Nur jedes zweite Medikament habe für Patienten einen zusätzlichen Nutzen gegenüber einem Vorgänger-Präparat ließ der Gemeinsame Bundesausschuss anlässlich der 100. Bewertung im Rahmen des AMNOG-Verfahrens verlautbaren. Doch diese Sichtweise ist umstritten.
Eisai-General Manager Georg Wager sieht Defizite im AMNOG-Verfahren – insbesondere bei Medikamenten für die Behandlung von Epilepsien. Beispielsweise sei es bei dem individuell nicht vorhersehbaren Ansprechen auf eine Substanz in der Epilepsiebehandlung nicht angemessen, dass keine Placebo-Vergleichsstudien akzeptiert würden, um den Zusatznutzen zu belegen.
IQWiG verlangte andere Studien als Zulassungsbehörde
„Sollte die starre Forderung von IQWiG und G-BA nach Kopf-an-Kopf-Studien fortbestehen, würde in Zukunft innovativen Antiepileptika trotz offensichtlichem Effekt bei offensichtlichem Bedarf regelhaft der Marktzugang erschwert oder faktisch verhindert, zu Lasten betroffener Patienten ohne weitere sinnvolle Therapie-Optionen“, befürchtet Wager. Insbesondere bei den rund 30 Prozent der Epilepsie-Patienten, die mit den verfügbaren Antiepileptika nicht anfallsfrei würden, sei das Ansprechen auf die Medikamente hochindividuell und nicht vorhersehbar. „Ein flexiblerer und patientenorientierter Ansatz müsste daher bei der Bewertung des Zusatznutzen zugrunde gelegt werden“, betonte Wager.
Katrin Blank, Pressesprecherin von Lilly Deutschland wies auf die Bedeutung der im AMNOG-Verfahren erzielten Ergebnisse hin. „Als forschendes Pharmaunternehmen ist es unser ureigenes Interesse, den Patienten Arzneimittel-Innovationen so rasch wie möglich zur Verfügung zu stellen. Ebenso finden wir es angemessen, dass Preise für Arzneimittel an deren Wertigkeit gemessen werden, was Aufgabe des AMNOG ist“, so Blank. Deutschland sei ein Markt, der im globalen Kontext von sehr hoher Bedeutung sei, da die hier verhandelten Preise weit über die Grenzen hinaus wirkten. Dadurch komme dem Prozess der Nutzenbewertung weltweit eine zentrale Bedeutung zu.
Industrie sieht Schwachstellen im AMNOG-Prozess
„Allerdings sehen wir einige Schwachstellen im AMNOG-Prozess. So gibt es offensichtlich ein Problem bei der Bewertung von Arzneimitteln für chronische Erkrankungen wie Diabetes. Hier werden oft Daten verlangt, die zum Zeitpunkt der frühen Nutzenbewertung rein praktisch gesehen noch gar nicht vorliegen können“, erläuterte die Pressesprecherin. Es hätte bereits einige Produkte gegeben, die den deutschen Markt verlassen haben, in anderen Ländern jedoch sehr erfolgreich zum Wohle der Patienten eingesetzt würden. „Hierfür müssen dringend Lösungen gefunden werden“.
Blank weiter: „Auch sehen wir weiterhin Bedarf, die Anforderungen an klinische Studien besser mit den Zulassungsanforderungen und anderen europäischen HTA-Behörden (Health Technology Assessment/Medizin-Folgenabschätzung) zu synchronisieren.“ So könne sichergestellt werden, dass diese in den Studien berücksichtigt werden können. „Oft gehen die Anforderungen des IQWiG hier über das realistisch machbare hinaus.“