor lauter Rollstühlen eine rheumatologische Poliklinik zu betreten, haben wir heute die meisten Rollstühle weitergereicht“. Er weiß: Durch „entzündliches Rheuma bedingte Operationen sind selten geworden. Viele Betroffene können ein weitgehend normales Leben führen.“
Therapie: csDMARDs, bDMARDs, tsDMARDs
Ein Durchbruch gelang 1999 und 2000: Die ersten biopharmazeutischen krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Medikamente (bDMARDs) wurden verfügbar. Ein „Meilenstein“, wie die Autoren des Biotech-Reports schreiben. „In den Folgejahren gelang es, über weitere Biopharmazeutika auch in andere Signalwege einzugreifen und so für immer mehr Patienten wirksame Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen.“ Darunter sind beispielsweise sog. TNF-alpha-Inhibitoren: Sie hemmen den Botenstoff TNF-alpha, der in der Entzündungskaskade von Rheuma eine große Rolle spielt. Oder sog. B-Zell-Modulatoren, die bestimmte B-Zellen zerstören, die ebenfalls am Entzündungsprozess beteiligt sind.
Gemäß der S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) sollte nach Diagnose einer RA eine Therapie mit herkömmlichen, konventionellen DMARDs (csDMARD, z.B. Methotrexat, MTX) begonnen werden. Spricht der Patient nur unzureichend darauf an, können biopharmazeutische Medikamente (bDMARD) zum Einsatz kommen – oder sog. tsDMARDs. Diese tsDMARDs gibt es seit 2017 und wirken zielgerichtet, sind aber synthetisch – also keine Biopharmazeutika. Ihr Vorteil: Sie können oral eingenommen werden und müssen nicht gespritzt werden. Ziel der Therapie ist es, die Krankheitsaktivität möglichst früh zu beherrschen und schnell eine Remission zu erreichen.
„Einige Rheumapatienten werden unter einer optimierten Therapie auf Dauer beschwerdefrei. Die Leitlinie gibt daher erstmals Empfehlungen zur ‚Deeskalation‘, einem Ausschleichen der Rheuma-Medikamente“, heißt es im Biotech-Report.
Biopharmazeutika: Vereinfachung der Therapie
Im Laufe der Zeit haben Pharmaunternehmen auch daran gearbeitet, die Therapie der Betroffenen zu vereinfachen. bDMARDs (Bipharmazeutika) machen regelmäßige Injektionen – oder auch Infusionen – notwendig. „Deshalb haben die Hersteller viel in die Entwicklung von Devices investiert, die auch von Patienten mit bereits deformierten Händen für eine einfache und sichere Selbstinjektion genutzt werden können“, so vfa bio und BCG. „Auch an der Reduktion des Injektionsvolumens wurde gearbeitet, um Schmerzen bei der Injektion zu minimieren.“ Bei einer Dauertherapie ist das für die Patienten von großem Vorteil – und es erhöht die Therapietreue und verbessert somit die Behandlungsergebnisse.
Biopharmazeutika gelten als hochwirksame Medikamente für RA-Patienten, „da sie Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Patienten erheblich mindern oder ganz verhindern und in vielen Fällen auch die Gelenkdeformation und -zerstörung teilweise oder sogar gänzlich abwenden oder stoppen können“, so die Experten. Im Vergleich zu der Situation vor 1999/2000 eine Revolution.
Das zeigt auch eine Auswertung der Daten von Mitgliedern der Krankenkasse AOK: Von 2002 bis 2012 ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage bei den RA-Betroffenen gesunken – bei Frauen um 27 Prozent bei Männern um sieben Prozent. „Die Häufigkeit, mit der RA-bedingte Erwerbsminderungsrenten bezogen werden mussten, nahm zwischen 2001 und 2011 bei RA-Patienten um 36 % (Frauen) bzw. 30 % (Männer) ab (Daten der Deutschen Rentenversicherung)“, ist im Biotech-Report zu lesen. Und auch die Zahl sowie Dauer von Krankenhausaufenthalten hat abgenommen. Im Gegensatz dazu bleiben immer mehr RA-Patienten im Berufsleben.
Pharmaforschung: für ein selbstbestimmtes Leben mit Rheuma
Das deutsche RABBIT-Register, welches Langzeitdaten zur Verträglichkeit und Wirksamkeit von bDMARDs generiert, zeigt: Die Sterblichkeit der Betroffenen, die mit biopharmazeutischen Medikamenten therapiert wurden, ist im Vergleich zur konventionellen Therapie deutlich reduziert. „Pharmaforschung zu Rheuma hat vielen Menschen geholfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie hilft aber auch der Volkswirtschaft in Zeiten eines aufkommenden Fachkräftemangels und im demografischen Wandel“, resümiert Han Steutel, Präsident des vfa.
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