Jedes Jahr sterben weltweit 5,7 Millionen Menschen, weil sie keinen Zugang zu den antimikrobiellen Arzneimitteln haben, die ihnen helfen könnten. Das geht aus einem Bericht der „AMR Industry Alliance“ hervor – ein Zusammenschluss aus forschenden Pharma- und Biotechnologiefirmen und deren Verbände, Diagnostika-Herstellern sowie Generikaunternehmen. Das Ziel der Allianz ist es, die Verbreitung antimikrobieller Resistenzen einzudämmen. Denn die öffentliche Gesundheit ist in Gefahr, wenn Medikamente z.B. gegen Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten unwirksam werden (s. Pharma Fakten). Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass Menschen weltweit Zugang zu einer breiten Palette an innovativen Arzneimitteln erhalten.
Doch gerade in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ist das eine Herausforderung: Die Last durch Infektionskrankheiten ist hoch, die Gesundheitssysteme sind oftmals schwach. „Ein erweiterter Zugang zu Antimikrobiotika […] wird Leben retten und spielt eine entscheidende Rolle in den globalen Bemühungen, die Ausbreitung Arzneimittel-resistenter Infektionen zu verlangsamen“, heißt es in dem „2020 Progress Report“ der Industrieallianz.
Arzneimittellieferung per Drohne
Wichtig sind daher Projekte wie jenes, das das Unternehmen Pfizer in Ghana unterstützt: Die Drohnen der Firma Zipline beliefern in dem westafrikanischen Land mehr als 2.000 Gesundheitseinrichtungen mit rund 150 verschiedenen Medikamenten, Impfstoffen oder Blutkonserven. So werden etwa 15 Millionen Menschen erreicht, die sonst auf die so genannten „Essential Medicines“ verzichten müssten. Dank dieser Initiative kommen unentbehrliche Arzneimittel auch in solch entlegenen Gebieten an, wo nicht – wie etwa hierzulande – dreimal am Tag ein Auto mit der Aufschrift „Eilige Arzneimittel“ vorfährt.
Drohnen in Ghana – es ist ein Beispiel dafür, an wie vielen unterschiedlichen Stellschrauben gedreht werden muss, um den Zugang zu Arzneimitteln weltweit zu verbessern. Damit die Lieferketten in weniger entwickelten Ländern gestärkt werden, arbeiten die Pharma-, Biotech-, Generika- und Diagnostika-Firmen außerdem mit den entsprechenden Regierungen und Behörden zusammen. Sie erhalten Mindestbestände aufrecht und beziehen benötigte Rohstoffe, Produkte und Dienstleistungen möglichst von mehr als einem Anbieter.
Doch bevor ein Unternehmen sein Präparat in einem Land vertreiben darf, braucht es eine Zulassung. In manchen Regionen der Welt scheitert es daran. „Eine aktuelle Studie zeigt, dass in der Mehrheit der Länder in Subsahara-Afrika weniger als fünf von 21 neuen Antibiotika, die zwischen 1999 und 2014 auf den Markt kamen, registriert waren.“ „AMR Industry Alliance“-Mitglieder kooperieren daher mit den Regierungen, um die Registrierungen voranzutreiben und die zuständigen lokalen Behörden in ihrer Arbeitsfähigkeit zu stärken.
Arzneimittel für alle: Auf Partnerschaften kommt es an
Und: Viele Pharmaunternehmen verfolgen bei ihren Medikamenten Preisstrategien, die auf die Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes angepasst sind; oder sie machen ihre Präparate über Spenden in Ländern mit niedrigem Einkommen verfügbar.
Arzneimittel für alle, weltweit: Das sollte selbstverständlich sein und ist angesichts der Komplexität dieser Welt doch ein ehrgeiziges Ziel. Ein Ziel, das nur in Partnerschaften – zwischen Industrie, politischen Entscheidungsträgern, Nichtregierungsorganisationen u.v.m. – erreicht werden kann.
So ging das Pharmaunternehmen Novartis im Jahr 2018 eine Kooperation mit der gemeinnützigen Initiative „Global Antibiotic Research & Development Partnership“ (GARDP) ein. Gemeinsam wollen die beiden Akteure alles dafür tun, dass Kinder in ärmeren Ländern generische Antibiotika-Therapien erhalten. Dazu gehört, bewährte Wirkstoff-Formulierungen und -Dosierungen an die pädiatrische Zielgruppe sowie die Bedingungen und Temperaturen (Stichwort: Hitzebeständigkeit) vor Ort anzupassen. Außerdem hat es sich die Generika- und Biosimilars-Firma Sandoz – Teil von Novartis – vorgenommen, über diverse Partnerschaften die Verfügbarkeit des Breitbandantibiotikums Amoxicillin zu verbessern. In dem Bericht der „AMR Industry Alliance“ ist von „beeindruckenden Ergebnissen“ die Rede: So wurden allein an die Organisation UNICEF mehr als eine Millionen Einheiten von Amoxicillin geliefert.
Access to Medicine: Best practices
Übrigens: Regelmäßig müssen sich die Arzneimittelhersteller einer kritischen Prüfung durch die „Access to Medicine Foundation“ stellen. Sie ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation, die alle zwei Jahre im „Access to Medicine Index“ analysiert, was die größten Pharmaunternehmen tun, um den Zugang zu Medikamenten weltweit zu verbessern. 2018 – der Bericht für 2020 ist noch nicht erschienen – belegte GlaxoSmithKline Platz 1: GSK ist zum Beispiel Partner des Projekts „Live Well“, um das Gesundheitssystem Sambias über das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu stärken. Dazu werden Menschen vor Ort zu sogenannten „community health entrepreneurs´“ ausgebildet. Sie fungieren als Vertriebler, die den Einwohnern in ländlichen Gebieten nicht nur benötigte Schmerz- oder Verhütungsmittel direkt an die Haustür bringen, sondern auch über Gesundheit aufklären. Jeden Monat erreichen sie so über 45.000 Menschen.
Gilead ist ein Unternehmen, das Medikamente gegen HIV im Portfolio hat und 2014 das erste Heilmittel gegen die Infektionskrankheit Hepatitis C verfügbar machte. Es ist mit Generikaherstellern weitreichende Verträge eingegangen, die es ihnen erlauben, innovative Arzneimittel kostengünstig herzustellen und zu vertreiben. Dadurch sind die jeweiligen Präparate heute in mehr als 140 Ländern zu den lokalen Gegebenheiten angepassten Preisen erhältlich.
Als ein Beispiel für „best practice“ listet die „Access to Medicine Foundation“ außerdem ein Projekt von Novartis auf, das den Titel „SMS for Life 2.0“ trägt: Es baut auf der Initiative „SMS for Life“ auf, die bereits vor über zehn Jahren ins Leben gerufen wurde. Herzstück des Ganzen waren Mobiltelefone, mit Hilfe derer zahlreiche Gesundheitseinrichtungen in Subsahara-Afrika die Bestände von Malaria-Medikamenten verwalten und Fehlbestände melden konnten. „SMS for Life 2.0“ ist eine erweiterte, verbesserte Version dieses Projekts, das mit Smartphones sowie Tablet-PCs arbeitet und sich auf eine größere Palette an Arzneimitteln – etwa gegen HIV und Tuberkulose – sowie Impfstoffe erstreckt. Die Tablets können außerdem dank E-Learning-Module für die Schulung von lokalen Gesundheitsmitarbeitern eingesetzt werden.
Arzneimittel für Alle: Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es innovative, nachhaltige Projekte und Strategien. Alle sind gefragt – sei es Politik, Industrie, oder Nichtregierungsorganisationen. Denn: „Jeder Mensch – unabhängig von seiner Rasse, Religion, politischen Einstellung und ökonomischen oder sozialen Situation – hat das Grundrecht, sich der bestmöglichen Gesundheit zu erfreuen“, so die WHO.
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