Kurz nach dem bekannt wurde, dass es bei den Bioäquivalenzstudien, die der Dienstleister GVK Biosciences für generische Arzneien Unregelmäßigkeiten gegeben haben könnte, erzeugte dies harsche Kritik. Doch manche Wertung ging über ein begründetes Normalmaß hinaus. Plötzlich war da die Rede von Menschenversuchen. Das High-Tech-Land Indien wurde zum Billigstudienland. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach stellte Studien aus Schwellenländern pauschal unter Verdacht. Der Dünkel einstiger Kolonialherrschaft hing in der Luft. Doch hält eine solche Sichtweise einer kritischen Überprüfung stand?
International gültige Qualitätskriterien für Arzneien
Falls sich der Verdacht bei den 27 Arzneien, deren Zulassung des Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ruhen ließ, ist die Kritik am betroffenen Dienstleister sicherlich gerechtfertigt. Fakt ist: Klinische Studien müssen in allen Ländern auf dieser Welt den gleichen Qualitätskriterien genügen. „Für die durchgeführten klinischen Prüfungen in Indien gelten die gleichen strengen ethischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Regeln der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), der Good Clinical Practice (GCP) und der International Conference on Harmonisation(ICH) wie in allen anderen Staaten auch“, erklärte Joachim Odenbach, Pressesprecher des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
Wer dagegen verstößt, muss mit den Folgen leben. „Bei Medikamenten gelten für die Erprobung und die Produktion hohe Standards, die international zu achten sind“, sagte Dr. Rolf Hömke, Forschungs-Sprecher des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Zurecht würden Firmen angeprangert, die diese Standards fahrlässig oder vorsätzlich unterlaufen. „Aber pauschal alle Firmen eines Landes eines solchen Verhaltens zu verdächtigen, nur weil sie in einem Schwellenland beheimatet sind, sei unangemessen und könne als Neokolonialismus ausgelegt werden“, erklärte Hömke.
Klinische Studien in Indien unabdingbar
Ein Verzicht auf die Studien in Indien und anderen Ländern könnte fatale Folgen haben. Zum einen sind die Firmen dazu verpflichtet, Präparate in den Gebieten ihrer Zulassung zu erproben. Denn ein Wirkstoff, den ein Mitteleuropäer beispielsweise gut verträgt, könnte aufgrund von unterschiedlichen Stoffwechselmechanismen bei einer anderen Ethnie unerwünschte Nebenwirkungen haben. Daher ist die Erforschung unabdingbar. Zum anderen ist die Durchführung ein Indiz für eine immer bessere Versorgung mit Arzneien im jeweiligen Land. Die Kosten spielen dabei nur eine nachgeordnete Rolle. Ohnehin werden 80 Prozent der klinischen Studien nach wie vor in Europa oder den USA durchgeführt.