Wie hoch die Chance ist  einen Krebs zu überleben  hängt auch davon ab  in welchem Land man lebt  zeigt eine Studie. Das gilt selbst für Länder mit höherem Einkommen. Foto: © iStock.com/Spotmatik
Wie hoch die Chance ist einen Krebs zu überleben hängt auch davon ab in welchem Land man lebt zeigt eine Studie. Das gilt selbst für Länder mit höherem Einkommen. Foto: © iStock.com/Spotmatik

Krebs: Überlebensraten im internationalen Vergleich

Die Chance, eine Krebserkrankung zu überleben, steigt in Ländern mit höherem Einkommen weiter an. Das zeigt eine Studie, die in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde. Überraschend sind aber die teils erheblichen Unterschiede zwischen den verglichenen Ländern: Wie hoch die Krebsüberlebensrate ist, hängt auch davon ab, in welchem Land man lebt.
Dänemark im Kampf gegen Krebs. Foto: CC0 (Stencil)
Dänemark im Kampf gegen Krebs. Foto: CC0 (Stencil)

In Dänemark machen sie es anders. Weil das kleine Land deutlich höhere Krebs-Sterblichkeitsraten aufwies als viele andere, vergleichbare westliche Länder, beschloss man dort im Jahr 2007, den Kampf gegen Krebs strategischer aufzunehmen. Eingeführt wurden so genannte Cancer patient pathways (CPP). Das Ziel: eine frühere, eine schnellere Diagnose. Denn als Faustregel gilt, dass bei jedem zweiten Krebspatienten, der sich seinem Hausarzt vorstellt, die Symptome entweder schwer sind, aber nicht direkt auf Krebs hindeuten oder aber nicht schwer, sondern nur vage sind. Und das führt nachweisbar zu verzögerten Diagnosen.

Das Problem ist: Zeit ist etwas, das Krebspatienten nicht haben. 

Durchschnittlich 2,5 Monate länger auf eine Diagnose wartete ein Patient mit einem vagen Befund gegenüber demjenigen, dessen Diagnose von Anfang an keinen Zweifel lässt. Mit der Einführung der CPPs – wie sie funktionieren ist hier beschrieben – bekommen die Ärzte die Möglichkeit, ihre Patienten mit schlechten und unklaren Befunden direkt an spezialisierte Zentren zu überweisen. Den Erfolg der Strategie belegt diese Auswertung:

  • Über alle Krebsarten hinweg stieg in Dänemark das Drei-Jahres-Überleben („three-year relative survival“) von 45 auf 54 Prozent (basierend auf Daten, die zwischen 2004 und 2010 ausgewertet wurden).
  • Noch deutlicher: Bei gynäkologischen Krebspatienten stieg es sogar von 58 auf 75 Prozent.
  • Bei 16,2 Prozent der Patienten mit schweren, aber nicht spezifizierbaren Symptomen stellte sich heraus, dass sie tatsächlich Krebs hatten – sie konnten entsprechend behandelt werden.
  • Nach Einführung der CPPs nahm die Wartezeit bis zur Diagnose um 17 Tage ab (von 49 auf 35 Tage).

Kein Wunder, dass die Dänen in der im September 2019 im Lancet veröffentlichten Studie SURVMARK-2 hervorstechen. Die Studie wertete die Daten von fast vier Millionen Krebspatienten aus sieben Ländern aus: Australien, Kanada, Dänemark, Irland, Neuseeland, Norwegen und Großbritannien. Berücksichtigt wurden Krebserkrankungen der Speiseröhre, von Magen, Darm und Dickdarm, der Bauchspeicheldrüse, der Lunge und der Eierstöcke.

Krebsüberlebensraten steigen. Foto: © iStock.com/Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu
Krebsüberlebensraten steigen. Foto: © iStock.com/Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu

Die höchsten Krebsüberlebensraten: Australien, Kanada, Norwegen

Die Langzeitbeobachtung zeigt auf, dass die Krebsüberlebensraten in den sieben untersuchten Ländern seit 1995 kontinuierlich ansteigen. Das gilt insbesondere – zumindest relativ betrachtet – für die Krebsarten, bei denen die Prognose für die Patienten am schlechtesten ist (Speiseröhre, Magen, Lunge und Bauchspeicheldrüse), und insbesondere für die Patienten, die bei Diagnose jünger als 75 Jahre sind. In dem Ländervergleich schneiden über alle untersuchten Krebsarten hinweg Australien, Kanada und Norwegen am besten ab. 

Doch die Unterschiede zwischen den Ländern sind je nach Krebsart zum Teil erheblich: So ist im Untersuchungszeitraum 2010 bis 2014 die Fünf-Jahres-Überlebensrate beim Bauchspeicheldrüsenkrebs in Australien mit 14,6 Prozent fast doppelt so hoch wie in Großbritannien (7,9 Prozent). Auch beim Magenkrebs haben Patienten in Australien mit 32,8 Prozent eine deutlich bessere Chance fünf Jahre zu überleben als die Briten mit 20,8 Prozent – die Differenz beträgt immerhin 12 Prozentpunkte. Bei den untersuchten Krebsarten sind die Überlebenschancen übrigens bei Darm und Dickdarm am höchsten: In Australien leben fünf Jahre nach Diagnose jeweils 70,8 Prozent der Betroffenen noch. Auch hier sind die Briten wieder Schlusslicht (mit 58,9 bzw. 62,1 Prozent).

Höhere Krebs-Überlebensraten durch gesundheitspolitische Weichenstellungen

Die Dänen befinden sich im diesem internationalen Vergleich zwar im Mittelfeld, haben sich aber in dem Beobachtungszeitraum seit Mitte der 1990er Jahre erheblich gesteigert. So wuchs die Fünf-Jahres-Überlebensrate für Speiseröhrenkrebs von 5,1 Prozent (1990 – 1999) auf 14,7 Prozent (2010 – 2014) – eine Verdreifachung. Es fällt auf, dass die höchsten Steigerungsraten in den Zeitraum nach der Einführung der CPPs fallen. Durch diese gesundheitspolitische Reform ist es dem Land gelungen, eine regelrechte Aufholjagd hinzulegen.

Foto: CC0 (Stencil)
Foto: CC0 (Stencil)

Eine Übersicht der so genannten altersstandardisierten Fünf-Jahresüberlebensraten pro Land und Krebsart – aufgefächert nach Beobachtungszeitraum – findet sich in Tabelle 2 der Studie.

„Die Verbesserungen bei den Krebsüberlebensraten“, so schreiben die Autoren der Studie, „sind wahrscheinlich eine direkte Konsequenz größerer Reformen im Gesundheitssektor und des technologischen Fortschritts, was frühere Diagnosen, effektivere und zielgerichtete Therapien und ein besseres Patienten-Management möglich gemacht hat.“ Auch die größere Treffsicherheit von zielgerichteten Therapien, die auf Basis molekularer Biomarker zum Einsatz kommen, „hat daran wahrscheinlich einen Anteil.“ 

Für die im internationalen Vergleich teils erheblichen Unterschiede ergibt sich für die Wissenschaftler noch weiterer Forschungsbedarf: Als möglichen Grund sehen sie z. B. das Krankheitsstadium bei Diagnose – also die Frage, wie gut ein Gesundheitssystem darin ist, Krebserkrankungen früh zu erkennen. Oder das Ausmaß der Begleiterkrankungen bzw. Komorbiditäten – und somit die Frage, wie gesund eine Bevölkerung generell ist. Oder die Schnelligkeit, mit der die betroffenen Menschen Zugang zu wirksamen Medikamenten haben – also die Frage, wie viel Zeit vergeht, bis ein in Europa zugelassenes Arzneimittel tatsächlich im Versorgungsalltag ankommt.

Krebsmedikament: In Großbritannien vier Jahre später als in Deutschland

Wie groß die Unterschiede beim Zugang schwer kranker Patienten zu Arzneimittelinnovationen in Europa sein können, zeigt dieses Beispiel: Im Mai 2019 bejubelte die britische Organisation Cancer Research UK, dass Patienten mit Multiplen Myelom, einer Krebserkrankung des blutbildenden Systems, nun mit dem Immunmodulator Lenalidomid in Kombination mit Dexamethason behandelt werden können. Dies seien „fantastische News“ für die Patienten und ihre Angehörigen. Und das nicht nur, weil Studien belegen, dass die Therapie das progressionsfreie Überleben deutlich verlängert – also die Zeit von Therapiebeginn bis zu dem Punkt, ab dem sich der Krankheitszustand wieder verschlechtert – sowie das Gesamtüberleben. Es ist auch eine wichtige Therapieoption, wenn andere Medikationen ihre Wirkung verlieren und die behandelnden Ärzte auf Alternativen angewiesen sind.

„Wir-behandeln-jetzt-und-reden-später“-Prinzip. © iStock.com/Spotmatik
„Wir-behandeln-jetzt-und-reden-später“-Prinzip. © iStock.com/Spotmatik

Bitter ist: Die Entscheidung für die Therapie kommt vier Jahre nach der entsprechenden Zulassung in Europa. In Deutschland passiert so etwas nicht. Denn dort kann ein europaweit zugelassenes Arzneimittel sofort verschrieben werden. Seine Verfügbarkeit ist nicht von dem Ergebnis eines Nutzenbewertungsverfahrens und der Preisfindung abhängig – dieser Prozess ist nachgelagert und muss nur in den ersten zwölf Monaten nach Zulassung abgeschlossen sein. Dieses Prinzip des „Wir-behandeln-jetzt-und-reden-später“ ist gerade für schwerkranke Menschen ein Segen. So haben Patienten in Deutschland bereits heute Zugang zu den nächsten Therapiefortschritten in dieser Indikation, die das Gesamtüberleben nochmals deutlich verlängern.

Es dürften solche Unterschiede in den gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen sein, die dazu beitragen, dass Länder mit einem ähnlichen Lebensstandard bei den Krebsüberlebensraten so unterschiedlich dastehen.

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