„Es geht nur zusammen“, betonte die Bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml zur Begrüßung im Max-Joseph-Saal in der Münchener Residenz am Hofgarten, wo sich führende Vertreter der pharmazeutischen Industrie und ihrer Verbände eingefunden hatten. Und weiter: „Ich weiß, es ist nicht einfach, aber zusammen können wir von Bayern aus Akzente setzen und an Stellschrauben drehen, mit denen wir politisch etwas ändern.“ Novartis-Geschäftsführer Heinrich Moisa erklärte als Vertreter des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa): „Bayern hat verstanden: Forschung braucht Heimat.“
Die gemeinsame Erklärung setze sich für bessere Rahmenbedingungen bei Forschung, Produktion und Versorgung ein und sei ein Fahrplan auf dem Weg in eine Zukunft, in der „Bayern eine gute Heimat für die pharmazeutische und biotechnologische Industrie bleiben wird.“ Die Expertengruppen im Vorfeld des Pharmagipfels widmeten sich insbesondere folgenden Punkten:
- Digitale Zukunft der Gesundheitsforschung und -versorgung
- Neuartige Arzneimittel, insbesondere Zelltherapien und biotechnologische Arzneimittel – einschließlich neuer Fragestellungen, die sich dadurch für die frühe Nutzenbewertung ergeben
- Rahmenbedingungen einer stabilen Gesundheitsversorgung
- Chancen durch „Big Data“, insbesondere bei Krebserkrankungen
- Forschungsförderung auf regionaler Ebene
Pharmagipfel: Konkrete Maßnahmen
Insgesamt umfasst die gemeinsame Erklärung des Bayerischen Pharmagipfels 40 Seiten, die eine wohltuende Besonderheit aufweisen: Sie enthalten nicht nur Positionen und Ziele, sondern auch ganz konkrete Maßnahmen, mit denen diese insgesamt 20 Ziele erreicht werden können. Hier die wichtigsten Ziele und Maßnahmen in Kurzform:
- Die Rahmenbedingungen für den Einsatz neuartiger Therapieprodukte verbessern – etwa durch den Aufbau eines Spenderzentrums für „Advanced Therapy Medicinal Products (ATMP), durch Harmonisierung regulatorischer Vorgaben oder durch gezielte Verbesserung der Expertise von Kliniken und Ärzten, unter anderem durch interdisziplinäre Vernetzung und Zusammenarbeit.
- Anreize für technologische Arzneimittelinnovationen schaffen – etwa durch staatliche Förderung der Zusammenarbeit von universitärer und industrieller Forschung und durch gesetzliche Grundlagen für die schnellere Erstattung von Innovationen.
- Bündelung aller Kräfte im Kampf gegen Krebs – unter anderem durch verbesserte Krebsregister und die Errichtung eines Bayerischen Krebsforschungszentrums.
- Raum schaffen für Innovationen – dazu muss auch das AMNOG-Verfahren der frühen Nutzenbewertung flexibler gestaltet werden.
- Arzneimittel sind nicht nur Kostenfaktoren, sondern Investitionen in die Gesundheit – deshalb sollten neue Erstattungsmechanismen in die Versorgung integriert werden, die der dynamischen Entwicklung im Arzneimittelmarkt Rechnung tragen.
- Doppel- und Mehrfachregulierungen überprüfen und abbauen, denn sie behindern eine wirtschaftliche, qualitativ hochwertige Versorgung.
- Die Importförderklausel soll abgeschafft werden – denn es handelt sich um ein Einfallstor für Arzneimittelfälschungen und um eine überflüssige Doppelregulierung zur Arzneimittelversorgung.
- Rabattverträge müssen im Sinne einer guten Patientenversorgung gestaltet werden.
- Forschungskooperationen zwischen Unternehmen, Hochschulen und Kliniken verbessern – etwa durch gemeinsame Veranstaltungen.
- Erhaltung des Patentschutzes als zentraler Innovationsanreiz – Bayern wird sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen.
- Künstliche Intelligenz (KI) fördern, Gesundheitsdatenbanken etablieren und vernetzen, die Chancen eines Forschungsdatenzentrums nutzen.
Gesundheitsindustrie: Wirtschaftsfaktor und Innovationstreiber
Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), stimmte in seinem Vortrag zu Status Quo und Perspektiven der frühen Nutzenbewertung mit wesentlichen Punkten der Pharma-Gipfel-Erklärung überein: „Man darf die Gesundheitsversorgung nie nur auf den Kostenfaktor reduzieren“, so Hecken, „die Gesundheitsversorgung kostet Geld, aber sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor und Innovationstreiber.“
Immerhin arbeiten in Deutschland rund 7,6 Millionen Menschen in der Gesundheitswirtschaft, die mit fast 370 Milliarden Euro rund 12 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Hecken verwies allerdings darauf, dass es in zehn Jahren drei Millionen mehr Rentner und fünf Millionen weniger Erwerbstätige als heute geben werde. Das schaffe Finanzierungsprobleme, zumal Rentner schon heute nur zehn Prozent zu den Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen beisteuern, aber 64 Prozent ihrer Leistungen beanspruchen. Dennoch möchte Hecken keine Verhältnisse wie in Großbritannien, wo ein Lebensjahr mit 27.000 Pfund bewertet und eine teurere Therapie nicht erstattet werde. „Da wären wir schnell am Ende unserer Behandlungsketten“, so Hecken, „und das halte ich für unethisch.“ Hecken plädierte dafür, neue Bewertungsschemata für neuartige Therapien zu schaffen, bei denen es keine Vergleichstherapien gibt und die den „klassischen Anforderungen nicht genügen.“
Digitale Chancen nutzen
In der abschließenden Diskussionsrunde ging Servier-Geschäftsleiter Oliver Kirst als Vertreter des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) noch einmal auf wichtige Punkte der Abschlusserklärung ein: „Wir müssen die Digitalisierung aktiv gestalten und dürfen sie nicht bloß passiv ertragen.“ So könnten „Apps auf Rezept“ Versorgungslücken insbesondere im ländlichen Bereich schließen oder viele der deutschlandweit sechs Millionen Patienten mit Depressionen von webbasierten Psychotherapien profitieren.
Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz solle die Ärzte nicht ersetzen, sondern unterstützen. Heinrich Moisa betonte, dass sich durch den ergänzenden Einsatz von Telemedizin „die Patienten besser aufgehoben fühlen, während gleichzeitig die Kosten sinken.“ Peter Heinrich, Geschäftsführer Sinfonie Life Science Management und Sprecher des Biotech-Verbandes „BioDeutschland“ setzte sich dafür ein, Innovationsförderung nicht nur auf den Krebsbereich zu konzentrieren. „Stattdessen“, so Heinrich, „sollten wir auch Indikationen wie Alzheimer oder Depressionen gezielt fördern.“
Der Pharmagipfel 2019, darin waren sich alle Teilnehmer einig, war ein wichtiger Schritt, um den Pharmastandort Bayern fit für die Zukunft zu machen – und das Beste für die Patienten zu erreichen.
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