Das schwedische Institute of Health Economics (IHE) hat sich die Entwicklung von Krebs in 31 europäischen Ländern über einen Zeitraum von fast 25 Jahren angeschaut – und beeindruckende Fakten zusammengetragen. Foto: © iStock.com/gabriel__bostan - FilmColoratStudio
Das schwedische Institute of Health Economics (IHE) hat sich die Entwicklung von Krebs in 31 europäischen Ländern über einen Zeitraum von fast 25 Jahren angeschaut – und beeindruckende Fakten zusammengetragen. Foto: © iStock.com/gabriel__bostan - FilmColoratStudio

Krebs in Europa: Die Todesraten fallen

Das schwedische Institute of Health Economics (IHE) hat sich die Entwicklung von Krebs in 31 europäischen Ländern über einen Zeitraum von fast 25 Jahren angeschaut – und beeindruckende Fakten zusammengetragen: Die Zahl der Krebsneuerkrankungen stieg um rund 50 Prozent. Rechnet man die Faktoren Bevölkerungswachstum und alternde Gesellschaft heraus, ist die Sterblichkeit aber gesunken.

Krebs ist und bleibt für die Menschen, die Gesellschaften, in denen sie leben, und deren Sozialsysteme eine große Herausforderung – jeder vierte Todesfall in Europa ist die Folge einer Krebserkrankung.

Krebs ist und bleibt eine große Herausforderung. Foto: © iStock.com/vadimguzhva
Krebs ist und bleibt eine große Herausforderung. Foto: © iStock.com/vadimguzhva

In manchen Ländern, z.B. in Dänemark oder Frankreich, hat Krebs den Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Todesursache bereits den ersten Platz streitig gemacht. 

Für den Bericht „Comparator Report on Cancer in Europe 2019 – Disease Burden, Costs and Access to Medicines” haben die Gesundheitsökonomen des IHE gigantische Datenmengen analysiert: Es ist ein Porträt der Krebserkrankungen und ihrer Folgen in Europa, das den Zeitraum von 1995 bis 2018 umspannt. Der Bericht wurde vom Europäischen Verband der pharmazeutischen Unternehmen und ihrer Verbände (EFPIA) in Auftrag gegeben und bezahlt. Pharma Fakten hat die wichtigsten Aussagen des Reports zusammengefasst.

Krebs in Europa: die nackten Zahlen

  • Die Zahl der neu diagnostizierten Krebserkrankungen steigt. Bei der Krebsinzidenz gab es seit 1995 eine Zunahme um rund 50 Prozent – von 2,1 Millionen auf 3,1 Millionen Fälle im Jahr 2018.
  • Auch die Zahl der Todesfälle steigt: 1995 waren es in Europa 1,2 Millionen Krebstote, 2018 bereits 1,4 Millionen.

Aber: Die Zahl der Todesfälle (plus 20 Prozent) steigt langsamer als es die Zunahme der Krebsfälle (plus 50 Prozent) erwarten ließe. In den Altersgruppen unter 65 Jahren sinkt sie sogar. Und das gilt vor allem, wenn man die Zahlen „altersadjustiert“: „Rechnet man Bevölkerungswachstum und Alterung heraus, wäre die Krebsmortalität im Zeitraum zwischen 1995 und 2018 in den meisten Ländern gesunken“, stellen die IHE-Wissenschaftler fest. „Kontinuierliche Zuwächse der Fünf-Jahres-Überlebensraten bei den häufigsten Krebsarten in allen Ländern sind Ausdruck dieser Entwicklung.“

EFPIA-Direktorin Nathalie Moll. Foto: © EFPIA
EFPIA-Direktorin Nathalie Moll. Foto: © EFPIA

Die EFPIA-Direktorin Nathalie Moll sieht als Gründe dafür verschiedene Kräfte am Werk: „Eine Kombination aus Präventionsprogrammen, früher Diagnose und Intervention sowie Fortschritte in der Behandlung helfen dabei, die Leben der Menschen zu verlängern.“ Als Beispiel führt sie Hautkrebs an (s. Grafik): „2009 lag die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei fünf Prozent. Zehn Jahre vorgespult ist sie auf 50 Prozent gestiegen. Ein Shift von Chemo- hin zu Immuntherapien und gezielten Therapien – letztere zugeschnitten auf die spezifischen Eigenschaften des Tumors – liefert wirksamere Therapie mit weniger Nebenwirkungen.“

Neue Krebsmedikamente: Resultat von milliardenschweren Investments

Die Fortschritte im Kampf gegen Krebs sind auch das Ergebnis einer seit Jahrzehnten auf Hochtouren laufenden Forschung. Die pharmazeutische Industrie hat allein im Jahr 2015 8,5 Milliarden Euro in die Krebsforschung investiert, wie der Branchenverband EFPIA twitterte. Laut IHE sind im vergangenen Jahrzehnt die Investitionen der Industrie wesentlich schneller gewachsen als die von öffentlichen oder privaten Non-Profit-Organisationen und haben „deren Gesamt-Investitionen bei weitem übertroffen.“ 

Das Ergebnis: Wurden zwischen 2001 und 2011 pro Jahr vier neue Krebsmedikamente durch die EU-Zulassungsbehörde EMA zugelassen, waren es zwischen 2012 und 2018 bereits zehn. Das IHE konstatiert: „Die medizinische Onkologie ist im 21. Jahrhundert mit neuen Medikamenten, die unzählige neu identifizierte molekulare Targets adressieren, in eine neue Phase getreten“.

Kampf gegen Krebs: Besser, aber auch teurer

Mehr Prävention, Impfprogramme, bessere Diagnostik und neue Medikamente: Wovon Krebspatienten profitieren, kostet auch immer mehr Geld. Die krebsspezifischen Behandlungskosten („direct costs of cancer“) haben sich in Europa zwischen 1995 und 2018 von 52 Milliarden auf 103 Milliarden Euro verdoppelt. Für die Gesundheitsökonomen ist das aber kein Grund, beunruhigt zu sein – und das aus gleich mehreren Gründen:

  • Obwohl immer mehr Menschen behandelt werden und auch die Arzneimittelausgaben kontinuierlich steigen, bewegen sich die direkten Kosten durch Krebs im Gleichschritt zu den Gesamtausgaben für Gesundheit. Der Anteil der direkten Kosten für Krebs ist über den Beobachtungszeitraum der Studie mit Werten zwischen vier und sieben Prozent „relativ stabil geblieben“.
  • Dem stehen verringerte indirekte Kosten gegenüber: Sie sind zwischen 1995 und 2018 um neun Prozent gesunken. Das liegt daran, dass es gelungen ist, die Krebssterblichkeit der Menschen im arbeitsfähigen Alter zu senken, was die Produktivitätsverluste durch vorzeitigen Tod reduziert.

Krebs: auch, aber nicht nur eine Frage des Alters

Krebs: auch, aber nicht nur eine Frage des Alters. Foto: CC0 (Stencil)
Krebs: auch, aber nicht nur eine Frage des Alters. Foto: CC0 (Stencil)

Die Tatsache, dass Europas Menschen im Durchschnitt immer älter werden, ist einer der Treiber für Krebserkrankungen. Dennoch haben es die Menschen zu einem hohen Prozentsatz selbst in der Hand, denn 40 bis 45 Prozent der Krebsfälle gelten als vermeidbar, so das IHE. Die Gesundheitsökonomen fordern denn auch einen stärkeren Fokus auf der Thema Prävention und Screening. „Alle Länder haben immer noch große Möglichkeiten, um ihre Initiativen in diesen Bereich zu verbessern“, schreiben sie den politischen Entscheidungsträgern ins Stammbuch. Tabakkontrolle sehen sie als einen der wichtigsten Hebel, aber auch HPV-Impfprogramme, die – obwohl kosteneffektiv – noch immer in vielen Ländern nicht vollständig umgesetzt seien.

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